Название: Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3)
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 4064066388812
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Das Jahr 1618 begann mit einem Triumphe für Khlesl, indem der vollzogene Friede mit Venedig, der sein Werk war, feierlich in Wien begangen werden konnte. Der Kardinal liebte Feste und Umzüge und bekümmerte sich eingehend darum, daß ein in die Augen fallender Prunk dabei entfaltet wurde. In langem Zuge wallten die Hofbeamten, die Kloster- und Weltgeistlichen und die in Zünfte verteilten Bürger um den Stephansdom, jede Körperschaft eine mit Symbolen bemalte Fahne in ihrer Mitte tragend: ein in Flammen aufwärtslaufender Salamander, der heilige Martin, der mit dem Schwerte den Mantel zerschneidet, um ihn mit dem Bettler zu teilen, ein mit Lorbeerzweigen umwundenes Schwert und dergleichen. Nach seiner eigenen Anweisung waren auf vier Fahnen die vier Elemente, alle in Purpur, dargestellt: die Luft durch die purpurne Morgenröte, das Wasser durch das von der Flut zurückgespiegelte Abendrot, die Erde durch purpurne Blumen, das Feuer durch die purpurne Flamme. Lustig prangend und frohlockend bewegte sich die flatternde Prozession durch die klare Winterluft, bis ein Bild nach dem andern in der tiefen, duftenden Dämmerung des Domes sich sacht zusammenlegte und erblich.
Erzherzog Maximilian hatte den Friedensabschluß nicht verhindern können; aber nun sehe man, sagte er zu Ferdinand, daß es mit Khlesl zu Ende kommen müsse. Er sei zweifelsohne von Venedig bestochen worden, des Kaisers Verstandesblödigkeit nehme täglich zu, Khlesl sei der wahre Kaiser und Matthias sein Hampelmann. Bei seiner Kopfschwäche könne Matthias für sich nicht sorgen, sie müßten ihn befreien und ihm und sich selber Recht verschaffen. Auf dem gewöhnlichen Wege wäre der Zweck nicht zu erreichen, sie müßten gleichsam sich selbst für das Tribunal ansehen und den Schuldigen justifizieren, und nach seiner Ansicht geschähe das am schicklichsten, indem sie den gelben Teufel durch ein heimliches Gift, das durch einen vertrauten Arzt wohl zu beschaffen sein werde, auf die Seite schafften. Dieser Vorschlag kam Ferdinand befremdend vor, obwohl er zugleich nicht umhin konnte, die Entschlossenheit seines Oheims zu bewundern. Nachdem er sich mehrere Tage bedacht hatte, antwortete er Maximilian, das Mittel scheine ihm zu scharf, abgesehen davon, daß Khlesls Hochverrat vielleicht nicht ganz zu erweisen sei. Es lasse sich wohl noch ein anderer Weg finden, um zum Ziele zu kommen, er stimme für gelindere Mittel, vorzüglich da es eine geistliche Person, einen Kardinal betreffe, dessen sich schließlich noch der Papst annehmen werde.
Erfuhr Khlesl von diesen geheimen Plänen auch nichts, so empfand er doch die zunehmende Ungunst der beiden Erzherzöge und daß sie sich mit starken Entschlüssen trugen. Sein rüstiger Körper wurde um diese Zeit zum ersten Male von einem Unwohlsein befallen, und die Tage, die er untätig im Bette liegen mußte, brachten ihm schwarze Gedanken, was ihm bevorstünde, wenn etwa der Kaiser mit Tode abginge. Doch raffte er sich seiner Gewohnheit nach gewaltsam auf, fürchtete auch, es möchte in seiner Abwesenheit jemand das Steuer an sich reißen, und fühlte sich unentbehrlich, was er für den Kaiser und die Kaiserin in der Tat war. »Lieber Khlesl,« pflegte ihm die Kaiserin zu sagen, »mein Herr bekommt gleich die Melancholie, wenn Ihr ihn nicht täglich ein wenig zusammenschimpft und aufmuntert.« »Melancholie kommt von Langerweile,« sagte Khlesl zu Matthias, »und die Langeweile kommt Ihnen, weil Sie nichts Rechtes vornehmen, und es gibt doch übergenug zu tun.« Khlesl habe gut reden, da er gesund sei, verteidigte sich Matthias kläglich; ihm aber sei niemals wohl, er könne die Gedanken nicht beisammen halten, das Essen schmecke ihm nicht, gehen könne er auch nicht, es sei nicht anders, als wenn er verzaubert sei. Das wollte Khlesl nicht gelten lassen: gehen müsse er ja nicht, er sei der höchste Herr der Christenheit und könne fahren; wenn er keine Lust zu essen habe, könne er es bleiben lassen, zuwenig sei besser als zuviel, ihm fehle nichts, die Ärzte fänden nichts an ihm. »Nehmen Sie sich der Geschäfte an,« sagte er, »das ermuntert Ihre Diener und ist auch Ihre Pflicht. Vom müßigen Hinsitzen kommt dickes Blut und Verderbnis der Säfte. Ich will gern für Sie arbeiten und den Haß, der daraus kommt, auf mich nehmen; aber ich könnte Ihnen auch durch Krankheit oder Eifersucht der Feinde abhanden kommen. Was soll dann aus Ihnen werden, wenn Sie die Geschäfte nicht verstehen?«
