Название: Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3)
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 4064066388812
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Von plötzlicher Ungeduld überwältigt, schlug Gustav Adolf mehrmals mit der geballten Faust auf den Tisch und rief, was denn alles dies heißen solle? Er, Skytte, sei es gewesen, der ihm als Knaben, während er ihn an der Hand durch die stillen verschneiten Wälder führte, von den Strömen des Nordens erzählt habe und wie man durch den Donner ihrer Wasserfälle zuweilen die schmelzende Harfe könne singen hören, die der Neck spiele. Er, Skytte, sei es gewesen, der ihm zuerst von seinem Großvater Gustav Wasa und von seinen Oheimen erzählt und seine Brust mit Träumen seines ungeheuren Geschlechts erfüllt habe. Warum er das getan hätte? Warum er seinen Großvater den Hort Schwedens und die Sonne des Nordens genannt hätte? Nun schelte er ihn, weil er Wolfsblut habe und König sei.
Skytte sah den erzürnten Jüngling erstaunt an und bedachte sich eine lange Weile. »Jener war ein Bauernkönig,« sagte er, »darum liebte ich ihn.«
Ob er das etwa nicht sei, sagte Gustav Adolf eifrig. Ob ihm die Bauern nicht zujubelten und anhingen? Aus seinen Bauern wolle er ein unbesiegbares Heer machen und unsterbliche Taten mit ihnen tun. Er verachte die Tugenden der Bauern nicht, ihre Genügsamkeit und Rauheit sei ihm mehr wert als weichliche Bildung. Was er zu tun vorhabe, werde er zum Wohle des schwedischen Volkes tun und zum Heil und Ruhm des reinen Christenglaubens, dessen Bekenner er sei.
Als Skytte ihn verlassen hatte, hing Gustav Adolf noch lange den mächtig durcheinanderflutenden Gedanken nach, die das Gespräch in ihm erregt hatte. Das leicht aus Holz gebaute Schloß, in dem er sich befand, bebte zuweilen von den Stößen des von einem starken Wind an die Küste geschleuderten Meeres, ohne daß es dem Träumenden zum Bewußtsein kam. Er dachte an das, was er dem dänischen König gegenüber bereits durchgesetzt hatte, daß er nämlich wie jener Wappen und Titel der drei skandinavischen Königreiche führen durfte und daß er ihm die große Summe, die er ihm zu zahlen sich verpflichtete, nicht als Schuldigkeit oder Tribut, sondern als freiwilliges Geschenk leistete. Viele Gesandtschaften waren darüber hin und her gegangen und viele Verhandlungen gepflogen, und auf keine der anzüglichen Prahlereien König Christians war er ihm die Antwort schuldig geblieben. Das mochte der Welt wenig scheinen, und es kostete ihn viele Mühe, sich mit so versteckten, einer Niederlage abgerungenen Erfolgen zu begnügen; aber einst würden sie seine Mäßigkeit und Weisheit bewundern und begreifen, um welch heroischer Ziele willen er seine Ansprüche und seinen Mut gezügelt hatte. Die Zeit würde kommen, wo Christian IV., der vermeintliche Riese des Nordens, kleingebeugt vor ihm weichen würde, wo seine Angelegenheiten die des ganzen Erdkreises sein würden. Er fürchtete weder ihn noch die anmaßenden Hansestädte, noch die reichen holländischen Staaten, die Griechen der neuen Zeit, noch England, noch seinen Vetter, den polnischen König Sigismund, der ihm die Krone streitig machte, und am wenigsten den gichtbrüchigen Jesuitenkaiser mitsamt seiner spanischen Verwandtschaft, die jenen offen und heimlich unterstützten; es war eine unaussprechliche Gewißheit in ihm, daß er, wenn er einmal seine ganze Kraft ausströmen ließe, über sie alle hinausginge. Er war nur der arme Schwedenkönig; aber sein war das salzige Meer, das einen Ring um die Erde schloß. Während in grauer Vorzeit die Völker des Festlandes miteinander um die Erde stritten, hatten die Nordmänner das Meer unterjocht, das Urelement, das Länder gebiert und verschlingt. Über das Meer hin rauschten sie auf geflügelten Drachen und gründeten stolze Staaten mitten in der Wonne des Südens. Auch er wollte nun reisen und die Welt sehen. Sowohl Skytte wie Oxenstierna hatten Deutschland bereist und ihm von seinen Wundern viel erzählt; seitdem liebte er es, sich das uralte Reich vorzustellen, schwer von Ruhm und Weisheit, geheimnisvoll starrend und glühend von den Juwelen seiner Städte, die wie köstliche Schreine den heiligen Staub von Jahrhunderten verwahrten. Da waren die handelsmächtigen Hansestädte Bremen, Lübeck, Stralsund, Braunschweig, Magdeburg, mit dem strengen Prunk und der kampfgekrönten Ehre ihrer Rathäuser, mit ihren Domen, die Burgen Gottes glichen, mit der gebieterischen Wucht ihrer Mauern und Türme. Dann öffneten sich die reizenden Gefilde des Südens, durch welche Rhein, Main und Neckar, Donau und viele andere Ströme, traubenumrankt und segentriefend, sich ergossen, widerspiegelnd die himmelhohen Türme des goldenen Mainz, die reichen Märkte Frankfurts, die strotzenden Kaufhäuser Ulms, das bilderprangende Augsburg und das königliche Prag. Es schien ihm unbegreiflich, daß die Kaiser, in deren Hände noch dazu die neuen Reichtümer Spaniens flossen, daß die vielen, von gelehrten Räten umgebenen Fürsten, die Herren aller dieser Macht und Pracht, so ratlos und hilflos nach ausländischem Beistand suchten, unfähig, sich aus der Verwirrung, in die sie sich selbst gebracht hatten, zu lösen oder gewaltsam zu reißen. Waren sie entartet oder verweichlicht, oder war es vielleicht Gottes Ratschluß, der sie verblendete, um eine neue Herrlichkeit zu seiner Ehre über den Trümmern zu errichten? Wollte er sich aus den gestürzten Säulen der alten verrotteten Kaiserherrlichkeit ein Jerusalem bauen, an dessen Altären dem wahren Glauben gedient wurde? Und wies sein allmächtiger Finger auf ihn als den Baumeister, der das himmlische Werk gründen sollte? Er hatte Augenblicke, wo er sich fühlte, als sei er auserwählt, etwas Großes zu vollbringen, und wo er seine Brust von dem Gotteswillen geschwellt glaubte, der in ihm wirkte.
