Название: Ich liebe die Frau, die ich bin
Автор: Linda Jarosch
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783736503434
isbn:
Was man Maria Magdalena und vielen anderen Frauen durch die Entwertung des Weiblichen angetan hat, hat sich als erfahrenes Unrecht in sie eingeprägt. Aber es hat sich auch die Sehnsucht Maria Magdalenas eingeprägt, auf dieses Unrecht anders zu antworten als nur durch Kränkung. Aus dieser Sehnsucht heraus haben schon viele Frauen eine besondere Stärke entwickelt. Sie haben gerade aus der Erfahrung von Unrecht etwas Entscheidendes für sich und für die Gesellschaft vorangebracht.
Das können wir heute auch, denn je wertschätzender und freundlicher wir auf uns schauen, desto unabhängiger werden wir von äußeren Einflüssen und Autoritäten, desto gereifter sind wir in der Fähigkeit, herzlich und liebevoll mit uns umzugehen und das nach außen weiterzugeben. Zugleich bleibt es auch das Erbe und die Aufgabe der heutigen Männer, aus ihrer Prägung überhöhter Männlichkeit herauszuwachsen und im Miteinander etwas Gleichwertiges zu formen, was auch immer häufiger geschieht.
Das Unfreie in uns
Von Maria Magdalena wird in der Bibel erzählt, dass sie von sieben Dämonen besessen war. Das Wort »Dämonen« gebrauchen wir heute kaum noch. Was also könnte das für uns heute meinen? Es sind diese inneren Mächte, die Befreiung in uns behindern. Von Dämonen sprechen wir, wenn wir innerlich von etwas besetzt oder wie gefangen sind. Es können unsere Ängste sein, alleingelassen oder ungeliebt zu sein. Dämonen können unsere Komplexe sein, etwas nicht gut genug zu können oder nicht zu sein wie andere, oder unsere Verletzungen, die uns dazu bringen, unser Herz zu verschließen, um nicht wieder verletzt zu werden. Und es können unsere Überforderungen sein, wenn wir vielleicht schon als Kind Verhaltensweisen zeigen mussten wie eine Erwachsene. Dann besteht die Gefahr, dass wir heute wieder in überfordernde Situationen geraten. Dämonen können unsere Schuldgefühle oder Depressionen sein, die uns besetzen und niederdrücken. Vielleicht sind wir aber auch besessen von Ehrgeiz, von Neid, getrieben von Leistung, von Macht und Sehnsucht nach Ansehen oder Perfektion.
Dämonen kommen aus unserer Vergangenheit. Es sind die Erinnerungen an Situationen, die uns einmal geschmerzt haben. Wenn wir heute in eine ähnliche Situation geraten, reagieren wir darauf meist wie damals als Kind. Wir fühlen uns vielleicht wieder ohnmächtig, sind verletzt oder ziehen uns zurück und trauen uns nicht mehr, unsere Bedürfnisse zu äußern.
Erinnerungen an vergangene Erlebnisse können uns bis heute so besetzt halten, dass wir nicht frei sind, wie eine Erwachsene zu handeln. Wir sind dann noch in einer Kinderangst gefangen und können nicht Ja oder Nein sagen, nicht für uns einstehen oder uns durchsetzen. Oft tragen wir auch Sätze aus der Vergangenheit in uns, die uns immer noch gefangen halten.
In meinem Seminar zu Maria Magdalena haben Frauen einmal solche Sätze aufgeschrieben, die sie aus ihrer Geschichte in sich tragen. Hier einige Beispiele:
»Ich bin nicht gut genug.«
»Ich bin immer an allem schuld.«
»Sei nicht so faul.«
»Was sagen die anderen?«
»Du bist mir zu viel.«
»Sei perfekt, sonst bist du dumm.«
»Das steht dir nicht zu.«
Wir alle kennen ähnliche Sätze. Sie wirken oft bis heute und können uns unfrei machen, so zu sein, wie wir sind. Das spüren wir, wenn wir uns einmal fragen: »Was hat dieser Satz mit mir gemacht? Wie besetzt war ich davon oder bin es noch?«
Hinter einem Dämon steht die Grundangst, nicht genug geliebt zu sein, für andere nicht genug wert zu sein. Wenn uns diese Angst gefangen hält, dann neigen wir dazu, es allen recht machen zu wollen und uns nach den Erwartungen anderer zu richten. Wir trauen uns nicht mehr zu fühlen, was wir eigentlich fühlen, nicht zu sagen, was wir sagen wollen, nicht so zu leben, wie wir wirklich leben wollen, weil wir in der Angst gefangen sind, von anderen dann nicht genug geliebt zu sein.
