Ariane. Claude Anet
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Название: Ariane

Автор: Claude Anet

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783038209782

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СКАЧАТЬ in ihren Augen gut – Pascha wird weiße Seidenstrümpfe zum Kleid gelegt und neben das Sofa weiße Sandalen gestellt haben. Dann, Pawel Pawlowitsch, werde ich mich von oben bis unten entkleiden, werde diese schreckliche Schuluniform zu Boden werfen, dieses braune Kleid, aus dem ich drei Jahre lang nicht herausgekommen bin. Ich werde darauf tanzen, ich werde darauf herumtrampeln; ich werde Pascha küssen … Nur daran denke ich jetzt. Ich bin frei, frei! Freuen Sie sich mit mir.«

      Sie reichte ihm beide Hände. Pawel Pawlowitsch hörte ihr zu, und in seinem Gesicht zeigten sich widersprüchliche Gefühle. Die Freude des Mädchens, allein schon ihre Stimme konnten ihn berauschen; und doch fühlte er in seinem Inneren eine dumpfe Trauer.

      Schon hatte Ariane ihn verlassen und ging die Treppe hinauf. Auf der Türschwelle drehte sie sich noch einmal um:

      »Wenn Sie nichts Besseres vorhaben, kommen Sie heute zum Abendessen in den Alexanderpark.«

      Sie war verschwunden. Pawel Pawlowitsch stand erstarrt auf dem Bürgersteig.

      II

      Als Ariane hereinkam, saßen in dem großen Esszimmer ein paar Leute an einem langen Tisch, dessen Vorsitz Tante Warwara hatte. Sie war eine Frau in den Vierzigern, mit asymmetrischem Gesicht, in dem einem zuallererst zwei große dunkle Augen auffielen, Augen von solcher Schönheit, die allein schon ausreichten, die gängige Meinung in der Stadt zu rechtfertigen: »Warwara ist eine attraktive Frau.« Sie war auffallend frisiert. Ein Seitenscheitel teilte ihr braunes, leicht gewelltes Haar. Ihr Mund war ebenso fein gezeichnet wie der ihrer Nichte, allerdings hatte sie keine schönen Zähne. Warwara Petrowna wusste das und behalf sich, indem sie mit geschlossenen Lippen lächelte und ihre braunen Augen umso mehr leuchten ließ. »Sie ist unwiderstehlich«, hieß es dann bei ihren Bekannten. Sie war schlank geblieben. »Wenn Tante Warwara auf der Straße vorbeikommt«, sagte Ariane immer, »glauben die Leute, ein junges Mädchen zu sehen.« Sie kleidete sich, auch zu Hause, ohne die geringste Nachlässigkeit – etwas durchaus Seltenes in Russland. Sie trug elegantes Schuhwerk; ihre Hände waren gepflegt, ihre Wäsche vom Feinsten, und außer Haus trug sie jahrein, jahraus ein Kostüm aus schwarzem Tuch, das ein guter Schneider in Moskau gefertigt hatte.

      In der Stadt war es ein unerschöpfliches Gesprächsthema, wie Warwara Petrowna lebte. Aus ihrer Vergangenheit war bekannt, dass sie unter ungeklärt gebliebenen Umständen ihre Familie verlassen hatte und zum Medizinstudium in die Schweiz gegangen war. Dann war sie als Dorfärztin nach Iwanowo in unserem Regierungsbezirk zurückgekehrt.

      Zu der Zeit war bei uns viel von ihrer jüngsten Schwester die Rede, der sehr hübschen Vera, in die der berühmte Romancier Kowalski, der den Winter in der Stadt verbrachte, unsterblich verliebt war. Während man also mit der Ankündigung rechnete, dass das Mädchen und der Schriftsteller heirateten, reiste dieser unerwartet auf die Krim, und jene nach Iwanowo, wo sie bei ihrer Schwester Unterschlupf fand. Ein halbes Jahr lang bekam niemand sie zu Gesicht. Dann fuhr sie nach Paris und heiratete dort im Jahr darauf Nikolaj Kusnetzow, einen Ingenieur, der öfters beruflich in Frankreich zu tun hatte.

      Kurz nach Veras Verschwinden aus Iwanowo kam heraus, dass Warwaras Haus noch einen weiteren Gast beherbergte, von dem Warwara sagte, es sei das kränkliche Kind einer Freundin, die es in ihre Obhut gegeben habe. Das kleine Mädchen war nicht in der Dorfkirche getauft worden, und als es achtzehn Monate alt war, fuhr Warwara mit ihm ins Ausland und blieb einige Zeit bei ihrer inzwischen verheirateten Schwester Vera.

      Sie kam allein zurück. Da geschah etwas, das Warwaras Leben eine andere Wendung geben sollte. Eines Nachts wurde sie als Ärztin zu einem der größten Grundbesitzer von ganz Russland gerufen, dem Fürsten Y…, der sich zufällig für einen Monat auf einem benachbarten Gut aufhielt. Sie rettete ihm das Leben. Der Fürst wollte sie nicht wieder ziehen lassen, nahm sie mit nach Europa und behielt sie bis zu seinem Tod sieben Jahre später bei sich. Dann ging Warwara zurück in ihre Heimat, mit einem Vermögen von hunderttausend Rubel, zehntausend Rubel Pension und um manche Erfahrung reicher, die sie bei dem glanzvollen Leben im Westen hatte machen dürfen. Sie kaufte ein Haus an der Dworanskajastraße.

