Im Schatten der Flügel. Hansjörg Schertenleib
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Название: Im Schatten der Flügel

Автор: Hansjörg Schertenleib

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ein Maine-Krimi

isbn: 9783311701774

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      »Du musst jetzt für zwei essen.«

      »Mach ich, glaub mir, mach ich. Eher für drei.«

      Maggie sah müde aus, ihre roten ungewaschenen Haare waren strähnig.

      »Morgens komm ich mir vor, als erwache ich aus einer Narkose. Groggy und völlig erledigt. Komm, setz dich.«

      Corinna stieg über die Holztreppe aufs Deck, nahm Maggie in den Arm und setzte sich auf einen der zwei Gartenstühle. Der Boden des Decks war frisch gestrichen, und sie hatte die unangenehme Vorstellung, die Sohlen ihrer Schuhe lösten sich mit leisem Schmatzen.

      »Die Müdigkeit gibt sich, glaub mir. Trinkst du genug?«

      »Mehr als genug!«

      »Und mit der Raucherei hast du aufgehört?«

      »Ja!«

      »Ganz?«

      »Ja, Frau Polizistin! Ganz! Und du?«

      »Ich bin nicht schwanger, Maggie. Ich darf rauchen.«

      Auf der mit Gaffer-Tape zusammengeflickten Haube des Gasgrills lag ein aufgeschlagenes Buch neben einer Tasse, aus der es schwach dampfte.

      »Seit wann kannst du lesen?«

      »Ich schau mir nur die Bildchen an. Wie geht es Jake?«

      »Bestens. Wie macht sich dein Ray?«

      »Schlecht. Er taugt nicht fürs Leben hinter Gittern.«

      »Das tut keiner. Wann kommt er noch mal raus?«

      »In drei Monaten. Wenn er keinen Scheiß baut.«

      »Du bist im siebten Monat, ja?«

      Maggie nickte und ließ sich vorsichtig auf den anderen Stuhl sinken, den Bauch mit beiden Händen stützend.

      »Dann verpasst er die Geburt von Janis.«

      »So ist es.«

      »Hast du ihm den Namen jetzt verraten?«

      »Einem Kerl, der die Geburt seiner ersten Tochter verpasst, weil er Mist gebaut hat? Spinnst du? Kaffee?«

      Sie nickte, half Maggie auf die Beine und folgte ihr ins Haus, obschon sie lieber draußen geblieben wäre; die Fliegengittertür girrte und knallte ihr in den Rücken, als sie zufiel. In der dämmrigen Küche war es warm, die Heizung wahrscheinlich schon eingeschaltet. Maggie nahm zwei Tassen aus dem Schrank, füllte sie mit Kaffee aus der Filtermaschine und stellte sie auf die Frühstückstheke.

      »Meine Mutter hat mich Kürbis genannt, bis ich etwa zwölf war. Hattest du auch einen Übernamen?«

      »Chnuschti«, sagte Corinna und setzte sich auf einen Barhocker.

      »Und das bedeutet?«

      »Schwierig zu übersetzen. Komischer Kauz. Komplizierter Mensch. So ähnlich. Hast du Milch?«

      Maggie stand auf, nahm eine Plastikflasche Milch aus dem Kühlschrank, trat ans Fenster und gähnte. Die Brotbüchse auf der Ablage stand offen, aber Corinna konnte nicht sehen, ob sie voll war. Das Chillum daneben gehörte hoffentlich Ray, nicht Maggie.

      »Mir ist weniger oft übel, dafür schlaf ich schlechter. Viel schlechter. Ist das normal?«

      »War bei mir genauso. Meine Füße waren so geschwollen, ich musste orthopädische Schuhe tragen.«

      »Sexy!«

      »Fand Michael auch. Er hat mir gleich vier Paar gekauft.«

      »Ich komm mir vor wie ein verstopfter Walfisch!«

      Maggie zog die Gardine auf und sah ins Freie; ein Spaltbreit Licht fiel in die Küche, reichte aber nicht bis zur Theke. An der Scheibe klebte ein Thermometer an einem Saugnapf, dessen Spitze im Licht leuchtete.

      »Arbeitest du noch bei Betsy im Café?«

      »Sie hat nur noch Freitag und Samstag geöffnet. Der Sommer ist vorbei. Im Mai fang ich wieder bei ihr an.«

      »Hast du vom Mord auf der Insel gehört?«

      »Ich hab sogar den Schuss gehört, Maggie.«

      »Er hieß Rick Cole, sechsunddreißig, Vater von zwei Kindern.«

      »Woher weißt du das?«

      »Kam eben im Radio. Hat bei Norwood gearbeitet.«

      »Hast du ihn gekannt?«

      »Nicht wirklich. Ray schon. Er kennt jeden hier auf der Insel. Ich hab Rick zwei, drei Mal gesehen, das ist alles.«

      »Hast du eine Ahnung, was passiert sein könnte?«

      »Keinen Schimmer.«

      »Drogen?«

      »Ich weiß es wirklich nicht.«

      »Haben sie was zum Täter gesagt?«

      Maggie schüttelte den Kopf und nahm die Tupperware mit Corinnas Gulasch aus der Tüte.

      »Ich sterbe vor Hunger. Isst du mit?«

      6 Moonshadow

      Vier Tage später, am 28. September, verschwand ein Mädchen in Owls Head. Jake war bei Corinna, als sie abends davon erfuhren; sie hatten Spaghetti Carbonara gekocht, in der Küche gegessen, mehrere Espressi getrunken und danach die Spülmaschine eingeräumt. Als der Moderator auf Frank 106.9 vom vermissten Mädchen berichtete, lagen sie auf dem Sofa im Wohnzimmer, plauderten und alberten herum: Die sechsjährige Jane Libby hatte mit ihrer Mutter Kylie deren Eltern in Owls Head besucht. Etwa um 14 Uhr hatte Jane das Haus verlassen, um zu spielen, zehn Minuten später hatte ihre Mutter nach ihr gesehen und festgestellt, dass sie verschwunden war. Sie machte sich, zusammen mit ihren Eltern und einigen Nachbarn, sofort auf die Suche, fand jedoch keine Spur ihrer Tochter. In der Zwischenzeit waren die Polizei und der Sheriff alarmiert und mit Suchtrupps und Spürhunden im Einsatz. Bisher ohne Erfolg.

      Corinna stand auf, schaltete das Radio aus, legte Tango in the Night von Fleetwood Mac auf und setzte sich in Michaels früheren Musiksessel.

      »Mac-Attac«, sagte Jake spöttisch, »die Lieblingsband aller Frauen.«

      »Vermisstenfälle sind das Schlimmste, was du als Polizist erleben musst«, gab sie zurück, ohne auf seinen Scherz einzugehen.

      »Kann ich mir denken.«

      Sie sah sich in einer Reihe anderer Polizisten ein Feld durchkämmen, als sie noch Streife gefahren war, sah sich verzweifelten Eltern gegenüber vor einer Haustür stehen, sah sich im Rotorenstrudel eines Polizeihubschraubers in einer Wiese kauern, der dicht über ihr schwebte, sah sich heulen vor Erschöpfung und Enttäuschung.

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