Название: Ein Lord wie kein anderer
Автор: Inka Loreen Minden
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783963700705
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Da der Butler den Raum längst verlassen hatte, erlaubte sie sich, Daniel weiterhin zu mustern, solange er abgelenkt war. In seinem dunklen Haar zeigten sich erste graue Strähnen und in seinen Augenwinkeln ein paar Fältchen. Das ließ ihn bloß noch männlicher wirken.
Seine Finger waren lang und schlank, die Nägel gepflegt. Wenige Härchen wuchsen auf seinem Handrücken, doch mehr Haut bekam sie leider nicht zu sehen. Wie es sich für einen Mann seines Ranges gehörte, trug er ein Krawattentuch, eine dünne Jacke aus einem feinen, dunkelgrünen Stoff, darunter eine schwarze Weste … alles perfekt auf seine breiten Schultern zugeschnitten.
Daniel legte den Federhalter zur Seite und blickte ihr direkt in die Augen. »Sie sind also wegen der ausgeschriebenen Stelle als Kindermädchen hier, Mrs Rowland?«
Sie setzte sich kerzengerade hin und versuchte, ihn nicht anzustarren, schließlich gehörte sich das nicht. »So ist es, Mylord.« Sie wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme klang, denn durch ihren Körper schien ein Wirbelwind zu fegen. Außerdem wurde ihr heiß und kalt. Was, wenn Daniel sie erkannte?
Zum Glück hatte sie sich sehr verändert und sie waren sich, nachdem Daniels Eltern zurück in diese Villa gezogen waren, nie wieder über den Weg gelaufen. Bestimmt hatte er sie längst vergessen. Doch das war gut. Besser, er wusste nicht, wer sie war. Das würde für Emily vieles einfacher machen. Sie wollte ein professionelles Arbeitsverhältnis und vor allem Distanz bewahren.
»Sie sind verheiratet?«, fragte er als Nächstes.
»Seit ein paar Jahren Witwe.«
Sein Blick ruhte etwas länger als gewöhnlich auf ihr. »Mein Beileid.«
»Danke, Mylord.« Hastig senkte sie den Kopf, und Übelkeit explodierte in ihrem Magen. Gerade rechtzeitig bemerkte sie, dass sie die Finger in ihren Stoffbeutel krallte, und entspannte sie schnell wieder.
Was, wenn er sie über ihren Mann ausfragte? Oder Papiere von ihr verlangte?
Sie wollte diese auf keinen Fall vorzeigen und so ihre wahre Identität enthüllen. Besser wäre es vielleicht, zu behaupten, sie wären verbrannt …
Nein, es tat ihr schon genug weh, ihren alten Freund anzulügen. Wobei sie bis jetzt nicht direkt gelogen hatte, bloß ein paar Fakten verschwiegen.
Zum Glück schien er sie nicht zu erkennen. Von ihrer Mutter hatte sie erfahren, was sich in seinem Leben nach dem Auszug aus dem Stadthaus getan hatte: Mit jungen fünfundzwanzig Jahren hatte er die zweite Tochter eines Marquise geheiratet und war mit ihr hierher gezogen, nach Mayfair, dem exklusivsten Londoner Stadtteil. Zuerst in ein eigenes kleines Haus, später, nach dem Tod seiner Eltern, in diese Villa.
Die restlichen Neuigkeiten hatte ihr Claire erzählt, nachdem Emily bei ihr Unterschlupf gefunden hatte: Lange waren Daniel und seine Frau Imogen kinderlos geblieben, und erst letztes Jahr hatte sie ihm eine Tochter geschenkt: Sophia. Doch das Schicksal hatte Imogen Appleton nur wenige Tage nach der Geburt aus dem Leben gerissen. Als Emily die Todesanzeige in der Zeitung gelesen hatte, wäre sie am liebsten sofort zu Daniel geeilt, um ihn zu trösten. Seine Eltern waren tot, genau wie ihre, und er hatte keine Geschwister. Wie allein musste er sich gefühlt haben … Sie hatten einiges gemeinsam.
Er war mit seiner Frau neun Jahre verheiratet gewesen, Emily mit Edward sieben. Sieben unendlich lange Jahre. Sicher war es Lady Hastings nicht so schlimm ergangen wie ihr, oder?
