Название: New Game Plus
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
Серия: Bild und Bit. Studien zur digitalen Medienkultur
isbn: 9783862871278
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Auf Basis des in der Öffentlichkeit stattfindenden Spiels mit mobilen Endgeräten, das seine physische Umgebung miteinbezieht, wird herausgearbeitet, wie digitales Spiel durch seine quasi-öffentliche Vorführung vor einem zufälligen, fluktuierenden Publikum einen Performance-Charakter erlangt. Die Performance zieht ihren Reiz dabei nicht zuletzt daraus, dass sie gleichzeitig an digitalen und physischen Orten stattfindet, die für die Beobachter nur partiell wahrnehmbar sind. Die für das Theater herausgearbeitete Kollusion zwischen Schauspieler und Zuschauer bleibt erhalten und wird um die digitale Ebene erweitert, welche »sich der Wahrnehmung durch die Zuschauenden vollständig verschließt und nur über die Beobachtung der Aktionen der Spielenden in der physischen Welt sowie die Interaktion mit ihnen vermittelt erfahrbar wird.«34
Durch die Echtzeit-Performance werden digitale und physische Sphären über menschliche Handlungen und Bewegungen auf Seiten der spielenden und der beobachtenden Teilnehmer verbunden. Auf diese Weise kann das Geschehen als in der Hybriden Realität lokalisiert bezeichnet werden. Für Adriana de Souza e Silva konstituiert sich das Konzept der Hybrid Reality über den »mix of social practices that occur simultaneously in digital and in physical spaces, together with mobility.«35 In ähnlicher Weise identifiziert Steffen P. Walz das Ineinanderübergehen von »mobility, media and computing« als ausschlaggebendes Moment.36
Weitet man die Mobilitätskomponente auf die parallele Bewegung in digitalen und physischen Räumen aus und bezieht man spielende und beobachtende Teilnehmer gleichermaßen in die Gesamtperformance mit ein, lässt sich das Konzept des Hybrid Reality Theatre nicht nur auf den Bereich des Mobile Location Based Gamings anwenden, sondern auch auf weitere Szenarien des digitalen Spielens übertragen.
Im Folgenden werden unterschiedliche Konstellationen digitalen Spielens in Bezug auf den mit ihnen verbundenen Aufführungs- bzw. Theater-Charakter diskutiert und analysiert, inwiefern sich das Konzept des Hybrid Reality Theatre auf die einzelnen Situationen anwenden lässt. Der Fokus liegt dementsprechend auf der Kollusion zwischen Spieler/Zuschauer und Spieler/Avatar sowie der Verbindung von digitaler und physischer Ebene über die Handlungen der Akteure. Die Argumentation berücksichtigt zwei unterschiedliche Dimensionen: zum einen die Frage nach Single-Player- bzw. Multiplayer-Games, zum anderen die Lokalisierung des Spielgeschehens im privaten, teilöffentlichen und öffentlichen Raum. Begonnen wird mit den im privaten Raum auftretenden digitalen Spielkonstellationen.37
AUFFÜHRUNGEN DIGITALEN SPIELENS IM PRIVATRAUM
Wie bereits im ersten Abschnitt erläutert wurde, lässt sich die Verwendung eines Single-Player-Games als eine Zuschauer-Akteur-Situation werten, in der beide Rollen in einer Person zusammenfallen. Eine solche Konstellation erfordert dementsprechend die intensivste Einbringung des Zuschauers. Unterlässt dieser seine Handlungen (im Sinne der Steuerung des Avatars), setzt sich das Spiel nicht fort. Es kommt zum Scheitern bzw. Stagnieren der Narration. Engagiert sich der Spieler als »vierter Schöpfer« im Sinne Meyerholds38 lassen sich verschiedene Aktivitäts- und Beeinflussungsstufen ausmachen. So kann etwa der Datenkörper nur partiell bzw. ausschließlich durch Aktionen sichtbar werden (etwa First-Person-Shooter, Strategiespiele aus der Vogelperspektive), er kann sich als eine vom physischen Körper verschiedene Figur darstellen (Third-Person-Games) oder mithilfe von Videotechnik eine Abbildung desselben zeigen (bspw. Eye-Toy). In Bezug auf die gegenseitige Beeinflussung und die mit dem Spiel verbundene Aktivität lässt sich die dritte Konstellation als stärkste einstufen, da der Spieler die Handlungen der Spielfigur über vergleichbare Bewegungen im physischen Raum initiiert und über die Videoeinbindung sogar Einfluss auf äußere Erscheinung und Mimik nehmen kann. Auch in Bezug auf die Beobachtungsstruktur kann die letzte Konstellation als intensivste bezeichnet werden.
