Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson
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СКАЧАТЬ könnte zum Beispiel heißen: »Die mitternächtlichen Grenzüberschreitungen von HST – Studie über Alkoholismus und Kleptomanie.«

      Du wirst es nicht glauben – aber Henry Luce macht jeden Sonntagabend eine Bar für seine Mitarbeiter, und es gibt Freigetränke. Kein Wunder also, wenn einer von Luces Mitarbeitern jeden Sonntag ziemlich finster dreinschaut, vor sich hin brabbelt und sturzbetrunken ist. Dieser Mitarbeiter bin ich. Es sind noch andere dabei, die aber im Vergleich zu mir viel zurückhaltender sind. Man könnte nun vermuten, dass Luces Mitarbeiter nur Gutes von ihm denken und niemals darauf kommen würden, irgendwelche Dummheiten mit seinem Eigentum anzustellen. Und – was glaubst Du?

      Letzte Nacht bin ich gegen ein Uhr aus dem Gebäude gestolpert, geriet in den Sog der riesigen Bodenlüftung und begann zu taumeln. Zu den Trophäen, die ich mit mir führte, gehörten ein Wörterbuch der Synonyme, fünf türkische Sandwiches, ein Füller mit Federhalter, ein großer Aschenbecher, ein Exemplar von Winesburg, Ohio sowie ein Exemplar des Viking Portable Sherwood Anderson. Das alles befand sich in einer monströsen Box, die ich auf der Schulter trug – und stammte aus Luces Privatbesitz. Wäre ich geschnappt worden, hätte ich zweifelsohne meine Stelle verloren, und meine Mitarbeiterkarte wäre mit dem Hinweis »Wegen Diebstahls gekündigt« markiert worden. Nicht gerade eine Referenz für zukünftige Bewerbungen.

      Momentan verstehe ich aber gar nicht, warum ich mich wegen all dem so schlecht fühle. Es war nur ein weiterer in einer langen Serie von »Thompsonismen«, die sich seit meinem zweiten oder dritten Lebensjahr entlang einer dunklen Linie ununterbrochen fortpflanzen. Wie das alte Sprichwort sagt: »Wer zum Schwert greift, wird mit dem Schwert umkommen.« Und so werde ich den seltsamen Verdacht nicht los, dass mir ein symbolischer Tod bevorsteht. Möglicherweise handelt es sich dabei nur um eines dieser merkwürdigen psychologischen Phänomene, die mit der Natur von Schuldgefühlen zusammenhängen – ich habe mit Jesus allerdings noch nicht genug Zeit verbracht, um es sicher sagen zu können. Vielleicht komme ich mit der Aufarbeitung meiner Schuldgefühle weiter, wenn ich anfange, sie zu verstehen; vielleicht.

      Es war aber ja nicht nur dieser belanglose Klau; die ganze Nacht war beängstigend und auch schon wieder typisch für mich, und kam schon lange nicht mehr vor. Um fünf Uhr nachmittags fing ich an zu trinken, und es endete gegen fünf Uhr morgens, als ich auf meiner Couch zusammensackte. In diesen zwölf Stunden habe ich es fertiggebracht, mit mehreren meiner Kollegen in heftige, von Alkohol befeuerte Streitereien zu geraten; mich vor dem Mädchen, mit dem ich verabredet war, zum Idioten zu machen; ungefähr sechs Dollar für Taxifahrten auszugeben; eine ganze Flasche Scotch zu trinken; ungefähr fünf Mal in den Brunnen im Plaza zu fallen, bis mich die Polizei hinausschaffte; um ein Haar im Knast zu landen; mit den Besetzern eines ganzen Gebäudes an der Ecke Fifth Avenue/Fünfundfünfzigste auf­zu­wachen; im selben Gebäude sämtliche Mädchen einer Woh­nung, die ich dort kenne, zu terrorisieren; meine beiden Kumpanen, die mich auf dieser Odyssee begleiteten, zu brüskieren; und schließlich einen ganzen Tag zum Schreiben zu verlieren, um meinen Rausch auszuschlafen.

      Geht man davon aus, dass der Verlauf dieser Nacht von bewussten Entscheidungen bestimmt war, kommt dabei eine Lebenshaltung zum Vorschein, die von einem Totalausfall von Struktur und Disziplin, von einer alles durchdringenden Selbstbezogenheit, von absoluter Verantwortungslosigkeit und einem vollständigen Mangel an Selbstkontrolle nicht nur geprägt, sondern geradezu verkörpert wird. Und was den Diebstahl unter dem Einfluss von Alkohol betrifft und was es damit auf sich hat, daran mag ich nicht einmal denken; sonst würde ich zu dem Schluss kommen, ich hätte mich selbst bloßgestellt.

      Der Punkt dabei ist weniger, dass ich diese Dinge tue, als vielmehr: dass ich ja verstehe, was ich da tue, und es beim nächsten Mal trotzdem wieder so mache. So sicher es ist, dass diese Dinge passiert sind, so sicher ist es, dass sie sich verflucht nochmal wiederholen werden – vermutlich schon nächs­ten Sonntag.