Man konnte leider in niemanden hineinblicken. Weder Emily noch ihre Eltern hatten Edwards wahren Charakter zu sehen bekommen, zumindest nicht, bevor der Mistkerl alles an sich gerissen hatte …
Als Daniel sie stirnrunzelnd musterte, ihren Nachnamen murmelte und plötzlich aufstand, wäre Emily fast aufgesprungen. Er schlenderte auf ein Tischchen zu, das neben dem kalten Kamin stand, und goss sich aus einer Karaffe eine goldbraune Flüssigkeit in ein Glas – vermutlich Brandy.
Emilys Atem stockte, als er mit dem Getränk in der Hand zwischen ihr und seinem Tisch hindurchschritt und zum Fenster ging. Daniel war deutlich größer als damals und besaß vor allem viel mehr Muskeln, dafür fehlte der Bauchansatz, den viele Männer in seinem Alter vor sich hertrugen. Vor allem seine breiten Schultern beeindruckten Emily. Und er roch so gut! Nach Sandelholzseife und seinem eigenen, männlichen Duft.
Ihr Herzschlag flatterte, als er das Glas an seine Lippen setzte und etwas Brandy nippte.
Edward hätte den Drink längst gierig hinuntergestürzt und sich einen weiteren eingeschenkt.
Endlose Sekunden lang richtete Daniel den Blick aus dem Fenster, als würde er nicht nur dem Geschmack des Alkohols auf seiner Zunge nachschmecken, sondern angestrengt über etwas nachdenken.
Als er ihr direkt das Gesicht zuwandte, schien sich sein intensiver Blick wie Nadeln in sie zu bohren.
Emily zuckte leicht zusammen.
Hatte er sie erkannt? Oder sah er ihr an, was sie getan hatte? Überlegte er, solch eine Frau wie sie niemals in die Nähe seiner Tochter zu lassen?
Emily schluckte hart und versuchte, sich möglichst normal zu verhalten. Deshalb schenkte sie Daniel ein zittriges Lächeln, aber viel lieber hätte sie jetzt geweint. Doch sie hatte gelernt, ihre Tränen zu verbergen, genau wie sie ihre düstere Vergangenheit so gut sie konnte vor allen versteckte, damit die Wahrheit niemals ans Licht kam. Nicht einmal ihre Freundin wusste, was ihr alles zugestoßen war und was … für ein Verbrechen sie begangen hatte.
Er kann es unmöglich erahnen, beruhigte sie sich. Selbst dem Arzt, der den Tod ihres Mannes festgestellt hatte, war nichts Verdächtiges aufgefallen.
Daniel schlenderte zurück und blieb genau zwischen ihr und dem Schreibtisch stehen. Er stellte das Brandyglas darauf ab, wandte sich ihr zu und lehnte sich lässig gegen die Platte. Schließlich stützte er die Hände hinter sich ab, sodass sich der Stoff seiner Weste über seinen leicht gewölbten Brustmuskeln spannte.
Himmel, woher hatte er all diese Muskeln?
Emilys Mund wurde ganz trocken, ihr Herzschlag trommelte hart gegen ihre Rippen. Was hatte er nur vor? So verhielt sich kein Adliger!
Während er sie intensiv musterte und ihr nichts anderes übrig blieb, als seine große Gestalt zu bewundern, die sich viel zu dicht vor ihr befand, hob sich plötzlich einer seiner Mundwinkel. Zusätzlich stahl sich ein Funkeln in seine grauen Augen. Auf einmal sah er nicht mehr wie ein Lord aus, sondern wie ein Pirat!
In ihm steckte wohl immer noch ein Rebell, denn ein Mitglied des Hochadels sollte stets Contenance bewahren!
»Sind wir uns schon einmal begegnet?«, fragte er, wobei seine Stimme schlagartig dunkler klang.
In ihrem Magen prickelte es, als hätte sie Schaumwein getrunken, und sie wollte Daniel nur noch auf diese sinnlichen Lippen küssen, die er fast schon spöttisch verzog.
Er stand kurz davor, sich an sie zu erinnern, falls er das nicht längst hatte. Spielte er nun mit ihr?
Sie sollte ihm СКАЧАТЬ