Florentiner Novellen. Isolde Kurz
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Название: Florentiner Novellen

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711445990

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СКАЧАТЬ Ihr, daß ich Eile hatte, edler Herr?« rief der Junker. »Ihr dürft es glauben. In Mailand ließ ich meine Knechte zurück, weil sie nicht schnell genug vorwärts kamen, in Bologna überholte ich den vorausgesandten Boten, aber Ihr müßt wissen, daß die Erlangung des Kodex –«

      »Ihr habt also den Kodex wirklich?« unterbrach der Florentiner mit heimlichem Spott.

      »Hier«, sagte Veit lächelnd und legte die Hand auf seine Brust, wo sich ein Gegenstand wie eine Pergamentrolle abzeichnete.

      Marcantonio empfand ein gewisses Unbehagen, obwohl er sich nichts anderes vorstellen konnte, als der Ritter habe durch irgendwelchen deutschen Gelehrten eine mehr oder minder geschickte Fälschung anfertigen lassen.

      Doch ganz anders erschrak er, als ihm nun der Jüngling, gerührt durch seine lebhaften Glückwünsche, bekannte, daß er gar nicht die Urschrift bringe, die vor Jahren nach Italien verkauft worden sei, sondern nur eine sauber geschriebene Kopie.

      Marcantonio wurde bleich wie der Tod, und um seine Bestürzung zu verbergen, ließ er sich von dem Ankömmling die ganze Jagd auf den Kodex ausführlich erzählen.

      »Ihr müßt wissen«, begann der Junker seinen Bericht, »daß ich bei meiner unerwarteten Rückkehr auf Schloß Stauffeneck zu meinem Schrecken die Truhe leer fand, denn der Schatz war schon vor mehreren Jahren durch einen Zufall zutage getreten. Meine Mutter hatte ihm wenig Beachtung geschenkt und die Bücher dem Gemeindepfarrer überlassen, mit Ausnahme eines einzigen, das ein auf dem Schloß herbergender Mönch sich zum Geschenk erbat. Natürlich war es mein erstes, den Gemeindegeistlichen aufzusuchen, und von ihm erfuhr ich – Heil und Unheil in einem Atem – daß die weggeschenkte Handschrift wirklich der ciceronianische Kodex war.

      Der Pfarrherr entsann sich dieses Umstandes genau, denn an den Titel des Buches knüpfte sich eine schauerliche Erinnerung, die er damals auf Schloß Stauffeneck zum besten gegeben und die er jetzt auch mir mit aller Breite wiederholte.

      Vor ungefähr dreißig Jahren nämlich, da er eben erst als ganz junger Mann zu der Gemeinde versetzt worden, sei im Dorfe das Gerücht ausgekommen, ein fremder Zauberer und Schatzgräber habe sich in den Ort geschlichen und treibe in den nahen Ruinen des etliche Wochen vorher niedergebrannten Blasiusklösterleins sein Wesen. Der Schwarzwälder Führer, welcher den Unhold begleitete, habe selber die Anzeige gemacht, daß der fremde schwarze Mann, der ihm schon unterwegs unheimliche Dinge von einem Zauberbuch gesprochen, die Brandstätte durchwühlte und wie außer sich in unverständlicher Sprache wilde Beschwörungen murmle. Die Bauern seien mit Knütteln und Heugabeln an den Ort gerannt, der Pfarrer hinterher, um den übelangekommenen Fremdling, in welchem er nach den Aussagen des Führers einen wandernden Büchermaulwurf vermutete, mit seinem eigenen Leibe zu decken. Doch sei der Fremde, ein hagerer Mann mit schwarzem Bart und Haar, von den Stichen und Hieben der wütenden Bauern, die seine Gebärden und Sprache für Zauberformeln hielten, schon so unmenschlich zugerichtet gewesen, daß die Hilfe zu spät kam. Es sei ihm zwar gelungen, den Schwerverwundeten lebend den Händen seiner Peiniger zu entreißen, aber noch desselben Tages habe der Unbekannte in dem Asyl der Pfarrei den Geist aufgegeben, ohne mehr seinen Namen und Herkunft nennen zu können. Aber noch im Todeskampf habe der Unglückliche von einem Manuskript gesprochen, das er im Kloster holen gesollt, ja, das letzte vernehmbare Wort, das er zu sprechen vermocht, sei der Name jenes Buches gewesen, der sich ihm, dem armen ungelehrten Dorfpfarrer, auf ewig in die Seele geprägt habe.«

      Der Junker hielt ein wenig inne, um Atem zu schöpfen, und betrachtete teilnehmend seinen Wirt, dessen verstörtes Aussehen er der Erschütterung über das schreckliche Ende seines Verwandten zuschrieb.

      »Der Pfarrer wollte das Opfer christlich bestatten«, fuhr er fort, »doch die erregte, abergläubische Gemeinde ließ es nicht zu, und die Leiche mußte an der Kirchhofecke bei Vagabunden und Selbstmördern eingescharrt werden. Ich will hoffen, daß die Nähe seines Schatzes dem unglücklichen Märtyrer nie den Schlummer gestört hat, wie wir es uns einst in kindischer Einbildung vorstellten. Denn solltet Ihr nach dem allem zweifeln, daß der so grausam Erschlagene wirklich Euer edler Verwandter war, so habe ich aus den Händen des Pfarrers den einzigen Wertgegenstand des Toten, seinen Siegelring, erhalten, der die eckigen Querbalken Eures Wappens trägt und der, wie ich gewiß bin, alle Zweifel beseitigen wird.