In den Erbländern, namentlich in Böhmen, verfolgte Khlesl nicht dieselbe versöhnliche Politik wie im Reiche, vielmehr wurde wie zu Rudolfs Zeiten in allen streitigen Fällen meistens zugunsten der Katholiken entschieden. Dies wurde von den protestantischen Ständen namentlich dem Einfluß des Ferdinand zugeschrieben, der als ein Schüler und Anhänger der Jesuiten übel berufen war, und einige, namentlich Graf Thurn, machten darauf aufmerksam, daß er keinesfalls als König dürfe zugelassen werden; aber diese fanden, als der Augenblick zu handeln da war, nicht genügenden Anhang. Jetzt gelte es zu zeigen, sagte Thurn, daß Böhmen ein Wahlreich sei, wie sie ja auch Rudolf abgesetzt und Matthias auf den Thron gehoben hätten, gegenüber der Ansicht der Katholischen, als hätten die Habsburger ein Anrecht auf die Krone; dränge Ferdinand jetzt durch, so behielten sie gewissermaßen recht, und man könne ihn hernach nicht mehr loswerden. Die anderen stimmten ihm wohl zu, meinten aber, Ferdinand mache persönlich einen guten Eindruck, gehe vertraulich und liebenswürdig mit dem Adel um, sei nicht hochmütig wie Rudolf und Matthias, man werde schon mit ihm auskommen, weise er sich später anders aus, so sei man doch immer noch Herr im Hause und werde sich des Hausrechts zu gebrauchen wissen.
Es währte nicht lange, so gab es hier und dort Anlaß zur Unzufriedenheit: namentlich der Befehl an Stadt und Universität, sich an der Fronleichnamsprozession zu beteiligen, während das Fest der heiligen Hus und Hieronymus verboten wurde, empörte das ganze Volk; die Herren begannen einander vorzuwerfen, daß sie sich dem neuen Herrscher bequemt hätten, und nahmen sich vor, den begangenen Fehler wieder gutzumachen. In zwei Städten wurde der Bau von protestantischen Kirchen untersagt mit Berufung darauf, daß im Majestätsbrief nur dem Adel und den freien Städten freie Religionsausübung zugestanden wäre, die fraglichen Städte aber nicht frei wären. Die Defensoren, welche eingesetzt waren, um die im Majestätsbrief bewilligten Rechte zu wahren, bestritten das, was sie insofern auch wohl konnten, da die betreffende Stelle im Dokument nicht genau genug gefaßt war, um nicht verschiedene Auffassungen aufkommen zu lassen. Wie nun ein scharfer Brief des Kaisers eintraf, der zum Gehorsam ermahnte und widrigenfalls mit Strafen drohte, ergriffen die Stände die Gelegenheit, auf ihrem Recht zu bestehen. Thurn, der, weil er rechtzeitig gewarnt hatte, mehr als früher gehört wurde, drängte, jetzt müsse das Versäumte nachgeholt und die Regierung endlich so eingerichtet werden, daß die Rechte des Adels nicht mehr verkürzt würden; andere dachten, sie wollten es darauf ankommen lassen, wie der Kaiser und der König sich zu ihren Forderungen stellte, und mit etwaiger Nachgiebigkeit sich zufrieden geben. Den Kaiser glaubte man an der ganzen Sache weniger beteiligt als Ferdinand, die Hauptschuld aber maß man den katholischen Kronbeamten bei, Popel von Lobkowitz, der den Majestätsbrief nicht mit unterschrieben hatte, ferner Martinitz und Slawata, die von jeher Gegner der evangelischen Stände gewesen waren und die über alle Vorfälle an den Hof berichteten, wie es ihnen beliebte.
An einem warmen Maimorgen versammelten sich die Stände bei Wilhelm von Lobkowitz, um sich nach gemeinschaftlich eingenommenem Frühtrunk auf das Schloß zu begeben und die Vertreter der Krone zur Rede zu stellen. Jetzt wollten sie sich vor Kompromissen hüten, sagte Kolonna von Fels unter dem Trinken, einmal müsse gründlich aufgeräumt werden mit den Habsburgern, sonst würden sie nie zur Ruhe kommen. Ja, sagte Kinsky, einmal müsse man Mut zum Handeln finden, ein einmaliger starker Bluterguß sei nicht so gefährlich wie das stete Tröpfeln aus einer offenen Wunde.
Das sei nicht gesagt, meinte Wilhelm von Lobkowitz kopfschüttelnd, bei einem starken Bluterguß fahre oft die Seele zugleich heraus. Unvorbereitet loszuschlagen sei sinnlos, man müsse gerüstet sein, wenn es auf einen Krieg auslaufen sollte.
Das sei gewiß, sagte Thurn, daß der Zeitpunkt bei der Wahl Ferdinands geeigneter gewesen wäre. Es sei doch ein anderes, wenn man sich im Rechte wisse. Jetzt СКАЧАТЬ