Freundschaft auf den ersten Blick. Erich Kastner
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Название: Freundschaft auf den ersten Blick

Автор: Erich Kastner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783037921722

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СКАЧАТЬ es abscheulich, dass ein Dieb überhaupt vergnügt sein kann und dass der Bestohlene betrübt sein muss, und wusste sich keinen Rat.

      Was hatte es denn im Grunde für einen Sinn, dass er sich hinter einem Zeitungskiosk verbarg, als wäre er selber der Dieb und nicht der andere? Was hatte es für einen Zweck, dass er wusste, der Mann säße im Café Josty an der Kaiserallee, tränke helles Bier und rauchte Zigaretten? Wenn der Kerl jetzt aufstand, konnte die Rennerei weitergehen. Blieb er aber, dann konnte Emil hinter dem Kiosk stehen, bis er einen langen grauen Bart kriegte. Es fehlte wirklich nur noch, dass ein Schupomann angerückt kam und sagte: Mein Sohn, du machst dich verdächtig. Los, folge mir mal unauffällig. Sonst muss ich dir leider Handschellen anlegen.

      Plötzlich hupte es dicht hinter Emil! Er sprang erschrocken zur Seite, fuhr herum und sah einen Jungen stehen, der ihn auslachte.

      »Na Mensch, fall nur nicht gleich vom Stühlchen«, sagte der Junge.

      »Wer hat denn eben hinter mir gehupt?«, fragte Emil.

      »Na Mensch, ich natürlich. Du bist wohl nicht aus Wilmersdorf, wie? Sonst wüsstest du längst, dass ich ’ne Hupe in der Hosentasche habe. Ich bin hier nämlich bekannt wie ’ne Missgeburt.«

      »Ich bin aus Neustadt. Und komme gerade vom Bahnhof.«

      »So, aus Neustadt? Deswegen hast du so ’nen doofen Anzug an.«

      »Nimm das zurück! Sonst kleb ich dir eine, dass du scheintot hinfällst.«

      »Na Mensch«, sagte der andere gutmütig, »bist du böse? Das Wetter ist mir zum Boxen zu vornehm. Aber von mir aus, bitte!«

      »Verschieben wir’s auf später«, erklärte Emil, »ich hab jetzt keine Zeit für so was.« Und er blickte nach dem Café hinüber, ob Grundeis noch dort säße.

      »Ich dachte sogar, du hättest viel Zeit! Stellt sich mit Koffer und Blumenkohl hinter die Zeitungsbude und spielt mit sich selber Verstecken! Da muss man doch glatt zehn bis zwanzig Meter Zeit übrig haben.«

      »Nein«, sagte Emil, »ich beobachte einen Dieb.«

      »Was? Ich verstehe fortwährend: Dieb«, meinte der andre Junge, »wen hat er denn beklaut?«

      »Mich!«, sagte Emil und war direkt stolz darauf. »In der Eisenbahn. Während ich schlief. Hundertvierzig Mark. Die sollte ich meiner Großmutter hier in Berlin geben. Dann ist er in ein andres Coupé geturnt und am Bahnhof Zoo ausgestiegen. Ich natürlich hinterher, kannst du dir denken. Dann auf die Straßenbahn. Und jetzt sitzt er drüben im Café, mit seinem steifen Hut, und ist guter Laune.«

      »Na Mensch, das ist ja großartig!«, rief der Junge. »Das ist ja wie im Kino! Was willst du nun anstellen?«

      »Keine Ahnung. Immer hinterher. Weiter weiß ich vorderhand nichts.«

      »Sag’s doch dem Schupo dort. Der nimmt ihn hopp.«

      »Ich mag nicht. Ich habe bei uns in Neustadt was ausgefressen. Da sind sie nun vielleicht scharf auf mich. Und wenn ich …«

      »Verstehe, Mensch!«

      »Und am Bahnhof Friedrichstraße wartet meine Großmutter.«

      Der Junge mit der Hupe dachte ein Weilchen nach. Dann sagte er: »Also, ich finde die Sache mit dem Dieb knorke. Ganz große Klasse, Ehrenwort! Und, Mensch, wenn du nischt dagegen hast, helfe ich dir.«

      »Da wär ich dir kolossal dankbar!«

      »Quatsch nicht, Krause! Das ist doch klar, dass ich hier mitmache. Ich heiße Gustav.«

      »Und ich Emil.«

      Sie gaben sich die Hand und gefielen einander ausgezeichnet.

