Schuld ist nur das Publikum. Georg Markus
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schuld ist nur das Publikum - Georg Markus страница 3

Название: Schuld ist nur das Publikum

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783902998484

isbn:

СКАЧАТЬ verstärkt.

      Waren die hellenischen Dramen bis zum fünften vorchristlichen Jahrhundert nur bei obszönen Gelagen, auf Märkten und Dorfplätzen aufgeführt worden, so wurden sie etwa hundert Jahre später erstmals auch an den vornehmen, ja sogar an königlichen Höfen gezeigt. Ab diesem Zeitpunkt gab es in Athen auch die ersten Sprechschulen.

      Um einen Schritt weiter gingen die Akteure in Rom, die sich bereits zu kleinen Spielgruppen vereinigten, denen ein Direktor – der Archimimus – vorstand. Die Römer waren die ersten, die ohne Masken auftraten. Sie führten also das Mienenspiel ein – und hatten auch ihre »Stars«: von Roscius, Pylades und Bathyllos wird berichtet, daß sie prinzipiell nur Hauptrollen spielten. Es gab Schauspieler, die sich eigene Sklaven hielten, deren Aufgabe es war, zufällig vorbeikommende Passanten durch Zuruf darüber aufzuklären, wer ihnen sogleich begegnen würde.

      Doch im Gegensatz zu ihren »Kollegen« in Athen, wo Schauspieler angesehene, vom Kriegsdienst befreite und auch sonst privilegierte Mitbürger waren, gehörte das Heer der römischen Mimen, so sie nicht als »Stars« eine Sonderstellung hatten, dem niedrigsten sozialen Status an. Der Großteil war unfrei – es gab nicht wenige römische Edelmänner, die sehr gut von den Einkünften leben konnten, die ihnen ihre Schauspieler-Sklaven abliefern mußten.

      Vielfach hing deren Ansehen auch von den Launen und Interessen des jeweiligen Herrschers ab: Während es Kaiser Tiberius seinen Senatoren untersagte, Schauspieler in ihrem Haus zu besuchen, war Caligula den Mimen sehr gewogen. Nero, der die Komödie liebte, ließ einen Schauspieler hinrichten, weil er in ihm einen Nebenbuhler sah. Prinzipiell war es in allen Epochen des Römischen Reiches erlaubt, einen Schauspieler, der eine Dame verführt hatte, zu töten.

      Die Gliederung in einzelne Sparten ist beim römischen Theater schon fortgeschritten. Da ist der Liebhaber, dann der – meist mit kahlem Schädel, Mütze, übergroßen Ohren und pausbäckigem Gesicht – auftretende Narr, der für seine tölpelhaften Streiche mit Maulschellen belohnt wird. Und die ungetreue Ehefrau. Männer zeigten mit erigiertem Penis, daß das Triebhafte nach wie vor im Vordergrund, auch des theatralischen Lebens, stand. Frauen wurden in Rom erstmals auch von Frauen verkörpert. Cicero schreibt von der schönen Mimin Dionysia, »ihr Spiel habe ihr jährlich 200 000 Sesterzen eingebracht«. Die weiblichen Schauspieler trugen prunkvolle Gewänder oder geschickt gebundene Umhängetücher, die ihre Reize kaum verhüllten.

      Da die Miminnen zu den schönsten Frauen Roms zählten, waren sie bei den Herrschern überaus begehrt. Eine von ihnen war Cytheris, der man ganz außergewöhnliche Verführungskünste nachsagte. Einst als Sklavin freigelassen, soll sie ein luxuriöses Leben geführt haben, das von Marc Anton finanziert wurde. Sie hatte den großen Feldherrn derart in ihren Bann gezogen, daß er sogar eine Diskussion über sein Verhältnis mit der Schauspielerin in aller Öffentlichkeit zuließ.

      Die größte »Karriere« freilich machte die Akteurin Theodora, Tochter eines Bärenwärters im Zirkus, deren Darstellungskünste ebenso witzig wie schamlos waren. Um 520 n. Chr. wurde sie die Gattin Justinians, der als glanzvollster Kaiser des byzantinischen Reichs in die Geschichte einging. Die Rachsucht der ebenso klugen wie grausamen einstigen Mimin war im Volk überaus gefürchtet.

      Doch auch Frauen wurden nur selten akzeptiert, die meisten waren nicht »gesellschaftsfähig«. So war es Bäckern verboten, eine Schauspielerin zu heiraten, zumal diese als Dirnen galten. Und ein Senator, dem eine Schauspielerin ein Kind gebar, durfte dieses nicht für legitim erklären.

      Schauspieler und Tiere sind verboten!

       Die Verfolgung eines Berufsstandes

      Durch das Vordringen römischer Legionen nach Norden lernten auch die Germanen das Mimentum kennen. Römische Gaukler gelangten in Begleitung der Truppen über den Rhein und fanden in deutschen Landen ein dankbares Publikum. Es waren vor allem freigelassene und entlaufene Gladiatoren, die in der Fremde ihr Glück suchten, sich mit den germanischen Volkssängern vermischten. Das antike Theater freilich, die Dichter und deren Stücke, gerieten mit dem Untergang des weströmischen Reiches vorerst in Vergessenheit.

