Hat sich die Wende überhaupt gelohnt?. Bernd Zeller
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Название: Hat sich die Wende überhaupt gelohnt?

Автор: Bernd Zeller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Satte Tiere

isbn: 9783932927881

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СКАЧАТЬ gemeint sein soll.

      Dennoch bietet ein solches Jubiläum den Anlass für einen Ausblick auf Visionen, die man nur in der Rückschau sieht. Es soll auch nicht der Anschein entstehen, als scheue Europa diesen Vergleich.

      Betrachten wir also fair und sachlich die Umstände und Erscheinungen in beiden Staatswesen bezogen auf das Leben der Menschen, wobei eingeräumt sei, dass gerade diese Objektivität der DDR einen Vorteil im emotionalen Bereich verschafft. Auf persönlicher Ebene gibt es bei ehemaligen DDR-Bürgern, den echten Ossis, etwas Einmaliges: die DDR-Biographie. Sie ermöglicht es, Befindlichkeiten als absolut auszugeben und dafür Respekt einzufordern, als wäre das Dabeisein eine Leistung. Ein europäisches Gegenstück gibt es nicht. Niemand hat eine EU-Biographie, außer vielleicht Martin Schulz und nicht einmal der. Aber das kann ja noch werden, die EU wird schließlich immer besser.

      Die DDR auch.

      Starten wir also bei Punktegleichstand.

       PARLAMENT

      Beginnen wir unsere Untersuchungen an einer politischen Institution von nachrangiger Bedeutung, damals und jetzt, den Parlamenten. Die DDR-Volkskammer besticht gegenüber dem EU-Parlament mit ihrer Bescheidenheit in Anzahl der Abgeordneten, Ausstattung und Prunk. Sie tagte im Palast der Republik, hatte keine Kompetenzen und diente zur Wahrung des Anscheins einer Mehr-Parteien-Demokratie. Das EU-Parlament tagt verschiedenenorts, hat mehr Mitarbeiter, Abteilungen und Arbeitsstäbe und auch keine Kompetenzen. Damit ist die Volkskammer bereits effizienter.

      Für die Wahrung des Anscheins einer pluralistischen Demokratie hingegen ist das EU-Parlament weder zuständig noch in der Lage, hier kann man demnach ein höheres Maß an Ehrlichkeit verorten.

      Dennoch war das Mandat in der Volkskammer eine Ehre. Sogar eine im Vergleich zu anderen damaligen Ehren recht ehrenvolle. Das lag nicht nur daran, dass es sich um das einzige Parlament handelte, womit bereits eine gewisse Exklusivität verbunden war, zudem wurde Wert darauf gelegt, dass die Abgeordneten ansonsten einer richtigen Arbeit nachgehen. Natürlich war damit bezweckt, dass sie nicht auf die Idee kommen, das Parlament mit einer Bedeutung aufzuladen, die ihm nicht zukam. Eine Sorge, die unbegründet ist, wie die heutigen Parlamente zeigen.

      EU-Parlamentarier zu sein, bedeutet das Gegenteil einer Ehre. Man hat für gewöhnlich einen schmählichen Abgang hinter sich und soll auch noch denen dankbar sein, die einen nach Europa abgeschoben haben.

      Da Ehre heutzutage kein positiv besetzter Begriff ist, kann der Punkt noch nicht an die DDR gehen.

      Die Sitzverteilung war quotiert, alle Parteien und Massenorganisationen hatten eine festgelegte Zahl von Abgeordneten, damit alle Kräfte sich auf Augenhöhe vertreten fühlen. Dazu wird das EU-Parlament erst noch kommen.

      Der entscheidende Aspekt liegt in der Wahl. In der DDR konnte man dadurch, nicht zur Wahl zu gehen, Protest und Widerstand ausdrücken. Ähnliches ist heute nicht möglich, Nichtwähler interessieren noch weniger als Wähler, das Parlament wird immer voll. Da müssten schon die Kandidaten selbst nicht wählen.

      Deshalb geht der Punkt an die DDR für das demokratischere Parlament.

       KONSUM

      Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen, jedenfalls nicht zu DDR-Zeiten, weil man niemals beide zur selben Zeit im Handel vorfinden konnte.

