Название: Das gibt's nur bei uns
Автор: Georg Markus
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783903217201
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»Habedjehre, Herr Hofrat«: Österreich und seine Titel
Apropos Kammersänger. Hierzulande können an die neunhundert Berufs-, Amts-, akademische und sonstige Titel verliehen werden. So viele gibt’s tatsächlich nur bei uns – und sie gelangen auch nur bei uns zur praktischen Anwendung: »Guten Tag, Herr Ingenieur, grüß Gott, Frau Oberstudienrätin, habedjehre, Herr Hofrat!« Die ausgeprägte Titelfreudigkeit der Österreicher hat natürlich historische Wurzeln, die tief in die Monarchie hineinreichen und im Kapitel »Sogar der Liftboy ist Professor« erzählt werden.
Es gibt übrigens auch den schönen Titel »Bürger von Wien«, und mit diesem wurde zu Kaisers Zeiten der Fleischermeister Johann Georg Lahner bedacht, nachdem er jene Würstel kreiert hatte, die nur in Wien Frankfurter heißen, überall sonst aber Wiener. Die wohlschmeckende Fleischspeise ist das Ergebnis einer Liebesbeziehung des aus Frankfurt eingewanderten Selchermeisters mit einer Wiener Baronin.
Klimts Geliebte auf Tonband
Unglaubliches vertrauten mir die Nachkommen von Gustav Klimt an. Lucina Zimmermann befragte im Jahr 1974 ihre Urgroßmutter Mizzi Zimmermann, die ihr Details über ihre Liebe zu dem Jahrhundertmaler verriet. Lucina nahm das Gespräch mit einem Tonband auf und überließ mir die Kassette mehr als vierzig Jahre später zur Veröffentlichung. Mizzi beschreibt, wie Klimt sie auf der Josefstädter Straße ansprach, wie er sie zu seinem Modell und zur zweifachen Mutter machte. Sie führt aus, dass er Musik ebenso liebte wie die Malerei, wie sozial und tierliebend er war, und schließlich, wie er starb. Auf die anderen Modelle, mit denen er gleichzeitig Verhältnisse hatte, geht Mizzi hingegen nur in einem Nebensatz ein.
»Darf ich die Feuerwehr verständigen?«
Auf Klimt folgen drei Kapitel, deren Reihung sich wie von selbst ergab: Im ersten geht es um den Brand der Rotunde im Prater, die als Folge sehr österreichischen Obrigkeitsdenkens zu einem Raub der Flammen wurde: Ein Arbeiter, der das Feuer aus der Kuppel des Wiener Wahrzeichens hervorschießen sah, verständigte nicht die Feuerwehr, sondern ging zur Direktion, um anzufragen, ob er die Feuerwehr verständigen dürfte. Als er zurückkam, gab es die Rotunde nicht mehr.
Was von der Rotunde blieb, ist das Fiakerlied, das wohl populärste aller Wienerlieder, das dort seine Uraufführung erlebt hatte, also erzähle ich im Kapitel nach dem Rotundenbrand die Entstehungsgeschichte der Wiener Volkshymne. Ihr erster Interpret war der Volksschauspieler Alexander Girardi, dem das letzte Kapitel in dieser Reihung gewidmet ist: es beinhaltet die Geschichte seiner Ehe mit der Schauspielerin Helene Odilon, die ihn beinahe ins »Irrenhaus« gebracht hätte.
Beethoven, Liszt, Strauß und Karajan
Aus dem Bereich Musik schildere ich Beethovens letzte Reise vor seinem Tod und wie es kam, dass Franz Liszt jedes Klavier, auf dem er spielte, zertrümmerte. Es geht um die bedeutsame erste Frau des »Walzerkönigs« Johann Strauß und um die zweite Frau Herbert von Karajans. Spricht man von dem Dirigenten, denkt jeder an Eliette, die den Höhepunkt seines Ruhms an seiner Seite erleben durfte. Weit weniger bekannt ist hingegen die Geschichte seiner Frau Anita, die ihm zum Aufstieg verhalf, letztlich aber unbedankt blieb.
