Название: Mambés Heimat
Автор: Hilaire Mbakop
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Literaturen und Kulturen Afrikas
isbn: 9783898968379
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Plötzlich hielt der Bus mitten im Regenwald an und schaltete die Scheinwerfer aus. Man sah keine Betonstangen, keine Lichter, keine Häuser. Kein Auto fuhr vorbei. Man sah nichts, nicht einmal die Hand vor Augen. Die Dunkelheit hüllte alles ein. Die Fahrgäste wunderten sich darüber, dass der Fahrer ohne Grund angehalten hatte. Wie hieß der Ort, wo sie sich befanden? Sie hatten Angst. Aber konnten sie fliehen? Wohin in der Schwärze der Nacht? Was hatte der Fahrer vor? Man stellte ihm Fragen, aber er hüllte sich in Schweigen. Die Insassen des Busses hatten den Eindruck, in einem Kinosaal ohne Licht zu sitzen und voller Spannung die Vorführung eines Überraschungsfilms zu erwarten. Minutenlang verharrten sie so … Dann gingen auf einmal die Lichter auf beiden Straßenseiten an. Was für eine Überraschung! Man war in einem Dörfchen! Viele Frauen kamen aus der Nacht hervor und boten den Fahrgästen Mandarinen, Orangen, Kokosnüsse, Wassermelonen, gekühltes Wasser, Maniokstangen, Erdnüsse, Jamswurzeln und Wild an. Ein reichhaltiges Angebot. Die Mehrheit der Fahrgäste kaufte sich etwas. Man teilte sich sein Essen gern mit denjenigen, die nichts kaufen konnten, sodass niemand mit leerem Magen blieb. Man ergriff auch die Gelegenheit, um seine Notduft zu verrichten. Die Männer pinkelten in die Rinnen und die Frauen ins Gras. Es roch penetrant nach Urin. Eine öffentliche Toilette gab es nicht. Nirgends. Jeder war froh, seine Beine zu entspannen. Zehn Minuten lang waren alle gut gelaunt, sie vergaßen die Schmerzen, die sie während der zurückgelegten Strecke erlitten hatten. Aber als der Fahrer sie bat, in den Bus einzusteigen, wurden sie wieder traurig. Mit gesenktem Kopf schlurften sie ins Auto. Wenn man sie sah, konnte man leicht glauben, dass es sich um einen Trauerzug handelte. Sie hätten sich gern länger in diesem Dörfchen aufgehalten.
Die Fahrt ging weiter. Die zurückzulegende Fahrstrecke war lang. Der Bus mit seinen unbequemen Sitzen raste wie zuvor durch den Regenwald. Man begegnete einigen Privatfahrzeugen. Mambé döste schon vor sich hin, als Sobi ihn wachrüttelte und ihm etwas zeigte, das er bisher noch nicht gesehen hatte. Die Szene, die sich da draußen abspielte, war beeindruckend. Sattelfahrzeuge fuhren in einer Kolonne in die entgegengesetzte Richtung, jedes davon mit drei Holzklötzen beladen. Innerhalb von fünfzehn Minuten fuhren ungefähr dreißig vorbei.
»Ach du liebe Güte!«, rief Mambé erstaunt.
»Was Sie jetzt sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs«, sagte Sobi. »Denn die Holzklötze werden jeden Tag zum Hafen Doualas transportiert. Ein Teil davon wird auf dem Schienenweg befördert. Unsere Regierung ist dabei, den Regenwald abzuholzen. Das ist ein verantwortungsloser Umgang mit der Natur. Wir wissen, dass der tropische Regenwald die Lunge der Erde ist.«
»Ja, wir haben in der Schule gelernt, dass die Bäume das Kohlendioxid in Sauerstoff verwandeln.«
»Sehen Sie? Dies bedeutet, die massive Holzwirtschaft im Regenwaldgebiet wirkt sich negativ auf das Weltklima aus. Bei dem Tempo, in dem die Dinge sich entwickeln, wird der Regenwald hier in Kamerun in zwanzig Jahren komplett verschwunden sein. Das würde einen verheerenden Effekt auf das Leben der Menschen haben.«
»Wenn unsere Regierung so viele Bäume fällt, forstet sie die entwaldeten Gegenden wieder auf?«, erkundigte sich Mambé.
