Kraniche über Otterndorf. Hedi Hummel
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Название: Kraniche über Otterndorf

Автор: Hedi Hummel

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783827183996

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СКАЧАТЬ vorgestellt, sie waren doch keine Profitruppe, sondern ein zusammengewürfeltes Grüppchen der Volkshochschule. Und Britta Peters, die den Kurs leitete, war keine Pariser Ballett-Choreografin, sondern hatte gerade erst ihr Studium beendet, dafür aber höchst eigenwillige Vorstellungen.

      „Entschuldigt“, kehrte Britta auf den Boden der Tatsachen zurück, „ich weiß, dass ich euch zu sehr trieze, aber ich habe die gesamte Vorstellung schon genau im Kopf und sehe alles vor mir ablaufen, und das sieht irgendwie anders aus.“

      „Ja, aber es soll doch auch Spaß machen“, verteidigte sich Heiner und schaute Beifall heischend in die Runde. Manche nickten ihm zu, aber Henriette brachte es auf den Punkt: „Du hast bestimmt ein tolles Stück entworfen, aber irgendwie verzettelst du dich beim Erklären. Du gibst uns ein Bild und wir versuchen es umzusetzen, und schon kommt das nächste und das nächste.“

      Ernüchtert schaute Britta zu ihren Mitstreitern auf der Bühne: „Ein bisschen liegt es auch daran, dass wir noch ein paar zusätzliche Mitwirkende brauchen könnten. So will ich zu viel in eine Person legen. Okay – lasst uns noch mal ganz neu anfangen – bitte?“

      Einer nach dem anderen stieg zu ihr herunter, Henriette legte den Arm um ihre Schultern: „Klar machen wir das. Wir wollen doch schließlich gewinnen“, und sie schaute aufmüpfig die anderen an, „oder?“ Zustimmung kam von allen Seiten. Denn keiner hatte Lust, Britta ernsthaft anzugreifen, da sie eine dieser Frauen war, die beinahe jeder mochte: sympathisch, offen, freundlich.

      Heute zur Probe hatte sie ihre langen, braunen Haare mit einer blauen Schleife zu einem flotten Zopf zurückgebunden, der sie noch sportlicher aussehen ließ als sonst. Und energisch – denn sie wusste, was sie wollte, ohne die anderen damit zu überfahren. Ein bisschen übereifrig war sie allerdings, gerade bei Dingen, an denen ihr Herz hing. Denn natürlich wollte auch sie gewinnen.

      Die Otterndorfer Kranichhaus-Gesellschaft hatte zum bevorstehenden Jubiläum ihres 60-jährigen Bestehens einen Wettbewerb ausgeschrieben: Gruppen und Einzelpersonen sollten einen künstlerischen Beitrag zu einem Thema rund um das Kranichhaus leisten. Und Britta Peters hatte sich eine Choreografie ausgedacht, die nun wirklich zu dem Barockhaus passte: Der Tanz des Kranichs.

      Es war ihr vor Kurzem eingefallen, als sie in Hamburg im Theater eine Szene aus „Schwanensee“ gesehen hatte. Plötzlich nahmen die herrlichen Balzgebärden der Kraniche vor ihren Augen Gestalt an, und die Idee war geboren. Das gab dann auch den Ausschlag, gänzlich in das Otterndorfer Haus ihrer Tante Beatrice zu ziehen. Bisher hatte sie in einer kleinen Studentenwohnung in Hamburg gewohnt, die sie jetzt aufgab. Beatrice Peters war nach Cuxhaven gezogen und kümmerte sich wieder mehr um die Führung ihrer Firma „Globus“. Sie war auf dem besten Weg, wieder zu der knallharten Geschäftsfrau zu werden, die sie gewesen war, bevor sie die Liebe für sich entdeckte. Doch sie hatte ihre große Liebe verloren, und dem schalen Beigeschmack des Verschmähtwerdens konnte sie bisher noch nichts anderes entgegensetzen.

      Überraschenderweise fühlte sich Britta in dem großen Haus wohl, in dem sie glückliche Kindheitsjahre verbracht hatte. Obwohl doch ihr Vater dort …

      Unsanft wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Auch alle anderen schauten erschrocken auf, als der Hausmeister plötzlich in die Halle stürzte. Aufgeregt berichtete er von dem grausigen Mord, der in der Nacht davor entdeckt worden war. Obwohl ihr Treffen noch gar nicht so lange dauerte, hatte keiner mehr Lust, weiter zu proben.