Jeder Österreicher kennt die Tante Jolesch, aber kaum jemand weiß, wer sie wirklich war. Ich begab mich auf Spurensuche, erkundete vieles über sie und ihre Familie, fand heraus, wo sie wohnte und dass Friedrich Torberg, ihr geistiger Vater, sie gar nicht persönlich gekannt hat.
Die Überlieferung passender Anekdoten
Und weil wir grade bei der Tante Jolesch sind: Was es in dieser Form auch »nur bei uns« gibt, ist die Überlieferung bestimmter, zur jeweiligen Situation passender Anekdoten. Davon mache ich in diesem Buch reichlich Gebrauch: Jedes Kapitel hat ein Unterkapitel, in dem ich teils komische, teils nachdenklich stimmende Episoden zu den Personen im Hauptkapitel erzähle. Anekdoten über Franz Lehár wie über Paula Wessely und Leo Slezak, über Kronprinz Rudolf und seinen Kammerdiener, über Kaiser Franz Joseph und Ketterl, über Johann Strauß, Klimt, Girardi, die Wiener Fiaker, Peter Altenberg und so weiter.
Die zahlreichen von mir aufgestöberten Anekdoten – darunter etliche »Klassiker« – bestärken mich in der Annahme, dass eine solche Vielfalt an heiter-besinnlichen Geschichten wirklich nur in Österreich existiert.
Eine Mischung, wie sie eben »nur bei uns« möglich ist
All das hat, man muss es bekennen, einiges mit einer Mischung aus Größenwahn und fehlendem Selbstbewusstsein zu tun, mit Schlamperei und ein bisserl Raunzen, mit dem erwähnten Obrigkeitsdenken, einer hierzulande ausgeprägten Mir-San-Mir-Mentalität sowie den beliebten Liedzeilen »A Kutscher kann a jeder wer’n, aber fahren, des kennans nur in Wean«, »Glücklich ist, wer vergisst« und »Es wird a Wein sein und wir wer’n nimmer sein«.
Aber auch mit einer gehörigen Portion Schmäh und Charme.
Georg Markus
Wien, im August 2018
Der geheime Nachlass des Kammerdieners Die Erinnerungen des Kronzeugen von Mayerling
Das kommt selbst in Österreich nicht alle Tage vor, dass ein Kammerdiener in Pension geht, sich ein riesiges Landgut kauft und fortan das Leben eines wohlbestallten Gutsherrn führt. Johann Loschek war allerdings nicht irgendein Kammerdiener, sondern der des Kronprinzen Rudolf und zugleich der erste und wichtigste Kronzeuge der Ereignisse von Mayerling. Seine Erben luden mich auf dessen Anwesen in Niederösterreich ein und zeigten mir bisher unbekannte private Dokumente aus dem Nachlass des Mannes, der die Tragödie des Kronprinzen aus nächster Nähe miterlebt hat. Darunter die handschriftliche Schilderung des Tages, an dem Mary Vetsera und der Sohn des Kaisers starben.
Johann Loschek, Kronprinz Rudolfs Kammerdiener, 1845–1932
Der Nachlass des Johann Loschek
Frau Rotraut Witetschka bewohnt den »Auer Hof« in Kleinwolkersdorf bei Wiener Neustadt. Sie und ihr verstorbener Mann haben das Gut des Leibkammerdieners Loschek 1987 geerbt und »alles aufbewahrt, das aus dem persönlichen Besitz der Familie Loschek stammt«.
Loscheks persönliche Erinnerungen an Mayerling
Dadurch können mir Frau Witetschka und ihre Tochter Eva zeigen, was der Kronprinz seinem Kammerdiener hinterlassen hat. Die Tischwäsche mit dem eingestickten »R« für Rudolf samt Kaiserkrone. Eine große Reisetruhe aus Holz, auf der in einem Messingschild »Sr. kaiserl. Hoheit Kronprinz Erzherzog Rudolf« eingraviert ist. Weiters Handschriften und Fotografien von Rudolf. Vor allem aber – und das ist das wirklich Interessante – finden sich hier die persönlichen Erinnerungen des Kammerdieners an die Tragödie von Mayerling.
Johann Loschek war die letzte Person, die mit Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera sprach, und er war es auch, der am Morgen des 30. Jänner 1889 die Leichen des Paares entdeckte.
Auf der Tischwäsche, die der Kammerdiener Loschek vom СКАЧАТЬ