Der arme Jack. Фредерик Марриет
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Название: Der arme Jack

Автор: Фредерик Марриет

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711447673

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      Ich vergass die Einschärfungen meines Vaters nicht, denn ich war zu erschrocken. In der Mitte der Kirchstrasse, unfern Fishers Alley, wohnte ein Doktor — ein kleiner Mann mit einem zwischen zwei breiten Schultern eingesunkenen grossen Kopfe, kleinen blinzelnden Augen, einer Mopsnase und fast kahlem Scheitel, während an den Seiten sein Haar lang und wallend niederhing. Wenn übrigens auch seine Schultern breit waren, so stand doch sein übriger Leib nicht in demselben Verhältnisse, denn dieser wurde nach unten zu immer schmäler, so dass seine Hüften nichts weniger als breit und seine Beine so dünn wie Gaisfüsse waren. Sein eigentlicher Name war Todpoole, aber die Leute nannten ihn stets Tadpolec), und ohne Frage erinnerte auch sein Äusseres an ein derartiges Tierchen. Er war ein witziger kleiner Mann und stand im Rufe grosser Geschicklichkeit.

      „Doktor Tadpole“, rief ich vom laufen ganz ausser Atem, „kommt hurtig — meine Mutter ist übel dran.“

      „Wo fehlt’s?“ fragte er, über einen Mörser wegblickend, in welchem er eben etwas mit der Pistille rieb. „Äusserlich oder innerlich?“

      Obgleich ich nicht wusste, was er damit meinte, so versetzte ich doch: —

      „Beides, Doktor, und noch viel mehr.“

      „Das ist in der That schlimm“, entgegnete Tadpole, noch immer reibend.

      „Aber Ihr müsst augenblicklich kommen“, rief ich. „Kommt mit — hurtig!“

      „Festina lente, guter Knabe — das ist Latein für Hut und Stiefel. — Tom, sind meine Stiefel rein?“

      „Ja, Sir“, antwortete ein gelbrübenköpfiger Junge, den ich wohl kannte.

      Der Doktor legte seine Pistille hin, setzte sich auf einen Stuhl nieder und begann ganz gemächlich seine Stiefel anzuziehen, während ich vor Ungeduld mit dem Fusse stampfte.

      „So beeilt Euch doch, Herr Doktor — Ihr werdet meine Mutter tot finden.“

      „Jack“, sagte der Doktor grinsend, indem er seinen zweiten Stiefel anzog, „die Leute sterben nicht so schnell, ehe der Doktor kommt — es geschieht stets nachher. Übrigens freut es mich, zu sehen, dass Du Deine Mutter so sehr liebst. — Tom, ist mein Hut gebürstet?“

      „Ja, Sir“, entgegnete Tom, den Hut des Doktors bringend.

      „Wohlan denn, Jack, jetzt bin ich bereit. — Tom, gieb auf den Laden acht, und iss mir nicht die Stange Bärendreck — hörst Du?“

      „Ja, Sir“, antwortete Tom mit einem Grinsen von einem Ohre bis zum andern.

      Der Doktor folgte mir hurtig, da er aus meiner Ungeduld schloss, es müsse etwas Ernstliches vorgefallen sein. Er ging nach dem Zimmer meiner Mutter hinauf, ich beeilte mich, die Thür zu öffnen, als ich zu meiner Überraschung die Mutter vor dem Spiegel stehen sah, wie sie sich eben die Haare ordnete.

      „Nun!“ rief meine Mutter, „das ist ein sauberes Benehmen — wer wird in dieser Weise in ein Frauengemach dringen?“

      Der Doktor machte grosse Augen und ich desgleichen. Endlich rief ich:

      „Ach, der Vater glaubte, er habe sie tot geschlagen.“

      „Ja“, entgegnete meine Mutter, „und er ist fortgegangen mit dieser Last auf seinem Gewissen, was doch einigen Trost gewährt. Er wird nicht so schnell wieder zurückkommen — er glaubt einen Mord begangen zu haben. Das gefühllose Vieh! — Nun, ich habe meine Rache gehabt.“

      Und als sie ihr Haar aufband, kreischte sie hinaus:

      „Das kleine Dämchen

      Verlor ihr Lämmchen

      Und konnt’ nicht sagen,

      Wo es zu finden.

