Die Romantik. Ricarda Huch
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Название: Die Romantik

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388836

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СКАЧАТЬ Vorzüge; aber es wäre möglich, daß die Stärke ihrer Natur, die er an ihr liebte, ihn zugleich beängstigt hätte; denn er griff nicht zu, um sie festzuhalten, die ihm mit dem ganzen Stolze und der ganzen Freudigkeit ihrer Liebe entgegenkam.

      Ob er sich ihr nicht gewachsen fühlte und deshalb den Muth nicht hatte, sie besitzen zu wollen, oder ob er überhaupt unfähig war, zu lieben, und nur als ein schwächlicher Egoist eine Weile mit halbwahren Gefühlen spielte, bange von sich selbst, seiner Würde und Bequemlichkeit ein Stückchen zu verlieren – kurz, er ließ sich ihre unermüdliche Liebeswilligkeit und Güte gefallen, reizte sie wohl auch gar und blieb dabei doch in einer spröden Zurückhaltung Mit ihrem vollen Herzen fühlte sie sich fähig, glücklich zu machen, und wollte den, den sie sich erkoren hatte, zu seinem Glücke zwingen. Heirathsanträge, die ihr gemacht wurden, schlug sie um seinetwillen ans.

      Damals machte sie die Bekanntschaft des jungen Wilhelm Schlegel, der im Umgange mit Bürger, dem einsamen, vergessenen Greise, seine ersten dichterischen Studien machte, und es läßt sich denken, daß der regsame, vorurtheilsfreie Jüngling eine erquickende Erscheinung für sie war inmitten der dumpfen Herkömmlichkeit oder vorsichtigen Steifheit der Göttinger Honoratioren. Daneben freilich fühlte sie sich ihm gründlich überlegen, und das nicht nur, weil er sechs Jahre jünger als sie war. Für die moderne Richtung in der Literatur mit ihrem, wie man jetzt sagen würde, nervösen, sensitiven Leben hatte sie ohnedies keinen Sinn; der altmodische Gotter, der Mann ihrer Freundin Luise, war für sie, was man nur von einem ordentlichen Dichter verlangen kann. Mit allem Uebermuth ihrer starken, zuversichtlich das Höchste begehrenden Persönlichkeit wies sie den jungen Schöngeist ab, ja, nicht ohne jene Grausamkeit, die nur Verliebte haben, wenn sie völlig in den geliebten Gegenstand versunken sind.

      Matt darf sich nun aber nicht vorstellen, sie hätte jemals über einen geliebten Mann wirklich sich und die ganze Welt vergessen. Das brauchte man kaum hervorzuheben und noch weniger zu rühmen. Es möchten leicht mehr Frauen zu finden sein, denen die Liebe Alles war; sie unterscheidet das grade von den meisten, daß sie über ihre Liebe, so groß und hingebend sie auch war, doch die Welt niemals vergaß. Ihr aufmerksamer Geist blieb ihrer blinden, elementarischen Leidenschaft ebenbürtig. Nie verlor sie die denkende Theilnahme an den Menschen und ihrem Thun. Wie klar war aber auch der Spiegel ihres geistigen Auges, mit dem sie die Bilder ihrer Zeitgenossen auffing. Sie konnte auch Vater, Mutter und Geschwister wie Fremde sehen und schildern, nur daß ihr Liebe oder Pietät immer zur Seite standen und wenn nicht ihr Urtheil, so doch den Ausdruck ihres Urtheils beeinflußten. In ihren Freundschaften mit Frauen war nichts Schwärmerisches und Verstiegenes, vielmehr lag eine gewisse Unerbittlichkeit in der Art, wie sie die Freundin ganz nahm, wie sie war, ohne je zu idealisiren; aber wenn sie auch nicht durch Schmeichelei verwöhnte, so beglückte sie umsomehr durch Verständniß, richtige Schätzung und unwandelbare Anhänglichkeit. Jene echte, geniale Kunst des Idealisirens verstand sie aber doch, daß sie nämlich die Menschen als Ganzes sehen konnte, ihr Wesen der zerstückelnden Zeit entreißend und schöpferisch zusammenfassend. Daher haben ihre Schilderungen von Personen, die wenigen Fälle ausgenommen, wo persönliche Leidenschaft ihren Blick erhitzte, die Milde parteiloser Wahrheit, der man unbedingt Glauben schenkt.

      Wie deutlich tritt die Gestalt Therese Forster's aus den kurzen Bemerkungen hervor, die sie in Briefen über sie gemacht hat: der glückzerstörende Geist, der in ihrer ganzen Familie wohnt, ihre Unglückssucht, die sich diejenigen, die sie liebt, durchaus unglücklich vorstellen muß, wie sie überall Bitteres findet, wie unerquicklich sie für die Menschen im Allgemeinen ist, wie unendlich viel sie Wenigen sein kann, ihr Zug zur Größe, ihre Energie und Kühnheit. Wie fein und gut ist es, daß sie in Allem, was an Theresen abstößt, die »convulsivischen Bewegungen einer großen Seele« erkennt. Wie Karoline war Therese die Tochter eines Göttinger Professors, des angesehenen Philologen Heyne, und wurde, nachdem ihre Beziehungen zu dem jungen Wilhelm von Humboldt gelöst waren, die Frau des Naturforschers Georg Forster. Für keine Frau hatte Karoline jemals ein stärkeres Interesse. Grade daß diese ringende und unklare Seele von ihrer Harmonie und Güte, die, nach ihrem eigenen Ausdruck, mit solcher Sicherheit am Busen der Natur ruhte und ihr in's Auge sah, so verschieden war, machte sie ihr merkwürdig und anziehend. In ihre thatenlose Einsamkeit kam eine Einladung dieser Freundin, zu ihr nach Mainz überzusiedeln, das sich eben der neuen französischen Republik angeschlossen.hatte. Da war das Element, in dem sie athmen konnte: Leben und Handlung!

