Название: Wirtschaft – Eine Zukunft für die Zukunft
Автор: Anand Buchwald
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783867101615
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Darum muss man sich die Frage stellen, ob permanentes Wirtschaftswachstum wirklich ein fundiertes und unverzichtbares wirtschaftswissenschaftliches Grundgesetz ist? Das ist wohl kaum der Fall; es ist ein kurzsichtiges Dogma, das eine Zeitlang vielleicht sogar eine sinnvolle Rolle gespielt hat, aber es ist, wie wir gesehen haben, aus geradezu primitiven Überlegungen heraus nicht zukunftsträchtig. Eine zukunftsfähige Wirtschaftsform orientiert sich an den verfügbaren Ressourcen, welche die Gesamtheit unseres Planeten und des Lebens darauf ausmachen und schließt die vorhersehbare Zukunft mit ein. Unsere gegenwärtige Wirtschaftsform orientiert sich aber fast ausschließlich am Prinzip der lokal und temporal begrenzten Gewinnmaximierung und -potenzierung und nur soweit an wirtschaftlicher Stabilität, dass diese Gewinnmaximierung und die dafür nötigen Wachstumsprozesse nicht gefährdet werden.
Das Mittel, dieses Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, die Gewinne zu maximieren und den Besitz in möglichst wenigen Händen zu konzentrieren ist die dritte Schwäche der Wirtschaft, der Kapitalismus. Dieser ist wahrscheinlich die Ursache für die Einführung des Dogmas des zunehmenden Wirtschaftswachstums und lässt sich selbst von diesem Dogma noch mehr anfeuern. Zusammen bilden diese beiden eine Endlosschleife, die nichts außerhalb von sich wahrnimmt und sich wie ein Schwarzes Loch zu einem alles verschlingenden Moloch ausweitet – bis alles zusammenbricht, weil es keine Ressourcen mehr zum Wachsen gibt und sich aller Besitz in den Händen der Vertreter des Schwarzen Loches befindet.
Kapitalismus bedeutet das Streben nach Gewinn, das Ansammeln von Besitz und auch die Ausübung von Macht, die durch den Besitz möglich ist. Er ist eine Philosophie und Lebensweise, in der Geld und Besitz zentrale Faktoren und eigenständige Werte sind, weshalb sich dann auch große oder fast alle Bereiche des Lebens und Seins um deren Schaffung und Akkumulation drehen.
Der Kapitalismus ist wie eine Religion mit eigenem Wertekanon und Ge- und Verboten. Diese könnten etwa so lauten: „Der Mammon sei dein Gott. Du sollst ihm dienen und ihn lieben aus ganzem Herzen. Er sei die Richtschnur deines Fühlens, Denkens und Handelns und die Grundlage deiner Ethik, deiner Gesetze und deiner Gesellschaft. Dein Streben soll es sein, Geld und Besitz anzuhäufen und ihm darzubringen, auf dass er huldvoll auf dich hinabsehen möge. Dafür ist jedes Mittel (Raub, Lüge, Erpressung, Mord, Verführung...) erlaubt und erwünscht, denn es gibt keinen höheren Wert und kein größeres Ziel.“ Entsprechend dieser Religion und dieses Kanons leben die meisten reichen Menschen und Firmen, und selbst viele der Ärmsten huldigen diesem Gott.
Für die Wirtschaft (als Mittel der Güterverwaltung und -verteilung) und das Leben der Menschen bedeutet das, dass nicht die Bedürfnisse der Menschen, der Gesellschaft und der ganzen Welt im Vordergrund stehen, sondern einzig und allein die Gewinnmaximierung; es geht nicht um Gemeinschaft und Zusammenstehen und -wachsen, sondern um eiskalten und extremen Egoismus. Dafür ist jedes Mittel recht: Diese sind im Wesentlichen Ausbeutung, Täuschung und Manipulation.
Ausbeutung bedeutet zum einen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Hier geht es nicht darum, die vorhandenen Rohstoffe, wie etwa Erdöl, Antimon, Indium, Seltene Erden und andere optimal zu nutzen, damit sie uns möglichst lange zur Verfügung stehen, sondern einen möglichst großen Gewinn zu erzielen. Und auch regenerierbare oder stetige Ressourcen werden zugrunde gerichtet, weil etwa der Einsatz von Kunstdüngern und Maschinen günstiger ist als der Einsatz von Menschen, was nicht nur zur Folge hat, dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten, um immer mehr zu produzieren und dass die Preise für landwirtschaftliche Produkte im Vergleich zu früheren Zeiten stark gefallen sind, sondern dass der Boden immer stärker erodiert, seinen Humusgehalt und seine Wasserhaltefähigkeit verringert (was übrigens ein wesentlicher Faktor in der schlechten globalen CO2-Bilanz ist) und damit zunehmend unfruchtbarer wird.
Ausbeutung bedeutet zum anderen aber auch, dass die Produktion von vielen Gütern dahin verlagert wird, wo man am wenigsten dafür zahlen muss und wo man die Löhne am besten drücken kann, sei es, weil die wirtschaftliche Lage des jeweiligen Landes so schlecht ist, weil die Gesetzeslage dort ein solches Vorgehen zulässt oder weil die Behörden großzügig wegsehen. Häufig werden dabei Notlagen derart schamlos ausgenutzt, dass man schon von moderner Sklaverei spricht.