Was wir durch Eltern oder Erzieher erfahren haben, sind Formen menschlicher Angst. Sie zeigten sich uns meist in Zeichen von Lieblosigkeit, in unbarmherziger Strenge oder auch im Nicht-Wahrgenommen-Sein, wer wir sind und was wir fühlen. Wenn Eltern selbst nicht zum Leben kommen konnten, weil sie in eigenen Ängsten gefangen waren, konnten sie auch uns nicht zum Leben kommen lassen. Wir versuchten notgedrungen, das Lebendige in uns zu unterdrücken, weil wir als Kind auf ihre Liebe angewiesen waren. Je stärker wir das unterdrücken mussten, desto stärker konnte sich auch unser Komplex oder unsere Angst entwickeln. Sie haben sich in unserem Denken und Handeln oft so festgesetzt, dass sie uns auch heute noch unfrei halten.
Wenn Maria Magdalena von sieben solcher Ängste und Komplexe besetzt war, dann muss es ihr schlecht gegangen sein. Sie muss sich fremd geworden sein und nicht mehr gewusst haben, wer sie eigentlich ist. Es kann auf Dauer auch krank machen, sich hin- und hergerissen zu fühlen zwischen dem, was andere wollen, und dem, was man selbst will. Es ist eine der schlimmsten Ängste, die eigene Identität zu verlieren und keinen Mittelpunkt mehr zu haben, aus dem heraus man für sich entscheidet. Die Angst vor der eigenen Selbstständigkeit kann so groß sein, dass man lieber die Abhängigkeit wählt als die Selbstbestimmtheit. Es bleiben in einem dabei eine tiefe Unsicherheit und das Gefühl, schwach zu sein.
Nicht immer sind uns die eigenen unfreien Seiten bewusst. Wir wundern uns vielleicht, warum wir uns in bestimmten Bereichen nicht wohl mit uns fühlen oder nehmen manche Leiden einfach hin. Oft haben wir uns auch gewisse Haltungen angewöhnt, die uns normal vorkommen, und wir merken nicht, welche Macht dabei noch aus der Vergangenheit in uns wirkt. Der Einfluss früherer Erfahrungen kann sich unterschiedlich ausdrücken.
Die Gekränkte
»Ich bin nicht wichtig«, kann die Gekränkte als frühere Erfahrung verinnerlicht haben. Sie hat Zurückweisung oder Verlassenheit erlebt oder ist nicht wahrgenommen worden. Später wird sie vermutlich wieder mit Menschen in Beziehung kommen, die ihr die alten Erfahrungen bestätigen. Sie erfährt vielleicht wieder Zurückweisung oder Übersehenwerden, und das verletzt erneut ihr Selbstwertgefühl. Es kann auch schon ein harmloses Wort, ein bestimmter Blick oder eine unterlassene Geste zur erneuten Kränkung führen. Als Reaktion darauf wählt die Gekränkte oft das Beleidigtsein. Sie spricht mit dem Betreffenden kaum noch ein Wort, wird vielleicht patzig oder zieht sich ganz zurück. Sie lässt den anderen deutlich spüren, was er ihr Schlimmes angetan hat. Nur – sie sagt nichts! Ihre stumme Vorwurfshaltung soll dem anderen zeigen: »Du bist schuld, dass ich leide.« Diese Haltung kann zur Machtform werden, denn der Kontaktabbruch soll für den anderen wie eine Strafe sein. Der andere ist dann leicht geneigt, die Schuld auf sich zu nehmen, nur um wieder in Kontakt zu kommen.
Auch in der Mutter-Tochter-Beziehung zeigt sich heute immer häufiger die Haltung des Gekränktseins, in der eine von beiden die Beziehung abbricht. Für beide bedeutet es Leiden, weil eine für Frauen wichtige Beziehung der Kränkung geopfert wird. Oft sind Erwartungen nicht erfüllt worden oder gegenseitige Vorwürfe haben einen schwelenden Konflikt verschärft. Wenn dann eine ganz aus der Beziehung aussteigt, kann keine reife Form der Lösung gefunden werden.
Die Gekränkte fühlt sich oft ohnmächtig, sich mit Worten gegen ein unachtsames Verhalten anderer zu wehren. Sie spürt meist nicht den Wert in sich, die Situation für sie selbst zu verbessern. Das Leiden an der Kränkung kann ihr vertrauter sein als das Einstehen für sich. In ihrem Ohnmachtsgefühl kann sie auch СКАЧАТЬ