Impact-Techniken für die Psychotherapie. Danie Beaulieu
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СКАЧАТЬ Angelegenheit auszuweiten. Wenn sich ein Klient z. B. sehr von einem Problem eingenommen fühlt (Scheidung der Eltern, Drogen, körperliche Behinderung, Schulversagen, Liebeskummer etc.), dann schreiben Sie den Begriff auf einen braunen Karton (die hintere Seite von Briefblöcken, etwas sehr Alltägliches, das man nach Gebrauch wegwirft). Nun fordern Sie ihn auf, diesen Karton mit beiden Händen nahe an sein Gesicht zu halten, fingerbreit vor seine Nase, so dass er nichts anderes als dieses Wort auf dem Karton sehen kann. Versuchen Sie jetzt, ihm andere Gegenstände zu zeigen, die er natürlich nicht sehen kann, weil er den Karton vor den Augen hat. Sehr schnell entsteht bei ihm Frustration darüber, dass er alles andere nicht wahrnehmen kann, da sein Gesichtsfeld eingeengt ist. Je mehr es dem Klienten gelingt, Distanz zu nehmen, d. h. den Karton nach und nach weiter von seinem Gesicht wegzubewegen, umso mehr wird er sich entlastet fühlen, weil sein Blick nicht mehr durch die räumliche Beengtheit eingeschränkt ist. Vielleicht wird er sogar, mit einem tiefen Atemzug, von dem Problem Abstand nehmen können.

      Eine andere Möglichkeit, die Gefühle des Klienten anzusprechen, besteht darin, Kodierungen vorzunehmen. Lassen Sie es mich erklären: Unser Gehirn reagiert auf eigentümliche Weise. Das menschliche Wesen besteht aus Gewohnheiten. 95 % unserer Reaktionen sind durch vorausgegangene Erfahrungen automatisiert (Smith 1996). Das bedeutet, dass bestimmte Stimuli voraussehbare Reaktionen auslösen. Haben Sie z. B. nicht auch mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin freundliche Kosenamen eingeführt wie »mein Schatz«, »mein Lieber, meine Liebe«, »mein Mäuschen, Häschen«? Vielleicht betiteln Sie auch Ihren Sohn oder Ihre Tochter, Ihr Haustier, Ihren Kollegen, Ihre Schwester auf ähnliche Weise? Wenn wir nun davon ausgehen, dass Ihr Gehirn die affektiven Codes gespeichert hat, dann erfolgt eine spontane Annäherung. Zweifeln Sie daran? Das ist normal, denn die meiste Zeit erfolgen solche Reaktionen rein automatisch. Sie sind sich dessen nicht einmal bewusst.

      Versuchen Sie jetzt einmal, an eine fremde Person zu denken, die Ihnen auf eine offenherzige Weise einen netten Spitznamen gegeben hat. Konnten Sie dadurch leichter eine freundschaftliche und vielleicht sogar eine Liebesbeziehung zu dieser Person aufbauen? Solche Codes lassen uns manchmal auf erstaunlich fremdartige Weise reagieren. Hier ein weiteres Beispiel: Mein Schwager ist Polizist. Wir fuhren gemeinsam in seinem Wagen und wurden wegen Geschwindigkeitsübertretung angehalten. Der Polizist fragte nach dem Führerschein, er kannte meinen Schwager nicht. Alle beide besaßen ein Dienstgradabzeichen, sozusagen ihr Erkennungszeichen. Nachdem mein Schwager es ihm gezeigt hatte, erkannten sie sich sogleich als Verbündete. Es gab keine Anzeige, denn sie hatten einen gemeinsamen Code.

      Ein anderes Beispiel: Seit langem fahre ich in den Schulferien mit meinem Sohn nach Kuba. Im letzten Jahr, als ich mit Jordane am Strand war und wir uns unterhielten, kam plötzlich jemand hinzu: »He! Salut! Kommt ihr aus Quebec?«, fragte dieser Fremde auf vertraute Weise. Er hatte einen Code erkannt, denn wir sprachen in dem spanisch sprechenden Umfeld den Dialekt von Quebec. Niemals hätte uns diese Person zu Hause so kameradschaftlich angesprochen. Auch hier schuf der gemeinsame Code eine Annäherung.

      Jedes Mal, wenn Sie in der Therapie einen Gegenstand benutzen und eine Bühne aufbauen, entsteht zwischen Ihnen und Ihrem Klienten eine Art Code. Arbeiten Sie möglichst oft damit. Anstatt ein schüchternes Kind aufzufordern, seine Meinung zu äußern, fragen Sie es ganz einfach, ob es sein »Puzzleteil« heute schon eingesetzt hat. Geben Sie ihm einen Styroporbecher mit nach Hause, um damit an den Inhalt der Stunde zu erinnern und um die Bindung bis zur Sitzung in der nächsten Woche aufrechtzuerhalten. Setzen Sie die in der Therapie entstandenen Codes regelmäßig ein. Sie sind immer wieder ein wichtiger Teil Ihrer Botschaft. Es entsteht eine einzigartige Sprache, die an unsere Person gebunden ist und die niemand sonst versteht. Wir werden Komplizen und sind uns daher sehr nahe.

      Kennen Sie das Autokennzeichen Ihres Nachbarn? Kennen Sie das Logo und die Bankleitzahl Ihrer Bank? Wissen Sie, ob die Kassiererin im Supermarkt einen Ring trägt? Wie ist die erste Seite der Speisekarte in dem Restaurant gestaltet, das Sie häufig aufsuchen? Fällt es Ihnen schwer, auf diese Fragen zu antworten? Es kann sein, dass Sie eine Sache hundert, vielleicht sogar tausend Mal gesehen haben. Ihre Augen haben es gesehen, aber Ihr Gedächtnis hat es nicht gespeichert, weil es nicht von Interesse ist. Das Gedächtnis funktioniert gemäß dem Interesse.

