Die unvollendete Geliebte. Elisabeth-Joe Harriet
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Название: Die unvollendete Geliebte

Автор: Elisabeth-Joe Harriet

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783902998682

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СКАЧАТЬ ab 1855 einer der beliebtesten Luftkurorte für Lungenleiden des Habsburgerreiches geworden. Besonders nachdem Kaiserin Elisabeth mit ihren Töchtern Gisela und Marie Valerie im Oktober 1870 den Winter im Schloss Trauttmannsdorf verbracht hatte, war der Aufstieg zur vom Adel und Großbürgertum gleichermaßen geschätzten Touristenhochburg nicht mehr aufzuhalten.

      Hier in Meran, an Schnitzlers erstem Tag in dem Kurort, Ende März 1886, kreuzten sich seine und Olgas Wege wieder. Was aber führte Arthur Schnitzler nach Meran? Anfang September 1885 begann der junge Arzt seine Zeit als Aspirant, zunächst auf der von dem Wagner-Enthusiasten Primarius Standthartner geleiteten Internen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses, wo er den Vormittag mit dem Studieren und Ergänzen von Krankenberichten verbrachte. Mangels weiterer Tätigkeiten suchte er recht bald das Kaffeehaus auf, um sich mittags in die von seinem Vater mitbegründete Poliklinik zu begeben, wo er bei dem Nervenpathologen Professor Benedikt hospitierte. Nachmittags begleitete er manchmal seinen Vater, den Laryngologen Johann Schnitzler, bei dessen Hausbesuchen oder vertrat ihn ab und an in seiner Privatordination. So blieb genügend Zeit für Freunde und Abenteuer mit diversen jungen Damen. Diese Phase nach seiner Promotion fasste Schnitzler treffend zusammen: »Vorerst hielt sich diese meine privatärztliche Tätigkeit natürlich in den engsten Grenzen, und genau genommen führte ich eigentlich mein Studentenleben weiter – ein junger Mann aus gutem Hause, der ein paar Stunden des Tags in Spital und Poliklinik oder auch im Laboratorium für pathologische Histologie beschäftigt war, fleißig Theater, Konzerte und Gesellschaften besuchte, einen allzu großen Teil seiner freien Zeit im Kaffeehaus mit Freunden hinbrachte und immer nur von seinem Taschengeld lebte, mit dem er selbstverständlich niemals auskam …«

      Anfang des Jahres 1886 war an seiner linken Halsseite eine Lymphdrüse zur Größe einer Kinderfaust herangewachsen. Nachdem die von seinem Vater verordneten Jodpinselungen und Umschläge keinen Erfolg zeitigten, begab sich Arthur Schnitzler Anfang März zu einem befreundeten Chirurgen, der bald zu der wenig erfreulichen Diagnose einer möglichen Tuberkulose kam. Wahrscheinlich hatte sich der junge Arzt im Allgemeinen Krankenhaus angesteckt, sollte sofort seine Arbeit im Spital einstellen, Diät halten, einen geordneten Lebenswandel führen und schnellstmöglich einen mehrwöchigen Aufenthalt im Süden antreten.

      Die Volkskrankheit Tuberkulose, die wegen ihrer Häufigkeit gerade im österreichischen Raum den Beinamen »Wiener Krankheit« hatte, war bis in die 1880er-Jahre unter den Namen Skrofulose, Phthise oder Schwindsucht bekannt. Prähistorische Funde haben gezeigt, dass die Tuberkulose als endemisch auftretende Krankheit stets ein treuer Begleiter der Menschheit war. Die Unwissenheit über die Entstehung und Verbreitung der Krankheit führte zu drastischen Maßnahmen bis hin zur Vertreibung der Kranken aus der Gemeinschaft. Die Krankheit breitete sich trotzdem ungehindert weiter aus.

      Laut Statistik waren in Wien 20 bis 25% aller Todefälle zwischen dem 18. Jahrhundert und dem Ende des Ersten Weltkrieges auf Tuberkulose zurückzuführen. Bis zum Jahre 1884 war die Tuberkulose in den medizinischen Statistiken der Stadt Wien in der Rubrik »Miasmatische Erkrankungen« zu finden, verursacht durch schlechte Luft. Selbst die Endeckung des Tuberkel-Bazillus durch den Arzt und Forscher Robert Koch führte nicht sogleich zur Revidierung der ärztlichen Meinungen. Noch im Jahre 1883 schrieb selbst Schnitzlers Vater, der damalige Vorstand der Laryngologischen Abteilung der Wiener Poliklinik, in der Wiener Medizinischen Presse, dass die Übertragung der Tuberkulose von einem Individuum auf das andere zu den seltensten Vorkommnissen gehöre.

      Auch wenn die Tuberkulose selbst wohlhabende Menschen mit einem geschwächten Immunsystem erkranken ließ, war sie hauptsächlich eine Krankheit der Armen, die ihren Nährboden in den dicht gedrängten Arbeiterwohnungen hatte. Bis ins Jahr 1937 besaßen trotz des bereits begonnenen sozialen Wohnungsbaus 75% der schwer Tuberkulösen keinen eigenen Schlafraum und 11% kein eigenes Bett.