      Sie wirkte, als hätte sie Russland nie verlassen. Als hätte sie nie etwas anderes getan, hatte sie die Gabe, ihre Zeit mit Nichtstun zu verbringen, und die Tage waren ihr immer zu kurz, obwohl sie nichts hatte, womit sie sie ausfüllte. Sie verließ die Stadt selten; allenfalls fuhr sie im Sommer für einen Monat auf ein kleines Anwesen am Ufer des Don, das sie gekauft hatte, um immer Milch, Eier und frisches Gemüse zu haben. Während der Jahre des Dienens beim Fürsten hatte sie bis zum Überdruss das Fernweh ausgekostet, das bei den Russen so hartnäckig ist. Ihre vergangenen Lebensjahre betrachtete sie wie eine Bühnenkulisse: etwas gewiss Staunenswertes, aber man würde nicht im Traum darauf kommen, sein Leben darin einrichten zu wollen. Man bleibt für ein paar Augenblicke im Rampenlicht und unter den Augen von tausend Zuschauern, aber gleich nach der Vorstellung geht man nach Hause und macht die Tür hinter sich zu.

      Warwara Petrowna ging nach Hause, aber sie ließ die Tür angelehnt für die zahlreichen Freunde, die sie tatsächlich bald in der Stadt fand. Seit fünf Jahren war sie schon dort, da starb ihre Schwester Vera Kusnetzowa in San Remo, wo sie allein mit ihrer Tochter lebte, an Schwindsucht. Kusnetzow reiste eilends aus Sankt Petersburg an, nahm seine Tochter mit nach Russland, und weil er nicht wusste, wohin mit ihr, fragte er seine Schwägerin, ob sie sie aufnehmen wolle.

      Als die Nachricht das Haus an der Dworanskajastraße erreichte, waren die Bekannten von Warwara rasch der übereinstimmenden Meinung, sie werde ablehnen. Warum sollte sie es auf sich nehmen, so frei wie sie war, ein Kind großzuziehen, das sie kaum kannte? Warwaras Freunde täuschten sich; kaum hatte sie den Brief ihres Schwagers erhalten, telegrafierte sie ohne weiteres Nachdenken nach Sankt Petersburg, man solle ihr ihre Nichte bringen.

      Als Ariane zu ihrer Tante zog, war sie ein junges Mädchen von vierzehneinhalb Jahren, körperlich und geistig ihrem Alter voraus. Sie war sehr dünn, aber schon wohlgeformt, mit kräftigen Armen und ernstem Gesicht; ihr gerader Blick hatte etwas Angriffslustiges.

      »Wem zum Teufel siehst du ähnlich?«, sagte Warwara Petrowna. »Du hast unseren Mund, aber du wirst nicht so hübsch wie deine Mutter. Und woher hast du diese Art, die Leute anzusehen? Von wem hast du diese Augen? Jedenfalls nicht von deinem Vater, dem siehst du überhaupt nicht ähnlich … Im Übrigen gratuliere ich dir dazu, denn du weißt, was ich von ihm halte …«

      Das war die Art, wie Warwara Petrowna sprach. Die Augen des Mädchens leuchteten, aber sie erwiderte nichts darauf.

      »Also, du gefällst mir. Ich hatte Sorge, du wärest noch eine Göre; aber ich sehe, dass du ein junges Mädchen bist. Wir werden gut miteinander auskommen.«

      Dass das Mädchen nun bei ihr lebte, führte aber zu keinerlei Veränderung im Warwara Petrownas Leben. Sie behandelte Ariane trotz des Altersunterschieds eher wie eine Freundin als wie eine Nichte, für deren Erziehung sie zu sorgen hatte.

      Warwara hatte sich, kaum dass sie von zu Hause weg war, an die Freiheit gewöhnt, hatte Geschmack daran gefunden und war zu der Ansicht gelangt, dass sie selber wusste, was für sie gut war. Da die Natur den Verkehr zwischen den Geschlechtern mit Geheimnissen und lebhaften Freuden verknüpft hat, warum sollte man darauf verzichten? Ihr aufgeklärter akademischer Verstand sah keinen Grund dafür, solche gesunden Wonnen von sich zu weisen. Sie hatte an der Universität Liebhaber gehabt, und zurück in der Heimat hatte sie sogar in Iwanowo welche gefunden. Während ihrer Auslandsaufenthalte mit dem Fürsten hatte sie manche Gelegenheit zu vergleichenden Studien über die Vorzüge abendländischer Männer gehabt, und nach der Rückkehr in ihre Geburtsstadt lebte sie weiterhin nach Lust und Laune. Es fehlte ihr an Verständnis dafür, dass man dem Sichhingeben diese große Bedeutung beimaß, wie es so viele romantische Menschen tun. Mit einem Wort, sie hatte hinsichtlich der Liebe einen männlichen Standpunkt. СКАЧАТЬ