      Aufgrund der Mangelversorgung spielte der Konsum in der DDR eine wichtigere Rolle als heute, wo er gar nicht mehr auffällt, wenn nicht gerade Kabarettisten über den Konsumterror herziehen. Wenn der Erwerb von Waren und Dienstleistungen mit Problemen verbunden ist, nimmt er einen größeren mentalen Platz im Leben ein, und das wollen wir ja nicht. Weil es so wenig gab und deshalb weniger konsumiert werden konnte, müsste der Punkt wieder an die DDR gehen. Leider müssen noch weitere Gesichtspunkte einbezogen werden, etwa die Qualität der Produkte. Diese entsprachen kaum den EU-Normen. Manche trugen sogar irreführende Bezeichnungen, die nach EU-Richtlinien als Verbrechen einzustufen gewesen wären. Das kann man auch im Nachhinein nicht dulden, deshalb geht der Punkt für Konsum eindeutig an die EU.

       AUTOS

      Sieht man einmal davon ab, dass es damals mit einem DDR-Auto möglich war, das staatliche Territorium an einem Tag zu durchqueren, hingegen es mit einem heutigen nicht zu schaffen ist, in derselben Zeit durch Europa zu reisen, ist gar nichts anderes möglich, als den Auto-Punkt der EU zu geben. Der Trabant und sein Gehilfe Wartburg waren Meisterwerke der Technik der Zwanzigerjahre, der Benzinverbrauch entsprach auf die Leistung bezogen dem eines Rolls Royce; sie verursachten Lärm einer solchen Lautstärke, als hätten alle Bürger schon ihre Wartezeit herum und den Motor angeworfen, ganz zu schweigen von der Umweltbelastung – es ist erstaunlich, dass dort, wohin die Autos fuhren, überhaupt noch Umwelt gewesen sein soll.

      Dafür war es leichter, einen Parkplatz zu finden.

       TOILETTENPAPIER

      Eine Zeitlang gab es keins, damit die Bevölkerung mehr Zeitungen kauft. Aber das ist nicht der Punkt, auf den es ankommt.

      Gab es welches, dann das Grobkrepp mit Sandpapierfühlung. Der Witz, damit wäre bezweckt, noch mehr gerötete Hinterteile zu erzeugen, erlangte traurige Berühmtheit.

      Was fehlte, war der heute als selbstverständlich angesehene Kern der Papprolle, um den das Klopapier herum aufgewickelt ist. Der ist auch völlig überflüssig. Die Beschränkung aufs Wesentliche zeigte sich ebenso im Fehlen der Perforation, an der man einzelne Blätter abreißt. Als ob man es nötig hätte, vorgeschrieben zu kriegen, und sei es auch nur in Form einer Hilfe, wo man das Klopapier abreißt. Die Bevormundung des DDR-Bürgers erstreckte sich also keineswegs auf alle Lebensbereiche.

      Heute droht eine Spaltung der Gesellschaft in mindestens zwei Klassen hinsichtlich der Benutzung ihres Toilettenpapiers. Die Reichen können sich ökologisch recyceltes und dennoch extraweiches saugverstärktes allergiepräventives mit Erdbeerduft leisten, während die Armen mit billigem extraweichem saugverstärktem genmanipuliertem Vorlieb nehmen müssen, für das ganze Eukalyptuswälder abgeholzt wurden.

      Der Toilettenpapier-Punkt geht eindeutig an die DDR.

       HAUPTSTADT

      Der Vergleich der Hauptstädte ist nahe am Unentschieden. Ostberlin und Brüssel haben als Gemeinsamkeit eine verbotene Zone, die man nur unter Lebensgefahr begehen kann. Der Unterschied besteht darin, dass man, wenn man die Grenze erfolgreich überwunden hat, in Westberlin angekommen ist und sich einigermaßen sicher fühlen kann, in Brüssel jedoch eine Art Slum oder Failed State betritt. Aber das muss ja niemand.

      Beiden Staatswesen ist das Bestreben eigen, diesen Zustand auf andere Ortschaften zu übertragen. Jede größere Stadt hat heutzutage mindestens einen Stadtteil, der als Problembezirk bezeichnet wird, damit es sich so anhört, als wären die Probleme eingegrenzt. Die DDR schuf städtische Westteile durch Einrichtung der Intershops.

      Um dem Unentschieden zu entgehen, richten wir unser Augenmerk auf die Befindlichkeit der СКАЧАТЬ