      Anders als man es glauben könnte, sind unsere Klienten nicht immer daran »interessiert«, über sich, ihre Schwierigkeiten und anzustrebende Lösungen zu sprechen. Ein Teil unserer Arbeit besteht darin, unsere Klienten zu involvieren, und dies setzt voraus, dass der Prozess für sie »interessant« ist. Interessant bedeutet, dass etwas Unerwartetes, eine Überraschung geschieht beispielsweise, durch das Aufzeigen von Perspektiven, die gewisse Wünsche auslösen und einfach Spaß machen, so dass der Klient Lust bekommt mitzumachen. Sobald Sie eine Übung vorschlagen, wird das Interesse geweckt. Im Grunde lösen Sie zwei spontane Reaktionen aus: Die erste besteht darin, dass das Gehirn dazu tendiert, ein Geschehen zu vervollständigen. Es ist ein Automatismus. Wenn Sie also Elemente in die Diskussion einbringen, die mit diesem Kontext nichts zu tun haben, versucht der Klient herauszufinden, warum das so ist, seine Haltung ändert sich, und es entsteht Neugierde. Zweitens: Sie benutzen Zugänge, die noch nicht infiziert sind, wodurch der Widerstand umgangen wird. In anderen Worten, wenn Sie bei einem Klienten ein Problem direkt verbal angehen, der nichts davon hören will, dann lösen Sie einen starken Widerstand aus. Wenn Sie dagegen den Klienten auffordern, z. B. mit Karten zu spielen oder ein Blatt Papier anzuschauen, das Sie durchreißen, dann überraschen Sie ihn und veranlassen ihn, Ihnen zu folgen, statt sich zu entfernen. Wenn es Ihnen gelungen ist, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, wird er sich Ihre Aussage sehr viel leichter und intensiver einprägen.

      Wenn beispielsweise ein Jugendlicher zu Ihnen geschickt wird, weil seine Eltern oder Lehrer Drogen bei ihm entdeckt haben, er also nicht aus eigenem Antrieb kommt, dann wird er mürrisch und abweisend auf das Gespräch reagieren und desinteressiert sein. Wenn Sie ihm dagegen ein Geldstück anbieten, sagen wir 1 Euro, dann lösen Sie starke neurologische Vernetzungen aus. Denn jeder ist an Geld interessiert, und gleichzeitig ist es eine Überraschung, die alle Sinne anspricht. Wenn er nun das Geldstück nehmen will, sagen Sie zu ihm: »Nein, nimm nur die Zahl und nicht die Münze.« Noch eine Überraschung! Interessant! Natürlich geht das nicht, er kann nicht nur die Zahl nehmen. Dann können Sie ihm die Botschaft vermitteln: »Sieh mal, so ist das auch mit den Drogen, man kann nicht nur den Genuss haben, sondern man nimmt auch alles, was dazugehört: Geldprobleme, Elternsorgen, Schulschwierigkeiten etc. Immer wenn du jetzt ein Geldstück siehst, wirst du dich daran erinnern.« Auch wenn der Jugendliche nicht bereit ist, mit Ihnen zu sprechen, so ist es Ihnen doch gelungen, einen Anker zu setzen, der ihn, spätestens wenn er wieder kommt und wenn er ein Geldstück sieht, daran erinnert. Glauben Sie nicht auch, dass Ihr Klient an diese Erfahrung denken wird, nachdem er Ihr Büro verlassen hat? Selbst wenn er intellektuell Ihre Intervention ins Lächerliche zieht, haben seine Augen und sein Körper diese Botschaft aufgenommen, auf bewusster und auf unbewusster Ebene.

      Milton Erickson hat das Interesse beim Klienten gründlich genutzt (Erickson u. Rossi 1998). Sie kennen vielleicht seine Geschichte von dem kleinen Mädchen, das wegen seiner Sommersprossen »Zimtgesicht« genannt wurde, worunter es sehr litt. Das Mädchen hatte überhaupt keine Lust, Doktor Erickson aufzusuchen. Als sie in sein Büro trat, und noch bevor sie ein einziges Wort sagen konnte, rief er: »Du bist eine Diebin! Du hast geklaut!« Er wusste, wie groß der Widerstand war, und lenkte ab, schuf, statt gleich auf das Thema Sommersprossen zu kommen, eine unvermutete »Erfahrung«. Das Interesse des Mädchens war geweckt, es musste sich gegen die Anschuldigung verteidigen, war emotional aufgewühlt und richtig wütend. »Ich bin keine Diebin! Ich habe noch nie etwas geklaut!« sagte es empört. »Doch, du bist eine Diebin, du klaust. Ich weiß auch, was du gestohlen hast.« rief er ihr zu. »Das können Sie nicht beweisen, das ist unmöglich, ich habe nichts geklaut«, wiederholte es noch aufgebrachter. »Ich weiß sogar, wo du warst, als du geklaut hast.« Das Mädchen war voller Wut und verteidigte sich vehement. Dann sagte Erickson: »Ich werde dir sagen, was und wo du gestohlen hast. Du warst in der Küche und hast den Tisch gedeckt, als du die Gebäckdose deiner Mutter entdeckt hast, du weißt СКАЧАТЬ