Название: Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Dr. Norden (ab 600)
isbn: 9783740931896
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Frau Haemlin erstarrte. »Ich will nach Hause!« stieß sie dann hervor. »Ich bleibe keine Stunde länger hier.«
»Und was ist mit Ihrem Mann, nehmen Sie den auch mit?« fragte Jenny.
»Wird er wieder gesund?« ächzte die andere.
»Ganz gesund nicht mehr, er wird ein Pflegefall bleiben, wenn er die nächsten Tage überlebt, aber Sie erinnern sich hoffentlich, daß ihm schon mehrmals gesagt wurde, welche Folgen seine Lebensweise für ihn haben könnte, wenn er diese nicht ändert. Und ihnen muß das auch gesagt werden.«
»Wozu sind wir denn reich, wenn wir fasten sollen«, erregte sich Herta Haemlin. Immer wieder mußte sie betonen, daß sie reich waren und demzufolge auch so gewürdigt werden wollten. Sie waren so primitiv, daß es Jenny übel wurde. Aber ihre Standpauke schien doch gewirkt zu haben, denn stöhnend sank Frau Haemlin wieder auf ihr Bett zurück und erklärte, daß sie doch zu schwach sei, um jetzt nach Hause zu fahren. Aber sie konnte sich nicht verkneifen, Jenny zu fragen, ob Jana gedroht hätte, sie anzuzeigen.
»Sie weiß gar nicht, was passiert ist und daß Sie hier sind. Jeder der Jana kennt, weiß, daß Ihr Gerede völlig aus der Luft gegriffen ist. Sie schaden sich nur selbst damit, Frau Haemlin. Jana ist eine sehr gebildete junge Frau, die die allerbeste Erziehung genossen hat.«
»Sie scheinen sie ja gut zu kennen«, kam die giftige Erwiderung.
»Allerdings.«
Und danach herrschte Schweigen.
»Der hast du es aber gegeben«, sagte Dieter Behnisch, als Jenny aus dem Zimmer kam.
»Hast du etwa gelauscht?« fragte sie.
»Na ja, so ein bißchen. Ich wollte dir zu Hilfe kommen, falls es nötig sein würde, aber das war es ja nicht. Du hast ordentlich Dampf abgelassen.«
»Es war auch höchste Zeit. Man kann ja nicht alles schlucken.«
»Wenn sie nichts gegen ihren hohen Blutdruck tut, wird sie auch bald am Ende sein. Es nützt doch gar nichts, wenn man mahnt und verordnet und alles nur in den Wind geredet ist. Er wird an der Leberzirrhose sterben, das wird durch den Schlaganfall noch beschleunigt, und sie könnte tatsächlich in der Nervenklinik landen, denn was ihre Schwiegertochter betrifft, leidet sie an Verfolgungswahn. Sie ist ein ernstzunehmender Fall und neigt zur Gewalttätigkeit.«
»Diese Protzerei ist auch nicht normal. Sie kann einen auf die Palme bringen. Hoffentlich schläft sie jetzt, wenn sie schon nicht geht.«
»Woher kennst du Jana Haemlin eigentlich so gut?« fragte er neckend.
»Durch Daniel, aber ich mußte es einfach sagen, um sie zum Schweigen zu bringen. Es ist unglaublich, was sie der jungen Frau alles anhängt.«
»Und so was soll es ja leider oft genug geben.«
»Du bist froh, daß du keine Schwiegermutter hast«, meinte Jenny nachsichtig.
»So will ich das nicht sagen. Wir haben ja auch schon liebe Schwiegermütter kennengelernt.«
*
Jana und Simone verbrachten den sonnigen Sonntag völlig unbeschwert und frei von trüben Gedanken, während es in der Behnisch-Klinik turbulent zuging. Der Zustand von Gustav Haemlin hatte sich rapide verschlechtert, worauf seine Frau nun die Ärzte dafür verantwortlich machte und wilde Drohungen ausstieß, daß sie alle vor Gericht bringen würde, sollte ihr Mann sterben. Sie bekam einen Tobsuchtsanfall, zuerschlug alles, was sie in die Hände bekommen konnte, so daß Dr. Dieter Behnisch sich veranlaßt sah, sie in die Psychiatrie bringen zu lassen.
