Название: Wirtschaft – Eine Zukunft für die Zukunft
Автор: Anand Buchwald
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783867101615
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Damit unsere Zukunft eine Zukunft bekommt, ist ein umfassendes Bewusstseinswachstum in diesen Bereichen notwendig. Wie dieses im Bereich Sexualität und Beziehung und im Bereich Macht und Politik aussehen kann, lässt sich in den in dieser Reihe bereits erschienenen Büchern über Polyamorie, Sexualität und Politik nachlesen. Der dritte Bereich, der zurzeit immer heftiger und schneller in Schieflage gerät, ist der wichtige Bereich der Wirtschaft, der so stark von Egoismus, Unvernunft und Gier dominiert wird, dass die mathematischen Grundlagen, auf denen die gegenwärtige Doktrin der Wachstumswirtschaft basiert und die diese relativieren und ihr einen temporär begrenzten Charakter zuweisen sowie die eigentlichen Aufgaben der Wirtschaft völlig außer Acht gelassen werden. Die Wirtschaft hat keinen eigentlichen Anteil mehr am Leben und an der Gesellschaft, sondern ist zu einem alles verschlingenden Moloch mutiert, der nur noch für sich selbst lebt. Darum ist es unumgänglich, dass die Wirtschaft zu ihrer eigentlichen Bestimmung findet oder zurückfindet und langfristig auf völlig neue Beine gestellt wird, welche die realen Möglichkeiten, die Bedürfnisse der sich entfaltenden Gesellschaft und die Anforderungen der Zukunft reflektieren. Ein Ausflug in die Vergangenheit ist hierfür sicherlich ein guter Einstiegspunkt.
Wie es in den Anfängen unserer Geschichte zuging, ist natürlich nicht aus erster Hand bekannt, aber man kann durch Logik, archäologische Forschungen und die Beobachtung gegenwärtiger „primitiver“ Stammeskulturen durchaus einigermaßen verlässliche Rückschlüsse ziehen. So zogen die Menschen anfangs sicherlich in kleinen Gruppen umher, deren Mitglieder als Gemeinschaft um das Überleben kämpften. Ganz am Anfang wird es kaum Spezialisierungen gegeben haben, aber wahrscheinlich eine nach Männern und Frauen getrennte Aufgabenteilung. Die Frauen kümmerten sich hierbei notwendigerweise um die kleinen Kinder, und da sie deretwegen in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt waren und auch wegen den lauten Kindern nicht mit auf die Jagd gehen konnten, die darum zur männlichen Domäne wurde, fiel ihnen der Bereich Lager und Kinder zu. Alle anderen Tätigkeiten waren zuerst einmal geschlechtsunabhängig und konnten von jedem ausgeführt werden: kochen, gerben, nähen, sammeln, Herstellung von Werkzeug, Anleitung der etwas größeren Kinder. In diesem Entwicklungsstadium wurde innerhalb kleiner Gruppen noch alles geteilt, und jeder trug zum Wohlergehen der Gemeinschaft bei. Da die Gruppen recht klein und übersichtlich waren, gab es keine offensichtlichen Drückeberger – dafür sorgte schon der Druck der Gemeinschaft. Es gab wahrscheinlich auch, außer bei den Anfängen von Kleidung und Schmuck, kaum Privateigentum. Die Wirtschaftsmittel wie Geschirr, Körbe und Werkzeuge wurden vermutlich nach Bedarf von allen benutzt. Und jeder war auch in der Lage, alle allgemeinen oder geschlechtsspezifischen Aufgaben zu erfüllen.
Das änderte sich, als die Gruppen größer wurden, oder sich mehrere Kleingruppen zusammenschlossen. Jetzt kristallisierte sich langsam heraus, dass manche Menschen für die eine oder andere Sache talentierter waren als andere, und so fielen ihnen manche Tätigkeiten vermehrt zu, während sie von anderen zunehmend befreit wurden. Die dafür notwendige Ausstattung und die Werkzeuge befanden sich darum immer mehr in ihrer Obhut, und so bildete sich schleichend Privatbesitz heraus, und es entstanden langsam die Anfänge der ersten Berufe.