Obgleich Single-Player-Games für die Alleinnutzung durch eine Person vorgesehen sind, ist es nicht unüblich, dass sie von mehreren Personen in Gemeinschaft benutzt werden.39 Auf diese Weise wird die one-on-one-Situation zwischen Spieler und Avatar um die Anwesenheit eines Publikums erweitert. Taylor spricht von »over-the-shoulder constructions of PC play«40 sowie vom »cycling between taking in-game action and spectating«41 – einem Prinzip, das auch von Multiplayer-Games weiterverfolgt wird, die keine gleichzeitige, sondern eine alternierende Nutzung vorsehen und damit die temporäre Passivschaltung der Spieler, wie sie im Singleplayer-Game auftritt, aufgreifen.42 Für Newman stellt die Interaktivität von digitalen Spielen ein Kontinuum mit den Polen online und offline dar, das über die Segmentierung von digitalen Spielen strukturiert wird und neben aktiver Spielbeeinflussung auch Zwischenstadien wie die interessierte, aber nicht-interaktive Beschäftigung einschließt.43 Dies inkludiert etwa dasAssistieren des eigentlichen Spielers (»primary player«) über die Unterstützung bei der Lösung von Rätseln, wodurch für Newman eine Involviertheit entsteht, die weit über die des bloßen Zuschauens hinausgeht,44 wenngleich sich das »Schöpfungspotential« gegenüber dem des Hauptspielers deutlich vermindert zeigt.
Schließlich findet sich auch die apperzipierende und verstehende Wahrnehmung durch die Zuschauer, wie sie von Lazarowicz als Teil der Collusion im Theater identifiziert wurde, in diesem Bereich des digitalen Spielens wieder. Taylor beschreibt dies am Beispiel eines Spielgeschehens, das dem Zuschauer nicht vertraut ist:
»If we are watching a game we are unfamiliar with, […] we do a significant amount of work trying to interpret what we see, trying to connect it to a title within a genre we are familiar with […] to help us make sense of what we're seeing.«45
Neben kognitiven Leistungen schließe dies affektive und körperliche Reaktionen ein.46 Der Zuschauer bleibt auch in diesem Szenario als beeinflussender Faktor bestehen – jedoch mit nochmals reduzierten Möglichkeiten der Einflussnahme. Das bereits für das Theater herausgearbeitete individuelle Erleben einer Aufführung tritt im Falle der ›Spielaufführung‹ durch die unterschiedlichen Grade der Beeinflussungsmöglichkeiten somit noch deutlicher zutage. In Bezug auf den Fokus des Zuschauvorgangs kann festgestellt werden, dass dieser in der Regel stärker auf den Datenkörper ausgerichtet ist als auf den physischen Körper. Die digitale Ebene wird zur Bühne, auf der der ›Text‹ des Computerspiels performed wird.
Es existieren aber auch Varianten, in denen die Handlungen des physischen Körpers stärker in den Fokus rücken. Dies ist etwa dann der Fall, wenn diese besonders auffällig sind und/oder der Datenkörper für die Zuschauer nicht einsehbar ist. Letzteres ist beispielsweise bei der Verwendung des Virtual-Reality-Headsets Oculus Rift der Fall. Hier ist die digitale Ebene ausschließlich für die spielende Person vollständig erfassbar, für die umgebenden Personen nimmt der physische Körper durch seine unübliche Erscheinung und die vollständig von der Umgebung entkoppelten Bewegungen einen performativen Charakter ein. Projekte wie die Virtuix Omni führen diese Idee sogar noch weiter, indem sie den physischen Körper geradezu ausstellen (Abb. 1 und 2).
Abbildung 1/2: Aktionen des physischen Körpers mit der Virtuix СКАЧАТЬ