      Ich habe mich leer geschrieben. Es scheint sinnlos zu sein, sich überhaupt darüber auszulassen … oder vielleicht hat es ja doch einen Sinn: Etwas aufzuschreiben bedeutet für mich, es besser zu verstehen und mit größerer Klarheit zu überbli­cken. Ich schätze, das ist überhaupt einer der wahren Gründe fürs Schreiben: Dinge (das Leben) zu zeigen, wie sie wirklich sind, und so aus einem Chaos heraus Wahrheit freizulegen. Wo ich jetzt einen Moment darüber nachdenke – die bloße Tatsache, dass ich diesen Brief schreibe und einen Drang danach verspüre, zeigt die Bedeutung, die es hat, Wörter auf einem Stück Papier aneinanderzureihen. Wörter sind nur Werkzeuge, doch wenn man sie richtig verwendet, ist es möglich, dem eigenen Leben eine Ordnung zu geben – wenn man sich nichts vormacht und nicht die falschen benutzt. Und ich glaube, das ist der Grund, warum ich so viele Briefe schreibe: weil es der einzige Weg für mich ist – abgesehen davon, arbeiten zu gehen und literarische Texte zu schreiben –, klar auf das Leben zu blicken. Andernfalls bin ich so sehr mittendrin im Geschehen, dass ich nicht mehr merke, wie der Rest der Welt zu einem Bühnenbild für mein Leben verkommt. Das soll fürs Erste genügen. Ich erwarte nicht von Dir, dass Du auf all diese Fragen eine Antwort weißt; schreib mir einfach bei Gelegenheit und sag mir, wie die Dinge bei Dir auf dem Eisklotz [gemeint Island] vorankommen. Bis ich von Dir höre oder wir uns sehen, verbleibe ich …

      paradoxerweise,

      Hunter

      AN SUSAN HASELDEN:

      Haselden hat von Boston aus an Thompson geschrieben und sich von den Werken von Jack Kerouac und anderen Autoren der Beat Generation begeistert gezeigt. Thompson mag Unterwegs, findet aber die anderen Bücher Kerouacs schwach. Vor allem aber verachtet er Leute, die einen auf Beatnik machen – ein Virus, von dem er fürchtet, auch Haselden könne davon befallen sein.

      12. November 1958

      57 Perry Street

      New York City

      Liebe Susan,

      Du scheinst total abzudrehen, und ich weiß nicht, ob ich das zum Lachen oder zum Weinen finden soll. Ich glaube, es wäre am Besten, Du würdest zurück nach Louisville gehen und irgendeinen anständigen Typen heiraten, der mit beiden Beinen im Leben steht. Und – halte Dich fern von diesem gottverdammten San Francisco!

      Und sicher, ich habe Be-Bop, Bars und weißes Pulver gelesen, und auch all den anderen Mist. Der Typ ist ein Idiot, ein esoterischer Knallkopf und intellektueller Dünnbrettbohrer. Das Dharma-Ding war nicht ganz so schlecht wie Be-Bop, Bars und weißes Pulver, beide sind ja nichts als jämmerliche Aufgüsse von Unterwegs – und, da fängt es schon an, selbst das ist nicht mal ein Roman. Wie es bei den Siamesen heißt: »Im leeren Kopf macht selbst eine Erbse fürchterlichen Krach.« So viel zu Mr K – der aus allem fein raus ist. Großartig für ihn … und all seine Lemminge. Wenn nicht bald jemand diesen Verrückten kalt macht, werden wir alle noch das Label »Die Generation des Dritten Sex« aufgedrückt bekommen.

      Ich scheine gereizt zu sein … und das verbietet sich … denn gereizt zu sein heißt spießig zu sein … und spießig sein heißt einen Knall haben … und auch das verbietet sich. Es ist schwer herauszufinden, was man denn nun eigentlich tun soll … welches Label man sich anheften soll … und wir alle sind dazu verdammt, gelabelt zu sein … denn ohne Gemeinschaft gibt es keine Identität … und Identität ist alles … oder nicht?

      Du kannst mit Deinen Freunden gerne bei mir absteigen, wenn ihr zu Thanksgiving runterkommt. Ich hatte schon seit einer Weile keine richtige Orgie mehr. Es wird großartig werden. Ruf auf jeden Fall an. WA9-XXXX. Jederzeit. Ich arbeite nur zweieinhalb Tage die Woche, und ich bin von ARMUT GEPLAGT. Bring Essen mit.

      Ich will noch nach Boston fahren, ehe ich das Land verlasse, und das wird bald sein, und ich werde selbstverständlich bei Dir unterkommen müssen, aber ich ziehe mir einen Keuschheitsgürtel an und verspreche Dir, keinen Ärger zu СКАЧАТЬ