Und Ausbeutung bedeutet auch, auf der einen Seite die Rohstoffpreise zu drücken und auf der anderen Seite überhöhte Preise für Güter und Dienstleistungen zu verlangen und/oder schlechte Güter zu liefern, deren Lebenszeit womöglich noch durch absichtliche Sollbruchstellen niedrig gehalten wird, womit wir gleichzeitig auch schon beim Punkt der Täuschung und der Manipulation als Arbeitsmodus des Kapitalismus angekommen wären.
Der Kapitalismus ist angetreten mit dem Anspruch, die Aufgabe der Wirtschaft, also die gerechte Güterverteilung, zu optimieren, und zwar über Angebot und Nachfrage und über den Wettbewerb. In der Theorie sieht das ja ganz nett aus: Jemand bietet eine Sache an, und wenn Bedarf an ihr besteht, verkauft sie sich gut, und die Produktion kann erhöht werden, um die Ansprüche des Marktes zu befriedigen. Wenn man aber nicht schnell genug produzieren kann, steht das vorhandene Angebot einer erhöhten Nachfrage gegenüber, und man kann dann mehr für das Produkt verlangen, was die Nachfrage wieder sinken lässt. Auf der anderen Seite bedeutet eine erhöhte Produktion auch, dass man eventuell günstiger produzieren und man Arbeitsvorgänge standardisieren kann. So kann man Produkte billiger und gleichzeitig in größerem Umfang anbieten. Damit steigt aber auch die Nachfrage, weil sich jetzt mehr Menschen dieses Produkt leisten können. Und der Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern sollte dafür sorgen, dass die Preise auch tatsächlich sinken und sich an der Realität orientieren. Diesen Mechanismus konnte man sehr gut bei der Einführung von Fernsehgeräten und Computern beobachten. Man nennt das die Selbstregulierung des Marktes. Diese soll dazu führen, dass Dinge, die benötigt werden, auch produziert werden und ohne staatliche Steuerung und Bürokratie ihren Weg zu den Verbrauchern finden, sodass letztlich jedem Menschen die Dinge, die er benötigt, in ausreichendem Maße und zu realen Preisen zur Verfügung stehen und Anbieter und Abnehmer glücklich sind.
Soweit die Theorie. Die Praxis freilich sieht nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung so aus, denn das System hat etliche eingebaute Mängel, deren wichtigste die Gier, das Prinzip des Gegeneinanders und das Fehlen einer ethischen Grundlage und eines globalen Gemeinwohl-Konzeptes sind. Das führt dann dazu, dass die wichtigste Bestrebung des Kapitalismus nicht darin besteht, allen Menschen ein würdiges und zumindest befriedigendes materielles Leben zu ermöglichen, wie es das Ideal des Kapitalismus euphemistisch vorgibt, sondern Gewinn zu machen und ohne jegliche Begrenzung Geld und Besitz und damit auch Macht anzusammeln. Es ist also keine Wirtschaftsform für die Menschen, sondern gegen sie. Das ist das zentrale Thema des Kapitalismus – alles andere ist Augenwischerei.
Als Folge davon hat sich statt einer Nachhaltigkeitswirtschaft eine Konsummentalität etabliert. Statt also die vorhandenen Rohstoffe sinnvoll einzusetzen und ihren Verbrauch zu minimieren, wird die Rohstoffgewinnung forciert, und dafür werden statt realen Löhnen dann Hungerlöhne gezahlt. Zudem orientieren sich die Produktionstechniken an einem sehr engen und unmittelbaren Wirtschaftlichkeitsgedanken und nicht an der Nachhaltigkeit und der Gesundheit von Mensch und Natur. Deshalb gibt es mehr Umweltkatastrophen als dem Durchschnittsmenschen bewusst sind (Quecksilberkontamination bei der Goldgewinnung, Erdölteppiche, Grundwasservergiftung beim Fracking, Bodenerosion durch rücksichtslose Landwirtschaft, Bienensterben, Rückgang der Artenvielfalt…). Zusätzlich werden die Arbeiter schlecht bezahlt, teilweise wie Sklaven gehalten, durch Chemieeinsatz jedweder Art vergiftet – und auch Kinderarbeit ist kein Tabu. Darüber hinaus sind viele Produkte von Anfang an so konzipiert, dass sie keine lange Lebensdauer haben, zumindest keine, die deutlich über die Garantiezeit hinausgeht, sei es durch minderwertige Materialien, Verarbeitung, Ausstattung oder durch gezielt eingebaute Sollbruchstellen. Und um all dies durchführen zu können, wird bestochen, gelogen und getäuscht. Das ist die Produktionsseite.
Und die Konsumseite sieht auch nicht besser aus. Auch hier wird nach Kräften manipuliert, gelogen und getäuscht. Es werden künstlich Wünsche und Verlangen geweckt, die vorher nicht in dieser Form und Intensität existierten, und es wird mit Emotionen wie СКАЧАТЬ