ADHS in Schule und Unterricht. Manfred Döpfner
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Название: ADHS in Schule und Unterricht

Автор: Manfred Döpfner

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783170383487

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СКАЧАТЬ vom unaufmerksamen Subtypus sind häufig weniger integriert, weil sie als verlangsamt von der Gleichaltrigengruppe wahrgenommen werden oder weil sie situationsunangemessen oder nicht schnell genug reagieren können. Bei Kindern mit einer ADHS, die zusätzlich eine Störung des Sozialverhaltens aufweisen, kommt es durch impulsive Verhaltensweisen zu einem fließenden Übergang zu verbalen oder körperlich aggressiven Handlungen. Bei diesen Kindern sind die Sozialverhaltensprobleme umso stärker ausgeprägt, je früher sie auftreten, in der Regel bereits im Kindergarten (Fischer, Barkley, Fletcher & Smallish, 1993; Saylor & Amann, 2016). Gerade diese Subgruppe von Kindern trägt ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Delinquenzentwicklung sowie einer Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter, zum Beispiel einer antisozialen, narzisstischen oder paranoiden Unterform (Barkley, Fischer, Smallish & Fletcher, 2004; Miller et al., 2008).

      Auch im Jugendlichenalter ist die Stabilität der Störung noch erheblich, sie liegt zwischen 30 und 70 % (Steinhausen und Sobanski, 2010). Es kann allerdings ein deutlicher Symptomwandel beobachtet werden, da die motorische Hyperaktivität deutlich nachlässt. Die Impulsivität und die Aufmerksamkeitsstörung sind allerdings nach wie vor vorhanden, z. T. allerdings bereits in teilkompensierter Form, d. h., dass die Symptomstärke nachlässt. Neben den immer noch bestehenden Schulleistungsproblemen liegen weiterhin vermehrt Störungen des Sozialverhaltens und delinquente Handlungen vor mit einer Prävalenz von 25 bis 50 %. Ab dem mittleren Jugendalter besteht ein erhöhtes Risiko für einen Substanzmissbrauch (Alkohol und Drogen, vor allem Cannabis) (Frölich & Lehmkuhl, 2006; De Alwis, Lynskey, Reiersen & Agrawal, 2014). Den bisher vorliegenden Studien zufolge besteht auch ein moderat erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Internet- oder Computerspielsucht im Jugend- und Erwachsenalter beim männlichen Geschlecht (Frölich, Lehmkuhl & Döpfner, 2009; Wang, Yao, Zhou, Liu & Zeng-tao, 2017). In dieser Altersgruppe treten zunehmend auch affektive Störungen, d. h. Depressionen und interpersonelle Beziehungsstörungen, in den Vordergrund, dies umso mehr, je stärker die Symptomatik noch ausgeprägt oder je weniger erfolgreich die Behandlung bisher verlaufen ist (Steinhausen, 1995; Barkley et al., 2004).Fraser et al. (2018) beobachteten in ihrer Studie, dass von ADHS betroffene Jugendliche depressive Symptome bei sich selbst in geringerem Ausmaße als erfüllt einschätzen als ihre Eltern. Aus diesem Grunde wird der Befragung der Eltern eine große Bedeutsamkeit beigemessen.

      Leider besteht zugleich in dieser Altersgruppe trotz der zunehmenden Bedeutung weiterer psychischer Störungen eine geringe Bereitschaft zur Fortsetzung der medikamentösen oder verhaltenstherapeutischen Behandlung. Die Abbruchrate in der Psychopharmakotherapie steigt in diesem Alter erheblich an (Adler & Nierenberg, 2010).

      Inwieweit eine im Kindes- oder Jugendalter festgestellte ADHS im Erwachsenenalter fortbesteht, hängt auch von der Betrachtungsebene ab. Im klinischen Verlauf von ADHS bis in das junge Erwachsenenalter hinein ist zu beobachten, dass die sogenannte syndromatische Remission, also die Rückbildung der Symptomatik, bei 60 % der Betroffenen zustande kommt, d. h., dass in diesen Fällen nach den angelegten diagnostischen Kriterien die Diagnose nicht mehr gerechtfertigt wäre. Zugleich ist festzustellen, dass sowohl die sogenannte symptomatische Remission, also das Zurückgehen einzelner Kernsymptome des Störungsbildes, als auch die funktionale Remission, d. h. das erreichte psychosoziale Funktionsniveau, längst nicht so hoch zu veranschlagen sind. Mit anderen Worten liegen in der Mehrzahl der Fälle immer noch erkennbare Restsymptome der ADHS mit den entsprechenden funktionalen Beeinträchtigungen und ihren Folgen vor (Biederman, Mick & Faraone, 2000). Erwachsene mit einer ADHS haben im Vergleich zu Gesunden eher schlechtere Bildungsqualifikationen und ein geringeres berufliches Leistungsvermögen sowie Einkommen. Sie sind auch länger finanziell von ihren Eltern abhängig (Altszuler et al., 2016).