      Das muntere Völkchen der Possenreißer indes zog musizierend, mimend und tanzend durch die deutschen Lande und fristete ein karges Leben. Die Spielleute, Minnesänger, Troubadoure, Buffones waren nicht nur die Unterhalter, sondern auch die »Journalisten« des frühen Mittelalters, da sie Kriegsereignisse, Moritaten und andere Geschehnisse besangen und so zu den einzigen Informationsträgern der Bevölkerung wurden. Vornehme Haushalte hielten es für ihre Pflicht, Gäste während des Mahls durch Künstler unterhalten zu lassen, wogegen wiederum Priester von der Kanzel herab heftig polemisierten, Schauspieler zu »Genossen des Teufels« erklärten. Das Konzil zu Aachen befahl im Jahre 816 den Geistlichen, »Festlichkeiten, zum Beispiel Hochzeitsfeiern an fürstlichem Hofe, sofort zu verlassen, sobald Gaukler und Spielleute auftreten«. Eine andere Verordnung verbietet Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen, sich »Possenreißer, Falken und Habichte zu halten«.

      Schauspieler, in einem Atemzug mit Tieren genannt, waren im Mittelalter rechtlos, gehörten keinem Stande an, galten als unehrliche Leute. Welch großer Schritt von hier zu den Stars des 20. Jahrhunderts, die sich dem sie anhimmelnden Publikum in ihren Villen mit Swimmingpool und goldener Badewanne, im Rolls-Royce und im Privatjet präsentieren. Die mittelalterlichen Gaukler parodierten in übertriebener, grober und obszöner Form Berufsstände, traten in passender Verkleidung als Richter, Quacksalber, Ritter, Bettler, Mönche oder Nonnen auf. Sie zogen von Haus zu Haus, stellten auf Straßen und öffentlichen Plätzen Gerüste auf, von wo aus sie, lebhaft gestikulierend, ihre Texte deklamierten. Nur die meist sehr primitive Grundhandlung stand vor Beginn der Aufführung fest, Monologe und Dialoge wurden improvisiert.

      Wurde das Theater lange Zeit von der Kirche bekämpft, so war gerade sie es, die im 11. und 12. Jahrhundert der Schauspielkunst zu neuer Blüte verhalf. Ursprünglich nur von Geistlichen und Klosterschülern vorgetragen, wurde das Mysterienspiel bald auch zur künstlerischen Heimat religiöser Laien. Mit dem Wachstum der Städte in dieser Zeit und dem Aufblühen eines neuen Bürgertums, insbesondere der Handwerker, konnten die ersten Mimen seßhaft werden.

      Die Texte wurden jetzt immer weniger gesungen, wurden realitätsbezogener. Man unterschied Haupt- und Nebenrollen, schrieb den Inhalt der Szenen nieder, führte Proben ein. Ab dem 13. Jahrhundert erhielten die ersten Gaukler staatliche »Gnadengeschenke« als Spielhonorar, etwa zweihundert Jahre später standen einige bereits im Solde einer Stadt. Das Bürgerrecht freilich hatten sie noch immer nicht.

      Die Lieder, Fastnachtsspiele, Tragödien und Komödien des Nürnberger Schuhmachers und Meistersingers Hans Sachs (1494 bis 1576) bilden den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Sie wurden von verschiedenen Truppen, deren Interpreten in ihren Zivilberufen Bürstenbinder, Schneider, Kürschner, Glaser oder Bäcker waren, in geräumigen Privathäusern, Klöstern und Gasthaussälen, meist ohne Dekoration, aufgeführt. Wenn die Darstellung sagenumwobener Gestalten wie Odysseus, Tantalus oder Fortunatus durch die Handwerker auch oft unfreiwilliger Komik nicht entbehrte, trug sie doch viel zur Popularisierung des Theaters beim Stadtbürgertum bei. Ob sie Väter oder jugendliche Liebhaber spielten, ob Anstandsdamen oder Naturburschen, die »Meistersinger« agierten in allen Rollen im gleichen Tonfall, mit den gleichen Gesten und Gebärden.

      Wirklich professionell wurde das Theaterspielen neuerlich in Italien, wo – etwa zur selben Zeit – die Commedia dell’arte entstand. Die in der Renaissance wiederentdeckten Inhalte der Antike wurden mit aktuellen Themen aufgefrischt und von maskierten Stegreifspielern dargestellt. »Signori comici sono arrivati!« rief ein Mitglied der Theatergesellschaft aus und schlug auf die Trommel, um für die abendliche Vorstellung im Palazzo der Stadt, in der Osteria oder einer zur Bühne umfunktionierten Jahrmarktbude zu werben. Ihm folgten mit ohrenbetäubendem Lärm die schönsten Künstlerinnen und andere Mitglieder der Truppe.

СКАЧАТЬ