Er nahm seine Laute von der Wand und griff träumend ein paar Akkorde; es ging ihm plötzlich durch den Sinn, daß er alle diese Herrlichkeit, ja die Welt hingeben würde um den Besitz eines Mädchens, das er liebte und auf die er, so sagten Oxenstierna sowohl wie seine Mutter, verzichten müsse, weil sie zwar adligen, aber nicht fürstlichen Standes war. Wenn die Leute erst einmal merkten, sagte Oxenstierna, daß die Gräben zwischen den Ständen sich überspringen ließen, würde keiner mehr Untertan sein wollen. Das Heiraten sei ein Geschäft, und jeder wolle doch ein gutes Geschäft machen, bei dem er sich verbessere. Heirate er eine vom Adel, das würde Einmischungen, Einreden und Übergriffe der Verwandtschaft, Eifersucht der anderen geben; anstatt dessen könne ein fürstlicher Schwiegervater ihm im Notfall Verstärkung geben und sein Ansehen erhöhen. Zu seiner Mutter sagte er, daß die Geliebte klüger und feiner sei als alle Königstöchter der Welt und daß er, indem er sie heirate, sie zur Königin mache; worauf seine Mutter entgegnete: was Herz und Geist eines Menschen tauge, gehe Gott an, die Menschen müßten nun einmal nach Titel und Stand unterscheiden. Wer in der Welt fortkommen wolle, müsse das Weltliche und Göttliche auseinanderhalten, denn das beides vermische sich nicht. Wolle man sich das Gebäude irdischen Wohlergehens errichten, müßte man Stein und Mörtel, Holz und Balken dazu nehmen. Liebe, Großmut, Mitleid und Frömmigkeit, das sei alles gut an seinem Ort, nur dürfe es keine Folgen im Weltlichen haben. Es stehe deshalb auch geschrieben, der Mensch könne nicht Gott dienen und dem Mammon. Ach und die Liebe! Er werde doch ein paar warme Nächte nicht mit seinem Leben bezahlen? Seiner Mutter könne er vertrauen: an die Liebe glaube nur, wer nie ein Geliebtes besessen habe.
Dies alles leuchtete Gustav Adolf nicht ein; denn gab es überhaupt Vorschriften für einen Willen? Machte ein Wille nicht alle Erfahrungen und Gesetze schmelzen wie die Sonne den Schnee? Er, er sollte nicht zugleich in der Welt herrschen und Gott dienen können? Dennoch brachte er die Vorstellung nicht wieder aus dem Sinn, wie die verschwägerte Adelssippe ihn beeinträchtigen und belästigen würde, während verwandte Fürsten, etwa im Reich, sein Ansehen heben und seine Macht verstärken könnten. Gerade eine solche Heirat würde ihn in den Stand setzen, Gott zu dienen, indem er seine Anhänger um sich scharte und, von ihnen unterstützt, seine Widersacher bekämpfte.
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Nach Rudolfs Tode nahmen die Streitigkeiten in der habsburgischen Familie ihren Fortgang und drehten sich jetzt besonders um die Person Khlesls, den Matthias nach seiner Thronbesteigung sogleich zum Direktor des Geheimen Rates ernannt hatte. Dem rüstigen Manne wollte fast der Mut sinken, als er sich in dem Wust umsah, wo er Ordnung schaffen sollte: da war die nun entlassene Dienerschaft des verstorbenen Kaisers, die, seit Jahren nicht bezahlt, aus bitterem Elend heraus um ihr Recht klagte, da waren die vielen Personen, die sich während der vergangenen Kämpfe um Matthias verdient gemacht hatten und ihren Lohn forderten, und statt Geldes waren da die unter Rudolf zu Millionen angeschwollenen Schulden. Dazu lief der Waffenstillstand mit der Türkei ab, und ein neuer, fürchterlicher Krieg konnte entstehen, während im Reiche die Union und die Liga trotzten und nirgendwo auf redlichen Beistand СКАЧАТЬ