Leopold Figl. Birgit Mosser-Schuöcker
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Название: Leopold Figl

Автор: Birgit Mosser-Schuöcker

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783902998651

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СКАЧАТЬ Tullnerfeld, wo seine Mutter gemeinsam mit den acht Geschwistern einen ansehnlichen Hof bewirtschaftet. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts ist die Familie Figl im Tullnerfeld ansässig. »Seit Anno Domini 1752 sitzen wir Figl auf dem Bauernhaus Nr. 37 in Rust, Bezirk Tulln. Dass es immer so bleibe, das walte Gott!«, kann man im »Goldenen Ehrenbuch der niederösterreichischen Bauernschaft« nachlesen. Leopold Figl ist stolz auf seine traditionsreiche Familie. Das Gemälde des 1702 geborenen Balthasar Figl und seiner Gattin Juliane wird auch in der »Kanzler-Wohnung« in der Peter-Jordan-Straße im 19. Bezirk hängen. Balthasar hält den sogenannten Roßstock in der Hand, das Zeichen des freien Bauern.

      Genau 200 Jahre nach ihm kommt Leopold Figl zur Welt. Als er zwölf Jahre alt ist, stirbt sein Vater im Alter von 44 Jahren. Die Mutter, die »Figlin«, wie sie im Ort respektvoll genannt wird, ist eine Frau, die Gehorsam einfordert. Eine Witwe mit neun Kindern, die im Jahr, als der Erste Weltkrieg ausbricht, plötzlich auf sich allein gestellt ist, muss sich durchsetzen können. Josefa Figl führt ein Leben, dessen Belastungen man heute kaum nachempfinden kann: Sie muss mit dem plötzlichen Verlust des Familienoberhauptes fertigwerden, bringt neun Kinder durch den Krieg und führt einen großen Hof. Für Zärtlichkeiten oder Freizeit mit den Kindern bleibt kaum Zeit.

      Der Alltag des kleinen Poldl wird vor allem durch Pflichten bestimmt: Lernen für die Schule, Arbeit auf dem Feld oder auf dem Hof, Kirchgänge. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – das gilt zu dieser Zeit auch für Kinder. Leopold ist ein aufgeweckter kleiner Bursche. Nach sechs Jahren Volksschule rät der Pfarrer, den Poldl aufs Gymnasium nach St. Pölten zu schicken. Vermutlich denkt er an eine Karriere als Seelsorger. Eigentlich ist Leopolds älterer Bruder Josef als »Studierter« vorgesehen: Er besucht die Bürgerschule in Neulengbach. Schließlich folgt die Mutter dem geistlichen Ratschlag, und der schmächtige 13-Jährige wird aufs Gymnasium geschickt. Josef muss wieder nach Hause kommen; zwei Söhne kann Josefa Figl auf dem Hof nicht entbehren.

      1915, als Leopold Figl seine Gymnasiallaufbahn startet, befindet sich die Monarchie im zweiten Kriegsjahr. Die Köpfe der Buben sind voll von Propaganda und heldenhaften Geschichten über Schlachten und Siege. So geht auch der 13-jährige Ruster mit dem Gedanken an eine militärische Laufbahn in die Stadt: »Es war ja Krieg, und da hat man gesagt: mach das Gymnasium, dann kannst du nachher gleich Leutnant werden. Mit dieser Begeisterung bin ich nach St. Pölten gegangen.«1

      Trotz der räumlichen Trennung bleibt der Gymnasiast seiner Familie eng verbunden: Wann immer es Geld und Zeit zulassen, fährt er nach Hause und hilft selbstverständlich bei allen Arbeiten auf dem Hof mit. Erst danach ist Zeit für Radtouren oder Turnen. Die starke Beziehung zu seinen Geschwistern und vor allem zur Mutter wird Leopold Figl auch später aufrechterhalten. Das Wort von Josefa Figl hat auch für den Bundeskanzler der Republik Österreich noch Gewicht. Wenn Leopold Figl einen Rat braucht, fährt er nach Rust und vertraut der Meinung jener Frau, die ihm und seinen acht Geschwistern trotz Krieg und Krisen eine behütete Kindheit ermöglicht hat.

      Ein Traum wird wahr: Juni 1926

      Der junge Mann hat es eilig. Ausgerechnet heute hat der Ringwagen Verspätung gehabt; aus der kalkulierten halben Stunde vom 1. Bezirk in die Josefstadt sind 40 Minuten geworden. Leopold Figl beschleunigt seine Schritte. Gerade er, sicherlich einer der jüngsten Gäste, darf nicht zu spät kommen. Heute wird im Gasthaus „Grünes Tor“ in der Lerchenfelder Straße die Gründung des Niederösterreichischen Bauernbundes vor 20 Jahren gefeiert.

      Da war ich noch nicht einmal in der Schule, überlegt der Bauernsohn kurz. Umso mehr freut es den Studenten, dass die Honoratioren an ihn gedacht haben.

      Sogar eine Rede soll er halten, als Vertreter der Jugend sozusagen. Leopold Figl hat sich viel Mühe mit der Vorbereitung gegeben, auf seiner Bude im Studentenheim daran gefeilt und sie eingeübt. Die Herren sollen einen guten Eindruck von ihm haben.

