Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ gebildeteren, aber kriegsmäßig schwächeren Italienern ein empfindliches Überlegenheitsgefühl.

      Mit welchen Gefühlen der König in Rom weilte, davon ist uns nichts berichtet. Bewunderte er die reichgeschmückten Basiliken von St. Peter und St. Paul, stand er staunend vor den ungeheuren Ruinen des Altertums, in denen und über die sich die Adelsburgen mit ihren Türmen und Zinnen erhoben? Das Gleichgewicht seiner Seele wurde nicht dadurch erschüttert, er wird gedacht haben, wie später Bischof Thietmar von Merseburg, daß sein Sachsen ein blumenreicher Paradiesgarten und daß der Reichtum an Männern und Waffen mehr wert sei als Roms Marmorbilder, daß er stark und glücklich nur daheim sein könne, wo die Eichen seiner Wälder ihn umrauschten und wo die Gräber seiner hohen Ahnen ihn mit einer gesegneten Vergangenheit verbanden. Obwohl er die gelehrten Männer, denen er in Italien begegnete, zu schätzen wußte und an sich zu fesseln suchte, so flößten ihm doch die allgemeinen Verhältnisse keine Achtung ein: sowohl die Bevölkerung von Rom wie die Langobarden, der Papst, die Sarazenen und Griechen, alle unterwarfen sich ihm, sowie er mit Heeresmacht erschien, um von ihm abzufallen, sowie er den Rücken wandte. Alles erlebte er, was sich Jahrhunderte hindurch wiederholen sollte, jubelnden Empfang, verräterischen Überfall, beleidigenden Hohn, Kampf und Sieg und wieder Abfall, und schließlich die Seuche, die die Zucht im Heere auflöste.

      Die Päpste, die vom römischen Adel abhingen und zum römischen Adel gehörten, waren keine zu fürchtenden Gegner, denn sie entschlugen sich der einzigen Macht, die sie dem König hätte ebenbürtig machen können, der sie hauptsächlich ihre einzigartige Stellung verdankten, nämlich die christlich-sittliche Idee, deren Vertreter sie gewesen waren und sein sollten. Johann XII. gab keinen von den Genüssen auf, mit denen die jungen Adligen sich zu unterhalten pflegten, er würfelte, jagte, liebte und handhabte nicht einmal die üblichen christlichen Frömmigkeitsformeln, sondern schwur bei den alten Göttern. Wenn er sich dabei wohl so wenig dachte wie ein Mensch von heute, der »lieber Gott« sagt, so war ihm doch sicherlich der Name des Christengottes ein ebenso leeres Wort. Inmitten dieses zerrissenen Landes, dieser sich kreuzenden Leidenschaften und Ränke, begriff Otto als die Aufgabe des Herrschers, Ordnung zu schaffen. Er brachte den langobardischen König und seine Frau als Gefangene nach Deutschland, ebenso Papst Benedikt V., den sich die Römer eigenmächtig gesetzt hatten. Denn er bestätigte zwar den Päpsten die Schenkungen Pipins und Karls des Großen, bedang sich aber aus, daß keine Papstwahl ohne seine Zustimmung Gültigkeit haben sollte.

      Otto I. hatte das Schicksal genialer Herrscher, daß er sein Reich unzulänglichen Nachfolgern überlassen mußte. Sein Sohn und sein Enkel waren Blüten am väterlichen Baume, nicht Stämme, die mit eigener Wurzel aus der Erde wuchsen. Otto II. war sympathisch durch sein feuriges Temperament und die Geistesgegenwart und Verwegenheit, mit der er nach der furchtbaren Niederlage, die die Sarazenen ihm zugefügt hatten, entfloh und sich rettete. Unter Italien verstand man damals die Halbinsel ohne Venedig, das tatsächlich unabhängig war, aber dem Namen nach zum byzantinischen Reich gehörte; und ohne den Süden, Apulien, Kalabrien und Sizilien, der teils griechisch war, teils von den Sarazenen erobert. Es konnte nicht anders sein, als daß die Kaiser auch das südliche Gebiet an sich zu bringen suchten, wodurch die Beziehungen zu Byzanz noch peinlicher wurden als sie ohnehin waren. Wie die Römer betrachteten auch die Griechen die Germanen als Barbaren und wiegten sich im Vorzug der älteren Kultur um so lieber, als sie die militärische Übermacht des ostfränkischen Reiches anerkennen mußten. Nur nach langen schwierigen Verhandlungen und infolge besonderer Umstände erlangte Otto I. für seinen Sohn die Hand einer griechischen Prinzessin. Theophano scheint dem Ruf feinerer Bildung der Griechen entsprochen zu haben; das machte sich auch durch den Einfluß geltend, den sie auf ihren Sohn ausübte, der schon von Natur mehr ein Sohn der Mutter als Erbe der Väter war. Karl der Große und Otto der Große vergaßen nie, daß ihre germanischen Völker ihnen die Mittel gaben, Italien zu beherrschen, der eine war Franke, der andere Sachse, und das wollten sie sein. Otto III. wollte den Schwerpunkt des Reiches nach Rom verlegen. Es schien ein richtiger, ein großer Gedanke zu sein: wenn Rom das Haupt der Welt ist, wenn Rom die Cäsarenkrone vergibt, muß der Kaiser in Rom residieren, müssen in Rom die Zügel gehalten werden, die die Welt lenken, darf das deutsche Reich nur eins neben den anderen Reichen sein, deren Haupt Rom ist. Tatsächlich war das neue Römische Weltreich kein Kreis, sondern eine Ellipse mit den zwei Brennpunkten Rom und Aachen; der universale Gedanke mußte scheitern, wenn man ihn durch eine Universalmonarchie mit einem einzigen Mittelpunkte verwirklichen wollte. Zum Zeichen seines cäsaropapistischen Gedankens setzte Otto III. Verwandte und Freunde auf den päpstlichen Stuhl, seinen Vetter Brun, den ersten deutschen Papst, und seinen bewunderten Lehrer, Gerbert von Aurillac.