»So was haben wir wirklich noch nicht erlebt«, sagte Dieter Behnisch, der so leicht nicht zu erschrecken war, aber Jenny war ziemlich fertig, als nun wieder Ruhe einkehrte. Ihr war es jetzt klar, daß Frau Haemlin schon lange nicht mehr zurechnungsfähig war. Vielleicht hatte der Tod ihres Sohnes ihr den Rest gegeben, aber es mochte wohl auch, wie bei ihrem Mann, übermäßiger Alkoholkonsum mitspielen. Für ihn wäre es ohnehin besser, wenn er nicht mehr aus dem Koma aufwachen würde, und für Herta Haemlin stellten auch die Ärzte, die sie jetzt behandelten, düstere Prognosen.
Von alldem wußte Jana zum Glück nichts, es hätte wohl doch ihre Stimmung getrübt und wieder zu der Überlegung geführt, wie Rolf wohl mit solchen Entwicklungen fertig geworden wäre.
Sie machte mit Simone einen Ausflug nach Kochel, aßen dort in einem Gasthof zu Mittag und wanderten am Kochel-See entlang. Es war kühl, aber die Sonne schien und die Luft war klar und würzig.
»Jetzt hast du wenigstens ein bißchen Farbe bekommen«, sagte Simone zufrieden. »Das Leben geht weiter, Jana, laß dich nicht unterkriegen.«
»Jetzt ist mir schon viel wohler. Du hast mir gefehlt, Mone.«
»Du hättest dich ja mal aufraffen können zu einem Anruf. Wenn ich es versucht habe, lief immer nur der Anrufbeantworter und mit dem spreche ich nicht gern.«
»Ich wollte niemand auf die Nerven fallen. Es war alles so trostlos. Ich hatte viele Laufereien und dauernd diesen Ärger mit seinen Eltern. Ich wollte dir auch nichts vorjammern, aber es gab nur Ärger und Kummer in diesen Wochen.«
»Ich weiß ja, wie dir zumute war, aber jetzt denkst du auch mal an dich und eine bessere Zeit. Du kannst noch das Beste aus deinem Leben machen, und vielleicht hilft dir wirklich ein Kind aus dem Tal der Tränen, Jana. Kinder sind ehrlich. Wenn sie jemand Zuneigung schenken, ist es echt.«
Jana nickte gedankenverloren, und unwillkürlich dachte sie wieder an den kleinen Jungen auf dem Friedhof, nicht ahnend, daß es dieses Kind war, für das Dr. Norden sie erwärmen wollte. Erst recht konnte sie nicht ahnen, daß der kleine Bobby auch an sie dachte. Er saß zu dieser Zeit neben seiner Granny auf dem Sofa und lauschte den Geschichten, die sie ihm vorlas. Er konnte nicht genug davon hören.
»Jetzt muß ich aber erstmal eine Pause machen, Bobby«, sagte Agnete Liborius seufzend, »ich bin schon ganz heiser.«
Ein paar Sekunden schwieg Bobby rücksichtsvoll, denn er wollte sie jetzt nicht gleich mit all den Fragen quälen, die ihm schon eine ganze Zeit durch den Kopf gingen. Aber lange hielt er es nicht aus.
»Denkst du nicht auch, daß der liebe Gott Mami wieder zu uns schickt, weil er weiß, daß ich ein kleiner Junge bin und sie so sehr vermisse?«
»Das ist nicht möglich, Bobby, wirklich nicht.«
»Aber ich glaube doch, daß das meine Mami war, sie hat mich genauso lieb angeguckt. Du würdest es auch glauben, wenn du sie gesehen hättest.«
»Es war nur eine Ähnlichkeit.«
»Können Kinder auch sterben, Granny?«
Agnete erschrak.
»Leider ja, aber schau, jetzt ist deine Mami dein Schutzengel und paßt auf, daß dir nichts passiert.«
»Aber es kann sein, daß die Frau ein Kind verloren hat und es auf dem Friedhof besucht hat.«
»Ja, das kann möglich sein.«
»Dann hat sie vielleicht kein Kind mehr und will СКАЧАТЬ