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      Abb. 1.1: Remission der ADHS in Abhängigkeit von der Definitionsebene (Biederman et al., 2000, S. 817)

      Schlussfolgerungen für die pädagogische Praxis

      Barkley (2006) stellt resümierend folgende Problembereiche zum Verlauf des Störungsbildes heraus: Im Verlauf der Kindheit und der Adoleszenz steht zunächst die Beeinträchtigung der Schullaufbahn mit niedrigen Leistungen, Klassenwiederholungen und Schulverweisen im Fokus. Das zweitgrößte Risiko besteht in der Entwicklung komorbider Störungen des Sozialverhaltens, welche im Verlauf in eine antisoziale Persönlichkeitsstörung einmünden können bei gleichzeitiger Zunahme eines Substanzmissbrauchs. Entsprechend steigt die Gefahr von Regel- und Gesetzesübertretungen im Jugendlichenalter deutlich an. An dritter Stelle sind zahlreiche Beziehungsstörungen zu nennen mit ausgeprägter sozialer Zurückweisung und Außenseiterposition in der Gleichaltrigengruppe. Diese interaktionellen Schwierigkeiten setzen sich auch in das Erwachsenenalter fort.

      Inwieweit verschiedene Therapien, insbesondere die Stimulanzientherapie, den Langzeitverlauf günstig beeinflussen können, ist derzeit nicht abschließend zu beantworten. In der bislang umfangreichsten Langzeitstudie (MTA Cooperative Group, 1999a, b) zur Evaluierung von Therapieeffekten konnte die anfangs beobachtete Überlegenheit der medikamentösen Therapie gegenüber verhaltenstherapeutischen Interventionen nicht mehr beobachtet werden. Unabhängig von der Therapieform zeigte die Gruppe der Jugendlichen mit einer ADHS immer noch erhebliche psychosoziale Auffälligkeiten gegenüber unauffälligen gleichaltrigen Jugendlichen. Zugleich wurde deutlich, dass diejenigen Kinder, welche ein geringeres Ausmaß an zusätzlichen Verhaltensproblemen aufwiesen, bereits zu Beginn auf jedwede Therapieform positiv ansprachen. Außerdem wiesen die Kinder, deren Herkunftsfamilien weniger mit soziodemografischen Problemen belastet waren, eine bessere Langzeitprognose auf (Molina et al. 2009).

      Hinshaw und Arnold (2015) kommen in der Nachbetrachtung dieser wichtigen Studie zu folgenden differenzierenden Ergebnissen:

      a) Eine kombinierte Behandlungsform mit medikamentösen und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen erwies sich als überlegen im Hinblick auf wichtige funktionale Beeinträchtigungen (schulischen Erfolg, soziale Fertigkeiten sowie erzieherische Kompetenzen der Eltern).

      b) Sie betonen die Wichtigkeit der Unterscheidung spezifischer Begleitbedingungen im Hinblick auf den Therapieerfolg (Komorbiditäten, verbesserte Erziehungskompetenzen der Eltern während der Intervention).

      c) Sie weisen auf das mögliche Auftreten von Nebenwirkungen unter einer Langzeitmedikation (zum Beispiel Wachstumsverminderung) hin sowie auf die Verminderung der Überlegenheit der Medikation nach dem Wechsel der Patienten von der kontrollierten Studienphase in das naturalistische Follow-up.

      Arnold und Mitarbeiter (Arnold, Hodgkins, Caci, Kahle & Young, 2015) untersuchten die Beziehung verschiedener Behandlungsmodalitäten mit der Langzeitprognose des Störungsbildes. Auf der Basis von 403 untersuchten Studien kamen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Langzeitprognose bei Betroffenen von einer ADHS unabhängig von der Behandlungsmodalität verbessert, die größten Effektstärken indes bei einer Kombination von medikamentösen mit nicht medikamentösen Interventionen beobachtet werden konnten, unabhängig von der Behandlungsdauer und vom Beginn der Behandlung.

      Insgesamt betrachtet erwiesen sich die folgenden Faktoren als Prädikatoren für eine Chronifizierung des Verlaufs der ADHS sowie das Zustandekommen von komorbiden psychischen Störungen:

      • pränatale Komplikationen,

      • ein niedriger Sozialstatus der Herkunftsfamilie,

      • eine geringe Intelligenz,

      • früh auftretende schwerwiegende Eltern-Kind-Interaktionsstörungen sowie frühe Beziehungsprobleme mit Gleichaltrigen bis hin zur sozialen Desintegration,

      • eine früh im Entwicklungsverlauf zum Vorschein kommende Störung des Sozialverhaltens sowie anderer Komorbiditäten,

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