Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr. Anzengruber Ludwig
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Читать онлайн книгу Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr - Anzengruber Ludwig страница 11

Название: Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr

Автор: Anzengruber Ludwig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075836366

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СКАЧАТЬ Die Thüre, die in die Kammer führte, ließ nur höfliche Leute ein, wer sich nicht bücken mochte, der mußte außen bleiben, das Fenster war mit dem Thürpfosten in einem Stück gezimmert worden und so schmal, daß der Glaser mit einer Scheibe, die er entzweischnitt, für beide Rahmen ausreichte. Die Wände waren geweißt, ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl, mehr befand sich innerhalb derselben nicht, ein Kruzifix hing noch in einer Ecke, das war alles.

      Wenn der Direktor zu Hause war, so saß er für gewöhnlich an dem Tische, den er an das Fenster gerückt hatte, dort fand er zum Theaterzettelschreiben oder sonst einer nützlichen Beschäftigung gerade genug Licht, während das übrige eine angenehme Dämmerung im Räume verbreitete.

      So saß er, hart an die Tischkante gedrückt, führte fleißig die Feder oder fertigte Papparbeiten. Er stak immer in ein und demselben schwarzen Anzuge, der seine ohnedies kleine, schmächtige Gestalt noch unscheinbarer aussehen machte; zwar behauptete er, daß ihn seine unterthänigsten Beziehungen zum Publikum verpflichteten, demselben nie anders als in solchem Staate entgegen zu treten, aber er fand damit wenig Glauben, um so mehr, als nicht zu leugnen war, daß die besagte Kleidung durch den längeren Umgang mit ihm nicht gewonnen hatte, indem es sich häufig ereignete, daß er in Gedanken die Finger reinigte und Tinte oder Kleister auf Rockärmel und Beinkleid strich.

      Der kleine Mann hatte auch ein kleines, schmales Gesichtchen, aus tausend Fältchen blinzten ein Paar graue Aeuglein etwas unsicher und unstet hervor; das war aber kein Zeichen eines beunruhigten Gewissens, sondern nur einer ziemlich ausgesprochenen Kurzsichtigkeit. Seine Nase war ganz gewöhnlich, nur an der Spitze etwas knollig und rot angehaucht, die Stirne schien dermaleinst nieder gewesen zu sein, doch hat sie sich mit der Zeit Platz gemacht, indem sie die Haare beiseit schob, die sind denn auch ganz bescheiden rechts und links zurückgetreten, halten sich nur in Gestalt zweier grauschwarzer Wickel an beiden Schläfen und etlicher Büschel von gleicher Farbe hinter den Ohren auf und nun reicht die Stirne bis ins Genick, wenn sie es gelten lassen will.

      Der Direktor pappt gerade eifrig an einer Königskrone, die für heute abend fertig werden soll, die alte war doch schon zu sehr abgetragen, sie hat ihm als Muster für die neu anzufertigende gedient, jetzt aber liegt sie auf dem Boden und er streift sie mit dem Fuße unter den Tisch, während auf demselben die neue prangt, die er zufrieden beäugelt.

      Es war ein wehmütiges Bild. Was ist der Welt Herrlichkeit?

      Indes probiert der Herr Direktor die neue Krone auf, sie sitzt vortrefflich und drückt nicht im geringsten. Er erhebt sich und stolziert ein paar Schritte in der Kammer auf und ab, dann bleibt er vor dem Fenster stehen, draußen streicht ein heftiger Wind, einzelne Sandkörner prallen an die Scheiben und hinter den Holundersträuchen, welche den gegenüber liegenden Gemüsegarten begrenzen, steigt es grau auf.

      Feron nimmt die Krone seufzend vom Haupte, rechnet nach, was sie wohl unter Buchbindern wert wäre und fragt sich im bangen Zweifel, ob ihn der Himmel heute auf die Kosten kommen lassen werde? Die bewußte Scheune, in welcher die Kunst ein Unterkommen gefunden, stand nämlich schon eine geraume Weile vernachlässigt, Zeitvertreibs halber ließ sie sich mit dem Regen ein und der lehrte sie artige Wasserkünste; einmal nun, inmitten einer Theatervorstellung, fand sie Gelegenheit, vor einem geehrten Publikum zu zeigen, was sie gelernt hatte: sie formte kleine, tosende Sturzbäche, rieselnde Wasserfäden, gurgelnde Springfluten und stellenweise fröhliche Sprühregen, es soll sehr hübsch gewesen sein, aber keiner verlangte ein zweites Mal danach und so genügte ein grauer Himmel über dem Scheunendach, um alle fernzuhalten; man sieht also, daß des Direktors Furcht begründet war, und daß ihm der Himmel mit einem Regenwetter einen argen Strich durch die Rechnung machen konnte.

      Der kleine Mann sah sehr besorgt nach den Wolken, die hinter den Holunderbüschen aufstiegen, dann trat er in die Ecke und nahm den Herrgott von der Wand, setzte sich, hielt ihn sein säuberlich in der Linken, wahrend er die Rechte mit der Gebärde freundlichen Zuspruches gegen das Bild bewegte und es auch manchmal unter der Rede zärtlich streichelte.