      Die Deutschen empfanden den Wechsel in der Politik ihres Königs bitter. Der Urenkel des Sachsenherzogs Heinrich, der Enkel des großen Otto, die nicht einmal Latein verstanden, die sich mit Vorliebe in Quedlinburg aufhielten und in den Wäldern des Harzes jagten, war ein Fremder im Norden; den Römern aber blieb er fast noch fremder als sein Großvater. Der war tatkräftig, folgerichtig, ein Herrscher, der zu rechter Zeit zu gebieten, zu strafen, zu verzeihen wußte; Otto III. wollte zugleich die Welt beherrschen und ein Heiliger sein. Otto I. wurde geliebt und verehrt, aber zugleich gefürchtet. Einmal begaben sich die Mönche von Sankt Gallen mit ihrem neuerwählten Abt an den Hof nach Speyer, um sich vom König die Wahl bestätigen zu lassen. Obwohl sie das Recht der freien Abtswahl besaßen, kamen sie als Bittende und nicht ohne Sorge, denn sie wußten, daß ihr Erwählter dem Herrn nicht sonderlich genehm war. Sie ersuchten den jungen Otto um Fürsprache, der auch als liebenswürdiger Kronprinz sich für ihr Anliegen einzusetzen versprach, hinzufügend: »Gott, in dessen Hand die Herzen der Könige sind, möge für euch meinen Löwen mild und versöhnlich machen.« Der Bischof von Speyer sagte gelegentlich zum Kaiser: »Niemals waren Augen schärfer als die deinigen, mein Löwe.« Wie einen Löwen liebten die Deutschen sich ihre Herrscher vorzustellen: furchtbar, gefährlich, großmütig. Gegen das Ende seines Lebens besuchte Otto zusammen mit seinem Sohne das Kloster Sankt Gallen. Die auf beiden Seiten aufgereihten lobsingenden Mönche betrachteten scheu den alten König, wie er mächtig in ihrer Mitte stand und die großen Augen mit Herrscherblick langsam über sie hingleiten ließ. Otto III. ließ sich vom Bischof Adalbert von Prag, der seine Diözese verlassen hatte, weil er unter der Roheit und Widersetzlichkeit der Böhmen litt, ermahnen, sich des Kaisertums nicht zu überheben, sondern eingedenk zu sein, daß er Staub sei, und kniete weinend vor den Eremiten, die damals in Italien den Ruf der Heiligkeit genossen. Er gab sich abwechselnd schrankenlosen Herrschaftsansprüchen und haltloser Zerknirschung hin. »Euretwegen«, rief er den aufständischen Römern zu, »habe ich mein Vaterland und meine Angehörigen verlassen. Die Liebe zu euch ließ mich meine Sachsen und alle Deutschen, mein eigen Blut verschmähen. Euretwegen habe ich die Mißgunst und den Haß aller auf mich geladen, da ich euch über alle stellte. Und für all das habt ihr euren Vater verworfen, meine Diener grausam ermordet und mich, den ihr doch nicht ausschließen könnt, ausgeschlossen!« Aber die Römer unterwarfen sich wohl einem Herrscher, der ihnen seine Kraft bewies, einen frommen Schwärmer und Barbaren, der sie mit weinerlichen Worten an sich fesseln wollte, verachteten sie.

      Als Otto III. im Jahre 1000 in Aachen war, ließ er sich die Gruft Karls des Großen öffnen. Mit drei Begleitern drang er in das vom Geruch der Verwesung erfüllte Gewölbe ein und sah den toten Kaiser, so erzählt die Überlieferung, aufrecht, als lebe er, auf seinem Stuhle sitzen. Er hatte eine Krone auf dem Haupte, und die Nägel waren durch die Handschuhe, die er trug, hindurchgewachsen, ein grauenvolles Zeichen posthumer Lebendigkeit. Der Toten Grabesruhe zu stören war von der Kirche verboten und widerstrebte dem Gefühl des Volkes. Man glaubte, der edle Geist sei dem Königs Jüngling zürnend erschienen und habe ihm ein ruhmloses Ende geweissagt. Er starb zwei Jahre später zu seinem und des Reiches Glücke: denn die Unzufriedenheit der Deutschen wäre vermutlich bald zum Ausbruch gekommen und hätte ihn jeder Grundlage beraubt.

      Von den deutschen Königen im engeren Sinne ist Otto I. der einzige, dem der Beiname der Große gegeben wurde, obwohl unter seinen Nachfolgern mancher ebenso geistvoll und tatkräftig war wie er. Es erklärt sich daraus, daß er in mancher Hinsicht wie Karl der Große ein Begründender war, daß er, indem er das Kaisertum an die Deutschen brachte, eine neue Epoche einleitete. Was für zerreißende Schicksale die Verbindung СКАЧАТЬ