      Nun werdet Ihr fragen, wie es kommt, daß ein so schweres Verbrechen keinen Richter fand in schwäbischen Landen. Aber, Herr, es herrschte damals wegen des Städtekriegs, der besonders in den östlichen Gauen raste, ein trauriger, rechtloser Zustand, bei dem auch das Leben der Landeskinder keinen Heller galt; wer hätte da um einen erschlagenen, namenlosen Fremdling viel Aufhebens gemacht. Mein Vater kehrte aus der städtischen Fehde nur als Leiche zurück, die Vormünder kümmerten sich nicht um die Gerichtsbarkeit, und jetzt ist die Übeltat verjährt; wie sollte man nach so langer Zeit noch die Schuldigen ausfindig machen?

      Aber ich brauche Euch nicht zu sagen, wie mir das Geschick des unglücklichen Mannes zu Herzen geht und wie es mich drängt, die schwere Missetat, die auf meinem Grund und Boden begangen worden ist, zu sühnen. Der Pfarrer ist unterdessen angewiesen, täglich eine Messe für die Seele des Ermordeten zu lesen, und wenn ich zurück sein werde, soll es meine erste Aufgabe sein, dem edlen Märtyrer, den ich alsdann meinen Oheim nennen darf, eine würdige Ruhestätte zu bereiten. Eine Kapelle soll sich an dem Ort erheben, wo die gräßliche Tat geschah, und ich will mit meinem jungen Weibe täglich an der Gruft des Ermordeten beten.«

      Hier machte der Junker abermals eine Pause, denn von dem langen Ritt und dem vielen Sprechen klebte ihm die Zunge am Gaumen.

      Marcantonio hatte den Bericht bald mit entsetzten, bald mit bedauernden Gesten begleitet, innerlich aber zollte er dem Los seines Anverwandten wenig Teilnahme, denn ihm selber stand das Wasser jetzt am Halse. Doch trotz seiner Angst und Wut vergaß er die Pflichten des Wirtes und die sprichwörtliche florentinische Artigkeit nicht.

      Er ließ sich mit dem späten Gast unter einem bunten Sommerdach nieder und schickte den in der Ferne wartenden Lucius nach Erfrischungen aus, mit dem nachdrücklichen Gebot, die Schläfer nicht zu stören, denn er möge es dem alten Herrn wohl gönnen, daß er für heute wenigstens von dieser gräßlichen Geschichte nichts mehr erfahre.

      Der Junker begann mit gedämpfter Stimme aufs neue: »Nun war ein Teil meiner Sendung erfüllt, aber der zweite, schwierigere lag noch vor mir: die Wiedererlangung des Kodex. Solltet Ihr es glauben, Herr, daß niemand, nicht einmal der Pfarrer, mir den Namen jenes Mönches angeben konnte, der damals auf Schloß Stauffeneck geherbergt hatte und wahrscheinlich durch die Erzählung des Pfarrers veranlaßt worden war, sich das Manuskript von meiner Mutter auszubitten. Auf Stauffeneck kannte man ihn nur unter dem Namen Bruder Einhand, denn der Mönch war früher kaiserlicher Dienstmann gewesen und hatte bei einem Treffen seine linke Hand eingebüßt. Wie ich dennoch seinen wahren Namen und jetzigen Aufenthalt erkundete, das, Herr Marcantonio, ist eine viel zu lange Geschichte, als daß ich Euch noch heute nacht damit ermüden dürfte. Es genüge, zu sagen, daß ich vor acht Tagen der Schwarzen Muttergottes von Einsiedeln meine Aufwartung machte, bei der ich gewiß sein durfte, meinen Mann zu finden. Ich täuschte mich nicht, aber der Einhändige hatte die Frechheit, den Empfang des Kodex zu leugnen, und erst da ich ihn hart in die Enge trieb, bekannte er, die Handschrift schon vor etlichen Jahren an einen italienischen Bücheragenten verkauft zu haben.

      Zu meiner Schande muß ich bekennen, daß mich bei diesem abermaligen Zusammensturz meiner Hoffnungen die christliche Geduld völlig verließ, und es wäre fast zu einem Bruch des Klosterfriedens gekommen, denn ich schüttelte den Kuttenmann derb und ließ erst ab von ihm, als er mir den wehrlosen Stummel seiner Linken entgegenstreckte. Doch meine Fäuste hatten das Pfäfflein mürbe gemacht, es fragte jetzt kleinlaut, ob ich, da die Urschrift doch nicht mehr zu haben sei, mich mit einer sauberen, wortgetreuen Kopie zufrieden geben wolle, für die eine Entschädigung an das Kloster zu entrichten wäre. Ihr könnt Euch denken, wie begierig СКАЧАТЬ