Название: Als ich die Stille fand
Автор: Franz Welser-Möst
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783710604942
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Anlässlich meines 50. Geburtstages habe ich sozusagen als Geschenk an mich selbst ungefähr 120 Freunde und Bekannte zu einer privaten „Schubertiade“ eingeladen. Radu Lupu hat die letzte Klaviersonate von Schubert in B-Dur gespielt. Im Anschluss sang Simon Keenlyside einige Schubert-Lieder, am Klavier von Malcolm Martineau begleitet. Kurz vor seinem Auftritt fragte mich Keenlyside, wie es nach solch intensivem Musizieren dieser B-Dur-Sonate überhaupt noch möglich sei, etwas musikalisch hinzuzufügen und zu singen.
Und dann war da noch die Aufführung der Großen C-Dur-Symphonie von Schubert, gemeinsam mit dem Cleveland Orchestra in Cleveland am Freitag, den 13. März 2020. Zu diesem Zeitpunkt begann die Corona-Krise gerade die ganze Welt zu erfassen. Wir alle erahnten, dass wir uns in einer noch nie dagewesenen Ausnahmesituation befanden. So wurde der Entschluss gefasst, keine öffentlichen Auftritte unseres Orchesters mehr zu machen. Um jedoch das laufende Aufnahmeprojekt (Anm.: CD/Download- und Streaming-Serie A New Century mit Live-Aufnahmen aus der Severance Hall) abschließen zu können, führten wir die Symphonie vor etwa 20 Mitarbeitern unserer Büros auf. Wie ein Damoklesschwert hing die Frage über uns, ob und wann ein gemeinsames Musizieren wieder möglich wäre. Dadurch erreichte diese Aufführung eine Tiefe und gleichzeitig eine Schwerelosigkeit, wie ich sie vorher mit diesem Orchester noch nicht erlebt hatte.
Es sind Augenblicke, nach denen man sich als Musiker sehnt, diese kleinen Ewigkeitsmomente, in denen die Stille mit perfekter Musik angefüllt wird. Momente, die so kostbar sind, weil sie auch so unglaublich selten passieren.
Wenn es ein Leitmotiv meines Lebens gibt, ist es wohl die Erfüllung der Stille, die für mich gerade heute einen Gegenpol zur Schnelllebigkeit unseres Daseins bildet. Das stille Innehalten als Einkehr, als Alternative zur rastlosen Geschwindigkeit unserer Zeit. Die Stille als Ausgleich zur Dezibelisierung unserer Welt.
Übrigens wurde mir nach ziemlich langwierigen Gerichtsverfahren für meine erlittenen Verletzungen durch den Verkehrsunfall ein Schmerzensgeld von 120.000 österreichischen Schilling zugesprochen. So viel Geld hatte ich nie zuvor zur Verfügung gehabt – und ich hatte es auch nicht lange. Einen Großteil habe ich in Langspielplatten investiert, unter anderem in sieben unterschiedliche Aufnahmen der Missa solemnis – und in allerhand Partituren. In viel Musik nach der Stille.
Die Eltern Marilies und Franz Möst Mitte der 50er-Jahre am Attersee
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