      Ende März 1886 folgte Arthur Schnitzler dem ärztlichen Rat und trat die Reise in den Luftkurort Meran an, wo er gleich am ersten Tag Olga Waissnix auf der Promenade begegnet. Allerdings grüßt man sich nur kurz von der Ferne. Schnitzler erinnert sich daran, dass er im Sommer des Vorjahres am Thalhof das Gefühl hatte, der jungen Frau nicht sonderlich sympathisch gewesen zu sein. Er hatte sich auch darüber geärgert, dass sie eine seelische Ähnlichkeit mit dem leidigen Schriftstellerkollegen Peter Altenberg an ihm festgestellt hatte. Das Hotel, in dem er abgestiegen ist, behagt Schnitzler gar nicht, weswegen er sich – ohne zu wissen, dass auch Olga dort wohnt – im Hotel Tirolerhof einquartiert. Beim Abendessen sieht er die Thalhofwirtin wieder und wechselt ein paar unbedeutende Worte mit ihr. Olga und Arthur sitzen an der großen Tafel durch mehrere andere Gäste getrennt und haben keine weitere Gelegenheit zur Konversation. Wie auf Verabredung reisen im Laufe der Tage die zwischen ihnen sitzenden Damen und Herren ab, die beiden rücken immer näher zueinander und werden schließlich zu Tischnachbarn. Fügungen des Schicksals ergeben sich so von selbst als erstes Gesprächsthema. Olga stellt erneut fest, wie groß die innere Verwandtschaft zwischen Schnitzler und Altenberg sei, und dass sie ihm wohl deshalb gleich großes Vertrauen entgegenbringe. Im Laufe des Gespräches kommt das Thema Aberglaube auf und Schnitzler äußert seine Vorliebe für die Zahl 26, die einst ein Pferd trug, auf das er gewettet und dadurch einen beträchtlichen Betrag gewonnen hatte: »Ich drückte nun Frau Olga gegenüber mein Bedauern aus, daß ich hier im Gasthof nicht das Zimmer sechsundzwanzig bewohne, sondern Numero fünf. ›Und Sie, gnädige Frau?‹ – ›Einundzwanzig‹, erwiderte sie. – ›Einundzwanzig und fünf sind sechsundzwanzig‹, stellte ich fest, und so hatte uns das Schicksal neuerdings ein Zeichen gegeben. Wir sahen einander lange in die Augen und wußten plötzlich, wie wir zueinander standen.« Aus der anfänglichen Sympathie war Liebe geworden, die Zweisamkeit sucht.

      Die guten Sitten verbieten es, dass die frisch Verliebten für sich bleiben und gemeinsam etwas unternehmen. Auch weiß Olga, dass man ihr Zusammensein mit einem Mann ihrem Gatten und ihrem Vater sogleich hinterbracht hätte. Daher begnügen sich Olga und Arthur zunächst mit Spaziergängen in Gesellschaft des behäbigen Ehepaares Salcher und dessen magerer Töchter. Ein paar Tage vor Schnitzlers Abreise begibt sich diese kleine Gesellschaft zu einem Ausflug ins Naiftal. Olga und Arthur haben zwar kaum Gelegenheit, miteinander zu reden, »aber es war jenes Schweigen, in dem man sich nur immer näher zueinanderfindet und das wunderbarer und reiner in uns nachtönt, als Worte zu tun vermögen«. Am Abend tanzen sie kurz miteinander und genießen die körperliche Nähe. Nur von den Töchtern Salcher begleitet fahren sie am darauffolgenden Tag mit der Bahn nach Sigmundskron und steigen dort auf die gleichnamige Burg. Als die kühne Kletterin Olga dabei auf den Steinen einer Geröllhalde ausrutscht, fasst Arthur rasch ihre Hand und sie sagt etwas kokett: »Was wäre daran gelegen, wenn ich hinabgestürzt wäre?«. Bei der Bahnfahrt zurück nach Meran können die Liebenden ihre Blicke kaum mehr voneinander lösen. Und beim Abendessen, während die Schüsseln gereicht werden, flüstert ihm Olga zu: »Ich wollte, alles um uns sänke in die Erde und wir zwei blieben allein auf der Welt.« Der begeisterte Klavierspieler Schnitzler setzt sich nach dem Diner an den Flügel und fantasiert, natürlich nur für Olga, die ihm gegenübersitzt und mit Trauer im Herzen daran denkt, dass dieser Mann in Kürze abreisen und die sie so beglückenden Tage unwiderbringlich der Vergangenheit angehören werden.

      An diesem letzten schwülen Tag fordert Olga Arthur vormittags zu einem Spaziergang auf. Endlich sind sie allein, aber das Gespräch will nicht so recht in Gang kommen. Mit zu Boden gehefteten Augen stammelt sie schließlich: »Um eines wollte ich Sie bitten, kommen Sie nicht vor Herbst nach Reichenau!« Auf seine erstaunte Frage, warum sie das wünsche, erzählt sie ihm von ihrem ungeliebten, eifersüchtigen Ehemann und der Szene, die er ihr wegen Altenbergs Verehrung vor drei Jahren gemacht hat. Sie will aus Angst vor ihrem unbeherrschten Mann unbedingt den häuslichen Frieden bewahren. Mit bebender Stimme ihm ihre Hand entgegenstreckend, sagt sie: »Ich möchte Ihnen also meine Freundschaft anbieten, – anderes als Freundin kann ich Ihnen ja nicht sein. Eine metaphysische Freundschaft sozusagen. In jedem Schmerz, in jeder Freude sollen Sie denken: Es ist eine da, die mit Ihnen sich freut, mit Ihnen leidet. Wollen Sie diese Freundschaft annehmen?« Und Arthur küsst, als wäre er einverstanden, inbrünstig ihre kühle weiße Hand.

      Für den Nachmittag desselben Tages verabreden СКАЧАТЬ