      Josef Stöckler, der Obmann des Niederösterreichischen Bauernbundes, ist ein beeindruckender Mann. Der 24-jährige Figl kennt den Bauernpolitiker schon seit er ein kleiner Bub war. Als der Vater noch gelebt hat, ist Stöckler hin und wieder auf den Hof gekommen, um ein Pferd zu kaufen. Ein großer Mann mit buschigem Schnurrbart und ordentlich gezogenem Scheitel, der mit dem Vater wichtige Dinge besprach. Der kleine Poldl wich ihnen nicht von der Seite und versuchte zu verstehen, was die Erwachsenen besprachen. Heute wird er selbst sprechen, und der Bauernbundobmann wird ihm, dem Studenten, zuhören.

      Wenige Meter vor dem Lokal bleibt der junge Mann stehen, richtet sich den grünen Kragen seines Trachtenanzuges zurecht und streicht sich ordnend durch die Haare. So viel Zeit muss sein. Die Tür des Gasthauses steht offen, Stimmengemurmel dringt auf die Straße. Viele Bauern haben die Gelegenheit zu einer Fahrt in ihre Landeshauptstadt genutzt. Als sich Leopold Figl einen Weg durch den Saal bahnt, sieht er nicht wenige bekannte Gesichter. „Servas, Poldl!“, grüßt ein entfernter Verwandter und klopft ihm väterlich auf die Schulter. Andere nicken ihm freundlich zu. Der Poldl ist beliebt bei den Älteren, er gilt als fleißig und hilfsbereit. Aus dem Buben wird einmal etwas werden, da ist man sicher.

      Als sich der Student der Festtafel nähert, bemerkt er, dass der Bundeskanzler neben dem Bauernbundobmann sitzt. Nervosität steigt in ihm auf. Mit der Anwesenheit des Prälaten hat Leopold Figl nicht gerechnet. Ignaz Seipl ist eine respekteinflößende Erscheinung: Kahlköpfig, immer dunkel gekleidet, wirft er durch eine randlose Brille strenge Blicke auf seine Mitmenschen. Sein Urteil kann vernichten.

      Der Agrarstudent atmet tief durch. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Er grüßt die hohen Herren höflich und nimmt Platz. Leopold Figl wird seine Rede halten. Er wird den Eltern keine Schande machen, das hat er sich fest vorgenommen.

      Die Rede des 24-Jährigen findet Anklang. Sie gefällt so gut, dass der junge Ruster eingeladen wird, mit den Älteren zu Mittag zu essen. Man erkundigt sich, wie lange Figl noch für sein Studium brauchen werde. »Eineinhalb Jahre«, antwortet der Student. »Du musst Bauernbundsekretär werden!«, heißt es. Leopold Figl hat einmal selbst über den Beginn seines Politikerlebens erzählt: »Na, und ich bin dagesessen mit geschwellter Brust, und ich habe die vielen Verwandten und Freunde aus der Heimat gesehen, die alle applaudierten und sich freuten, dass der Bua doch was kann und nun mit den großen Politikern beim Mittagessen sitzen durfte. Und ich hab gesagt: ›Gut, ich werde mich hineinknien und sehr fleißig studieren.‹«2

      Ein Jahr später, die Staatsprüfung ist mittlerweile abgelegt, meldet sich der Direktor des Niederösterreichischen Bauernbundes, Josef Sturm, bei Figl und überredet ihn zu einer zweiwöchigen Vertretungsarbeit im verwaisten Büro. Nach seiner Rückkehr will der Direktor nichts davon hören, dass Figl wieder studieren geht. Doch der junge Mann zögert. Er will kein »verbummelter« Student sein.

      Dollfuß, der seine Karriere ebenfalls als Bauernbundsekretär begonnen hat, rät ihm abends im Studentenheim zu: »Da schau, jetzt brauch ma an Sekretär, und des muaßt bleiben. Ob du dein Diplom morgen machst oder übermorgen, is wurscht!«3 Engelbert Dollfuß und Leopold Figl ahnen bei diesem abendlichen Gespräch nicht, dass sie es beide zum Bundeskanzler bringen werden. Sie werden das kollektive Gedächtnis der Österreicher prägen, jedoch auf völlig unterschiedliche Weise: Dollfuß, der autoritäre Kanzler des Ständestaates, der 1934 im sogenannten Juliputsch von Nationalsozialisten ermordet wird, und Leopold Figl, der den Österreichern 1945 Hoffnung und 1955 den lang ersehnten Staatsvertrag geben kann.

      Jedenfalls nimmt Leopold Figl den Rat des zehn Jahre Älteren an, wird Bauernbund-Sekretär und 1931 stellvertretender Bauernbunddirektor. Zuerst beendet er noch – mit Hilfe eines vierteljährigen Urlaubs – sein Studium.

      Als Student der Universität für Bodenkultur wohnt er, wie könnte es anders sein, in einem katholischen Studentenheim in der Habsburgergasse. Es wird vom späteren Kardinal Innitzer geleitet. Viel Zeit verbringt der junge Figl auch auf der Bude der Cartellverband-Verbindung »Norica« in der Schwarzspanierstraße. СКАЧАТЬ