      Wie eine Erlösung, wie ein Ruf des Schicksals mußte ihr diese Aufforderung erscheinen, ihr, die sich fähig fühlte, »Wunder zu thun und ein widerstrebendes Schicksal durch ein glühendes, überfülltes, in Schmerz und in Freuden schwelgendes Herz zu bezwingen«, und die keine andre Aufgabe vor sich sah, als die Erziehung eines kleinen gutartigen Mädchens, überflüssige gesellige Pflichten und Aufheiterung einer mißvergnügten Familie. Allen Warnungen auch der geliebtesten Menschen zum Trotz zog sie mit ihrem Kinde in die aufgeregte Stadt, in das krampfhafte Treiben eines großen Volkes hinein, wo die wohlmeinenden Freunde ein so leidenschaftliches, liebebedürftiges Geschöpf allerdings für gefährdet halten konnten. Sie indessen pflegte sich auf den Zug ihres Herzens zu verlassen. Mit vollem Bewußtsein that sie es, es war ihr Stolz und ihre Sicherheit. Sie wußte, daß sie sich irren konnte, nie aber sich selbst verlieren. Sie besaß den glücklichen Instinkt der Nachtwandler, die nicht stürzen, wenn man sie nur ruhig gehen läßt Auch die Fehltritte, die sie that, und die Irrwege, die sie wählte, mußten ihr dienen. Um nichts hätte man sie mehr beneiden dürfen, als um dies Talent zur Bildung des Lebens, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen kann, das in jedem Schicksal Zuversicht verleiht, weil man im Grunde um den letzten Ausgang nicht besorgt ist. »Vielleicht bin ich wirklich schwer zu einer Entscheidung zu bringen«, sagte sie einmal, »allein ich habe sie noch stets gefaßt, ehe es zu spät war, und mich unverrückt an ihr gehalten. Ich sage nicht heute, ich will dies thun und morgen, ich will ein Andres, und jedesmal so zuversichtlich, als wenn es ewig gelten würde – nein, es malt sich wohl sehr deutlich in meinen Aeußerungen, daß ich nicht weiß, was ich thun soll – bis der Moment kommt.« Scharf prägt sich in diesen Worten eine Natur von denen aus, die stets mehr halten, als sie versprechen, die zu klar bewußt sind, um sich selbst belügen zu können, und deren reiner, starker, nicht zu mißdeutender Instinkt sie schließlich, wenn es nöthig ist, zu handeln, das für sie Angemessene thun läßt.

      Es mochte nicht leicht für Karoline sein, zwischen Forster und Therese zu leben, die in entgegengesetzter Weise ihr Interesse in Anspruch nahmen; ihr Verstand erkannte Therese's große Anlagen an, aber ihr Gemüth wurde immer weniger durch sie befriedigt; dagegen mißbilligte ihr Kopf Forster, »den schwächsten aller Menschen«, während ihre weiblich mütterliche Zärtlichkeit ihm vielleicht grade wegen seiner Unkraft nicht anders als liebevoll begegnen konnte, dessen Intelligenz, Bescheidenheit und großmüthige Gesinnung außerdem ihr Herz bewunderte. Das Verhältniß wurde dadurch noch verwickelter, daß gerade um diese Zeit die Ehe sich vollends auflöste, indem Therese, die jetzt behauptete, ihren Mann eigentlich niemals geliebt zu haben, sich gänzlich Huber zuwandte, dem ehemaligen Freunde Schiller's und Bräutigam der Schwägerin Körner's, Johanna Stock. Forster hörte bis zum Tode nicht auf, seine Frau zu lieben oder wie Karoline nicht ohne Geringschätzung es beschrieb, »man würde seine Liebe tödten können, aber seine Anhänglichkeit nicht«. Er habe nicht die Kraft, sich loszureißen, erzählte sie, lebe von Attentionen und schmachte nach Liebe. Nachdem Therese ihr Haus verlassen hatte, wurde Karoline die Trösterin des Unglücklichen. Kurze Zeit hernach traten furchtbare Ereignisse ein; Mainz wurde von den Deutschen belagert und erobert, Forster entfloh nach Paris und Karoline fiel den Siegern in die Hände.

      Die Gefangenen wurden als Geiseln auf eine Festung gebracht und mit ausgesuchter Rohheit und Nichtachtung ihrer rechtmäßigen Forderungen behandelt. Karoline's zarte Gesundheit und die Angst um ihr Kind, das sie bei sich hatte, machten ihr alle Leiden und Entbehrungen doppelt empfindlich. Was war aber das gegen die Martern, die ihrem zarten und stolzen Herzen zugefügt wurden! Niemand hatte ihr Verweilen in Mainz, ihren Enthusiasmus für die französische Freiheit und ihre Theilnahme für Forster, den Vertreter derselben, gebilligt, man hatte ihr im Geiste die rothe Mütze der Jakobiner aufgesetzt – und welcher Schlechtigkeit hielt man Jakobiner nicht für fähig? Ueber die Unglückliche und Wehrlose СКАЧАТЬ