      »Schau,« sagte er, »wirst doch heute nicht so grauslich gegen mich sein wollen, daß ich nicht einmal auf die Kosten komm'?! Sollt' auch nichts zu teilen bleiben, für die andern red' ich nicht, es ist so sündhaft's Volk, das vielleicht nicht einmal im Jahr deiner gedenkt, aber mich mußt deshalb nicht strafen. Wenn ich rechne, was mich Pappendeckel, Goldpapier und Kleister kosten, ein Pfund Kerzen zur Beleuchtung, Auslagen für Zettel und was sonst noch, so macht alles in allem zwei Gulden siebenundfünfzig Kreuzer Münz', das könntest mich doch verdienen lassen! Es ist ohnedies nicht viel, das wirst wohl einsehen, gelt ja? Na also, nicht wahr, du wirst schon dazuschau'n, du thust mir's schon zulieb und läßt mich zu dem Meinen kommen? Ja. Freilich. Ich verlass' mich darauf.«

      Hatte der Himmel ein Einsehen, dann betrat der Herr Direktor nach der Vorstellung sein Kämmerlein nie, ohne einen dankbaren Blick nach dem Winkel zu werfen, wo er wußte, daß der Herrgott hing, den er freilich bei der herrschenden Dunkelheit nicht sehen konnte. Wenn es aber geschah, daß trotz seinen Bitten der Himmel hart blieb und die Erde weich wurde, dann schlich er über den Hof, kletterte den Steig zu seiner Kammer hinan, so hastig, daß es anzusehen war, als ob ein großer schwarzer Kater in abenteuerlichen Sprüngen da hinaufsetzte; oben stieß er die Thüre auf.

      Schwer setzte er den Fuß auf die Dielen, warf einen Blick, wie ihn nur die bübischsten Mordgesellen auf der Bühne zu werfen verstehen, nach der bewußten Ecke und murmelte: »Also hat's nicht sein können?«

      Unheilbrütende Stille.

      »Hat's nicht sein können?« wiederholte er mit heiserer Stimme, langte mit hartem Griff den Herrgott von der Wand. »Nicht einmal zwei Gulden siebenundfünfzig Kreuzer Münz'! Ist das schön?«

      Nun begann er dem Herrgott gehörig die Meinung zu sagen, seine Reden und Hantierungen wurden immer mehr das Gegenteil von Schmeicheleien und Liebkosungen, bis er sich vor unvernünftiger Wut nimmer aus wußte und das Bild von sich warf, selbstverständlich, um es am nächsten Morgen wieder reuig vom Boden aufzuheben, an die gewohnte Stelle zu hängen und bei nächster Gelegenheit bittlich anzugehen, wenn wieder zwei Gulden siebenundfünfzig Kreuzer Münz' Tageskosten in Gefahr standen, verregnet zu werden! Ebenso selbstverständlich wird er wieder den eingegangenen Betrag durch einen dankbaren Blick quittieren, oder andernfalls dem Herrgott gehörig die Meinung sagen, denn so war einmal seine Art, mit demselben umzugehen.

      »Nun,« sagt der Leser, »das ist mir ein artiger Narr;« aber er steht nicht allein, er hat gering seine hunderttausend Brüder, die Fetischanbeter, von denen wir schon viel gelesen haben. So ein Wilder geht her und macht sich in aller Geschwindigkeit aus einem Lumpenbündel, Baumstrunk oder Steinblock einen Gott zurecht, bringt auf den Knieen seine Bitten vor, werden die aber nicht gewährt, so sieht er sich nach einem tüchtigen Stocke um und prügelt seinen Herrgott weidlich durch.

      Nun lacht wohl der Leser über den Welschen, von dem ich zu Anfang erzählt habe, über den »Obersten der Komödianten«, den ich ihm im weiteren Verlaufe vorführte und über die Fetischanbeter, auf die mir zuletzt zu sprechen gekommen sind; schmeichelt sich, was Bedeutendes klüger und besser zu sein, und ich könnte jetzt auf die artigste Weise schließen, indem ich ihn sein höflich bei seiner Meinung beließe. Ja, wenn nicht ein Hauptmerks noch anzubringen wäre!

      Nehm' noch einmal meinen alten Narren hervor und sage: »Er hat gering nicht seine hunderttausend – er hat Millionen Brüder!«

      Will's der Leser nicht glauben? Gut, wir wollen Probe machen. Es braucht keiner zu sagen, er gehöre nah' oder entfernt in die Brüderschaft, denn es wär' wider alle Vernunft, von einem Menschen zu verlangen, daß er sich selbst irgend etwas Unangenehmes nachsage! aber wer nicht dazu gehört, der möge sich melden!

      Wir wollen uns daher gar nicht bemühen, heraus zu bekommen, wieviel ihrer sind, die sich an einem Bilde vergreifen, nicht weil es ihnen ein götzendienerischer СКАЧАТЬ