      *

      Eine Fremde kommt an einen neuen Ort, und ein Mord geschieht, überlegte Britta. So war es vor einiger Zeit der Urlauberin Rita Sieversen in Cuxhaven ergangen. War Britta etwa die Nächste, die das erleben musste? Aber so fremd war sie ja schließlich gar nicht. Voller Entsetzen stellte sie fest, wie sehr sie es immer wieder verdrängte, dass der Ermordete in Cuxhaven am Galgenberg ihr eigener Vater gewesen war. Immer von Neuem schob sie diese Tatsache weit von sich, und es funktionierte deshalb so gut, weil sie ihren Vater jahrelang nicht gesehen hatte, bevor der Mord passierte. Sie hatte sich immer nur vorgestellt, er lebt da in Otterndorf mit seiner Schwester Bea, hat bestimmt tausend Geliebte und braucht uns ja offensichtlich überhaupt nicht. Nach der Trennung der Eltern hielt sie zu ihrer Mutter und lebte auch bei ihr. Zu ihrem Vater hatte sie ein zwiespältiges Verhältnis und ihn nur selten auf sein Drängen hin getroffen. Sie gab ihm die Schuld am Unglück ihrer Mutter. Doch im tiefsten Inneren hatte sie sich immer nach ihm gesehnt und ihn schmerzlich vermisst. Nie hatte sie sich ganz gefühlt. Aber dieser Schmerz war dick in Watte verpackt, sodass sie ihn zwar wahrnahm, aber nicht darunter litt, als betreffe er sie gar nicht. Doch sein Tod hatte die Wunde wieder aufgerissen und sie tief erschüttert. Und sofort setzte das schlechte Gewissen ein, ihm nie mehr eine wirkliche Chance gegeben zu haben. Ihre Mutter war fassungslos, dass sie überhaupt mit dem Gedanken spielte, in das Haus ziehen zu wollen, das er der Tochter vererbt hatte. Und zunächst konnte Britta es sich auch nicht vorstellen. Doch als sie das Wohnhaus nach so vielen Jahren wieder betrat – zum Glück in Begleitung ihrer Tante Bea –, spürte sie, dass sie hierhergehörte, dass sie sich konfrontieren wollte und musste. Zudem liebte sie Otterndorf, genauso wie Cuxhaven, eigentlich die gesamte Nordseeregion.

      Sie war auf dem Weg nach Hause und konnte sich nicht von den Bildern lösen, die nach den Schilderungen des grausamen Mordes in ihrem Kopf entstanden waren.

      Das Piepen ihres Handys erinnerte sie daran, dass sie die Sprachnachricht immer noch nicht abgehört hatte. Eine Angestellte der Volkshochschule teilte ihr mit, dass sich auf die Annonce der VHS hin noch drei weitere Leute gemeldet hatten.

      „Was“, rief Britta aus. Damit hatte sie nicht mehr gerechnet. Denn die Ballett-Szenen, die sie sich ausgemalt hatte, waren ohne zusätzliche Mitwirkende kaum zu realisieren.

      Sofort sprach sie wiederum eine Nachricht auf den AB der VHS: „Danke für die tolle Neuigkeit! Wenn Sie so nett wären, teilen Sie den Interessenten doch auch die neue Adresse mit, die ich angegeben habe. Zudem haben wir uns einstimmig entschieden, die Proben auf abends zu verlegen, das können sich die Leute eher einrichten. Ich hoffe, das ist für Sie okay? Der nächste Treffpunkt wäre dann Dienstag um 19 Uhr. Vielen Dank für Ihre Mühe. Ich freu mich sehr.“

      Die Euphorie kehrte zurück. Der Dämpfer, den ihr ihre Mitstreiter gerade verpasst hatten, löste sich in Luft auf. Mit drei weiteren Leuten werden wir es schaffen. Und plötzlich strahlte sie übers ganze Gesicht, und ihr Schritt beschleunigte sich von ganz allein. Sie wollte nichts als nach Hause und ihre Choreografie neu ausarbeiten. Dennoch hatte sie das seltsame Gefühl, als verfolge sie jemand, sie drehte sich mehrmals um, aber sie sah niemanden.

      *

      Kommissar Frank und seine Kollegin Libuše standen ratlos in der Marktstraße in Otterndorf. Keine Spur mehr von dem gelben Papier weit und breit.

      Libuše fragte vorsichtig: „Und du bist dir ganz sicher, dass da Papier-Schnipsel gelegen haben?“ Es klang ungläubig.

      Hartmut nickte: „Keine Papier-Schnipsel, so eine Art Papier-Stern. Auch wenn ich etwas getrunken hatte, glaub mir, er lag dort!“

      Libuše rief noch einmal die Spurensicherung an. Und Hartmut inspizierte die hohen grauen Papierkörbe in der Nähe, und zwar richtig. Er leerte die Behälter aufs Trottoir und kramte hemdsärmelig im Müll herum.

      „Pah, was stinkt das“, machte Hartmut doch seinem Unmut Luft. Denn am Wochenende sammelte sich eine riesige Menge Unrat an. Aber – beim zweiten Papierkorb hatte er Glück. Da war es! Er fischte ein gelbes Papierknäuel heraus. „Ich hab’s!“

      Schon war Libuše zur Stelle. „Na, das hat ja keine so richtige Form mehr“, meinte sie skeptisch.

      „Doch, siehst du das nicht“, ereiferte sich Hartmut, „es erinnert СКАЧАТЬ