      Sie fand es endlich,

      Doch ach wie schändlich,

      Es hat gelassen

      Den Schwanz dahinten.“

      „Nun, Doktor, so ist alles Verstellung gewesen“, rief ich.

      „Ja — und der Doktor hat einen Metzgergang gemacht.“

      „Gänschen Gänschen Gieren —

      Wohin thust spazieren?

      Treppe auf und Treppe ab

      Zu den Jüngferchen hinab.“

      Der Doktor zuckte die Achseln, dass der Kopf ganz dazwischen verschwand und sagte endlich:

      „Deine Mutter braucht mich nicht, Jack — das ist sonnenklar. Guten Morgen, Mrs. Sounders.“

      „Recht guten Morgen, Doktor Tadpole“, versetzte meine Mutter mit einem tiefen Knix. „Ihr werdet mich verbinden, wenn Ihr dieses Gemach verlasst und gefälligst die Thür hinter Euch schliesst.“

      Während der Doktor und ich hinausgingen, fuhr die Mutter fort zu singen:

      „Und dann traf ich ’nen kleinen Mann,

      Der konnt’ nicht ’s Vater Unser;

      Ich fasst am linken Bein ihn an

      Und warf ihn die Trepp’ hinunter.“

      Sobald wir in der Wohnstube unten anlangten, teilte ich dem Doktor mit, was vorgefallen war.

      „Gewiss, ich habe geglaubt, sie sei tot“, fügte ich bei, nachdem ich meine Geschichte beendigt hatte.

      „Jack, als ich Dich fragte, wo es Deiner Mutter fehle, innerlich oder äusserlich, antwortetest Du, in beidem und in noch vielem dazu. Du hattest recht — sie ist innerlich, äusserlich und noch obendrein höllisch schlecht“, sagte der Doktor lachend. „So hat sie also den Zopf Deines Vaters amputiert? Ha, die Delila! Schade, dass man nicht ihr den Kopf amputieren konnte, dann könnte vielleicht noch etwas Gutes aus ihr werden. — Gott befohlen, Jack; ich muss gehen und nach Tom sehen, der mir inzwischen gewiss eine ellenlange Stange Bärendreck aufgezehrt hat.“

      Bald nachher erschien Ben, der Walfischjäger, um nach meinem Vater zu fragen; ich teilte auch ihm mit, was vorgefallen war. Er entrüstete sich höchlichst über das Benehmen meiner Mutter, ein Gleiches war auch bei allen Bewohnern von Fishers Alley der Fall, sobald die Geschichte ruchbar wurde. Wenn meine Mutter ausging oder sich mit einer Nachbarin zankte, so rief man ihr unabänderlich zu: „Wer hat über ihren eigenen Mann die Presser geschickt?“ oder: „Wer hat ihrem Gatten den Zopf abgeschnitten? — War dies ein gentiler Possen?“ Darüber ärgerte sich meine Mutter dermassen, dass sie mit jedem Tage mürrischer und misslauniger wurde; auch glaube ich, sie würde die Strasse verlassen haben, wenn sie nicht das Haus auf lange Zeit gemietet hätte. Sie hasste mich jetzt aufs bitterste und versäumte keine Gelegenheit, um ihren Groll an mir auszulassen, denn sie wusste, dass ich meinen Vater geweckt und sie gehindert hatte, dem Ausbruche seines Zornes auszuweichen. Die Folge davon war, dass ich selten anders als zum schlafen nach Haus kam. Ich schleuderte an dem Ufer umher, ging ins Wasser und ruderte bisweilen in den Fähren, während ich sie zu andern Zeiten hereinholte und für die Passagiere bereit hielt. Ich fing an, mich den Fährleuten nützlich zu machen und СКАЧАТЬ