»Oh, das wäre schön! Sie denkt nicht an die Wiederaufforstung. Sehen Sie, jeder dieser riesigen Bäume, die zum Hafen befördert werden, wird innerhalb von nur fünf Minuten abgesägt. Aber bevor ein Baum so groß wird, braucht er mindestens neunzig Jahre! Stellen Sie sich das vor!«
»Hat das Volk jemals gegen diese fabrikartige Abholzung seines Waldes protestiert?«, wollte Mambé wissen.
»Das Volk? Welches Volk? Was kann es gegen den Moloch Staat tun? Nur er verfügt über das Bajonett.«
»Ich spreche nicht von einem Aufstand des Volkes. Es kann zum Beispiel eine Friedensdemonstration veranstalten, denn dieses Recht ist durch die Verfassung garantiert, nicht?«
»Neulich ist eine Dörflergruppe auf die Straße gegangen, um gegen die massive Abholzung ihrer Gegend zu demonstrieren. Wissen Sie, was ihnen passiert ist?«
»Nein.«
»Die Regierung hat die Demonstranten durch die Polizei niederknüppeln, festnehmen und direkt ins Gefängnis stecken lassen.«
»Mein Gott! Was für eine Ungerechtigkeit!«, rief Mambé entsetzt.
»Harte Strafen erwarten jeden Bürger, der das Handeln des Staates öffentlich kritisiert. Der Holzhandel, den dieser betreibt, wirft viel Gewinn ab. Das gilt auch für andere Rohstoffe. Ferner exportiert das Land Erdöl, Erdgas, Gold, Bauxit, Eisen, Zinn, Baumwolle, Gummi, etc. Aber nur der Staat zieht Profit aus dem Handel mit diesen Produkten. Kamerun ist so reich an Naturschätzen, dass es gemeinhin als ›Afrika in Miniatur‹ bezeichnet wird. Doch lebt die Mehrheit seiner Bevölkerung in bitterer Armut. Es ist traurig, dass viele Eltern es zum Beispiel nur mit großer Mühe schaffen, Schulhefte für ihre Kinder zu kaufen, und das in einem Land, das Holz exportiert …«
»Man hat uns auch in der Schule gelehrt, dass die Pygmäen, deren Lebensraum der tropische Regenwald ist, Jäger und Sammler sind. Sie sind unmittelbar bedroht, wenn so viele Bäume gefällt werden, nicht wahr?«, fragte Mambé.
»Genau! Wir wissen, die Pygmäen leben bis heute nur von der Jagd und dem Pflücken. In der Tat sind viele von ihnen angesichts der intensiven Ausbeutung des Regenwaldes dazu gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen. Manche lassen sich woanders im Wald nieder, während andere in die Städte gehen, wo sie meist ein kümmerliches Dasein fristen müssen … Der Regenwald ist nicht zuletzt der Lebensraum von vielen Tierarten und medizinischen Pflanzen. Er ist letztendlich ein Gut der Menschheit«, betonte Sobi.
»Was kann man Ihrer Meinung nach tun, damit dieser Wald gerettet wird und damit die Bevölkerung am Gewinn des Exports des Holzes und anderer Rohstoffe beteiligt wird?«
»Ich denke«, sagte Sobi, »eine Gruppe oder das Volk allein kann die Regierung nicht umstimmen. Da der tropische Regenwald die Lunge des ganzen Planeten darstellt, sollte sich die Weltöffentlichkeit in diese Angelegenheit einmischen. Sie sollte Druck auf unsere Regierung machen, damit diese verantwortungsvoll mit der Umwelt umgeht und ihren Verpflichtungen gegenüber dem Volke nachkommt.«
»Ich pflichte Ihnen in allen Punkten bei«, sagte Mambé.
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