      »Nun aber los«, sagte Gustav, »wenn wir hier nichts weiter machen als rumstehen, geht uns der Schuft durch die Lappen. Hast du noch etwas Geld?«

      »Keinen Sechser.«

      Gustav hupte leise, um sein Denken anzuregen. Es half nichts.

      »Wie wäre denn das«, fragte Emil, »wenn du noch ein paar Freunde herholtest?«

      »Mensch, die Idee ist hervorragend!«, rief Gustav begeistert. »Das mach ich! Ich brauch bloß mal durch die Höfe zu sausen und zu hupen, gleich ist der Laden voll.«

      »Tu das mal!«, riet Emil. »Aber komme bald wieder. Sonst läuft der Kerl da drüben weg. Und da muss ich selbstverständlich hinterher. Und wenn du wiederkommst, bin ich über alle Berge.«

      »Klar, Mensch! Ich mache schnell! Verlass dich drauf. Übrigens isst der Mausehaken im Café Josty drüben Eier im Glas und solche Sachen. Der bleibt noch ’ne Weile. Also, Wiedersehen, Emil! Mensch, ich freu mich noch halb dämlich. Das wird eine tolle Kiste!« Und damit fegte er fort.

      Emil fühlte sich wunderbar erleichtert. Denn Pech bleibt nun zwar auf alle Fälle Pech. Aber ein paar Kameraden zu haben, die freiwillig mit von der Partie sind, das ist kein kleiner Trost.

      Er behielt den Dieb scharf im Auge, der sich’s – wahrscheinlich noch dazu von Mutters Erspartem – gut schmecken ließ, und hatte nur eine Angst: dass der Lump dort aufstehen und fortlaufen könne. Dann waren Gustav und die Hupe und alles umsonst.

      Aber Herr Grundeis tat ihm den Gefallen und blieb. Wenn er freilich von der Verschwörung etwas geahnt hätte, die sich über ihm wie ein Sack zusammenzog, dann hätte er sich mindestens ein Flugzeug bestellt. Denn nun wurde die Sache langsam brenzlich …

      Zehn Minuten später hörte Emil die Hupe wieder. Er drehte sich um und sah, wie mindestens zwei Dutzend Jungen, Gustav allen voran, die Trautenaustraße heraufmarschiert kamen.

      »Das Ganze halt! Na, was sagst du nun?«, fragte Gustav und strahlte übers ganze Gesicht.

      »Ich bin gerührt«, sagte Emil und stieß Gustav vor Wonne in die Seite.

      »Also, meine Herrschaften! Das hier ist Emil aus Neustadt. Das andre hab ich euch schon erzählt. Dort drüben sitzt der Schweinehund, der ihm das Geld geklaut hat. Der rechts an der Kante, mit der schwarzen Melone auf dem Dach. Wenn wir den Bruder entwischen lassen, nennen wir uns alle von morgen ab nur noch Moritz. Verstanden?«

      »Aber Gustav, den kriegen wir doch!«, sagte ein Junge mit einer Hornbrille.

      »Das ist der Professor«, erläuterte Gustav. Und Emil gab ihm die Hand.

      Dann wurde ihm, der Reihe nach, die ganze Bande vorgestellt.

      »So«, sagte der Professor, »nun wollen wir mal auf den Akzelerator treten. Los! Erstens, Geld her!«

      Jeder gab, was er besaß. Die Münzen fielen in Emils Mütze. Sogar ein Markstück war dabei. Es stammte von einem sehr kleinen Jungen, der Dienstag hieß. Er sprang vor Freude von einem Bein aufs andre und durfte das Geld zählen.

      »Unser Kapital beträgt«, berichtete er den gespannten Zuhörern, »fünf Mark und siebzig Pfennige. Das Beste wird sein, wir verteilen das Geld an drei Leute. Für den Fall, dass wir uns mal trennen müssen.«

      »Sehr gut«, sagte der Professor. Er und Emil kriegten je zwei Mark. Gustav СКАЧАТЬ