Als die Gruppen noch weiter wuchsen und unübersichtlich wurden, vor allem wenn die Dunbar-Zahl überschritten wurde, die damals wahrscheinlich deutlich kleiner war als heute, setzte eine Anonymisierung ein, und in ihrem Gefolge kam es zu einer Schwächung des Zusammengehörigkeitsgefühls und des Gruppendrucks. Der Egoismus gewann an Kraft und mit ihm das Gegeneinander. Um das eigene Überleben und eine rudimentäre Unabhängigkeit zu sichern, gewannen Privatbesitz und Vorratswirtschaft an Bedeutung. Hing in den Kleingruppen das persönliche Ansehen noch von der eigenen Leistung, den Fähigkeiten und der Einsatzbereitschaft ab, so kam nun der Besitz als Quelle von Ansehen hinzu. Gleichzeitig wurden die Menschen sesshaft, und Ackerbau und Viehzucht wurden Teil der menschlichen Lebenswirklichkeit. Sobald diese nicht mehr in Gemeinschaft betrieben wurden, waren Ackerflächen und Viehherden nach den Jagdtrophäen die nächsten Prestigeobjekte und die ersten Reichtümer.
Gleichzeitig ist aber die Spezialisierung soweit fortgeschritten, dass sich nicht mehr jeder mit allem selbst versorgen konnte, und das Gruppenbewusstsein hatte an Kraft verloren. So entwickelte sich der Tauschhandel.
Dieser funktionierte einige Zeit ganz gut, aber je komplexer die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse wurden und je spezialisierter die Waren, desto schwieriger wurde das Tauschgeschäft, nicht nur was den Vergleichswert der Waren betrifft, sondern auch weil nicht jeder jede angebotene Tauschware brauchen konnte. Also entstand ein neutraler Mittler zwischen den tauschenden Parteien und den zu tauschenden Waren. Es war das Geld, das anfangs noch recht regionale und naturalistische Formen hatte, wie Salz, Samenkörner, Knochen oder Muscheln, sich aber dann bald und zunehmend global als Metallmünzen manifestierte.
Mit dem Geld hatte man ein Mittel in der Hand, um zwischen Anbietern zu vermitteln, die sonst vielleicht nie zusammengekommen wären. Jetzt konnte jedermann Ware gegen Münzen tauschen und die Münzen woanders wieder gegen Ware. Der Zweck des Geldes bestand also einfach darin, als Mittler, Wert- und Rechnungseinheit zu fungieren. Es war ein Werkzeug, welches das Leben erleichterte. Man hatte jetzt halbwegs übersichtliche Preise und konnte leichter kalkulieren. Und man konnte jetzt auch sparen, um sich irgendwann Dinge zu leisten, die etwas teurer waren. Weil das Geld schnell eine immer größere Bedeutung für den Warenverkehr, die Wirtschaft und die Gesellschaft erlangte, löste es Herden und Ländereien als primäres Statussymbol ab.
Allerdings brachte es auch Nachteile mit sich. Durch die – auch langfristige – Vergleichbarkeit von Preisen setzte jetzt zum einen ein Wettbewerb ein, der dazu führte, dass Preise gedrückt werden konnten und sich unter Umständen auf niedrigem oder auch ungerechtfertigt hohem Niveau einpendelten und dass das Gegeneinander zunahm. Diese Entwicklung wurde im Mittelalter durch die Einführung der Gilden etwas gebremst, denn diese legten einen einheitlichen Preis für bestimmte Waren und Dienstleistungen fest.
Der andere Nachteil des Geldes lag darin, dass es sich, im Gegensatz zu Vieh beispielsweise, mengenmäßig und zeitlich unbegrenzt sammeln und lagern ließ. Wer Geschick oder genügend Skrupellosigkeit hatte, konnte so ein beträchtliches Vermögen und entsprechenden Einfluss aufbauen. Am Anfang unserer Entwicklung gab es kein Arm und Reich, sondern Menschen, die sich in kleinen Gruppen gegenseitig unterstützt und einander beim Überleben geholfen haben. Spätestens mit der Einführung des Geldes bildete sich eine Trennung der Menschen in Arm und Reich heraus, bei der jene Menschen am besten abschnitten, die über günstigere Ausgangslagen verfügten, etwa natürliche Ressourcen, die besser handeln konnten, die egoistischer waren, die besser wirtschaften konnten oder die einfach von ihren Vorfahren, also von ihrem Erbe her, besser gestellt waren.