Sturm im Zollhaus. Heike Gerdes
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Название: Sturm im Zollhaus

Автор: Heike Gerdes

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839265246

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СКАЧАТЬ einen entkleideten Körper bereitgelegt. Feierabend legte seine Tupperdose auf ein Regal, streifte ein Paar Latexhandschuhe über und holte ein Diktiergerät aus der Schublade.

      »Am besten unterschreiben Sie gleich, dass Sie bei der Leichenöffnung dabei waren«, empfahl er Sturm. »Wer weiß, ob Sie später noch einen Stift halten können.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf ein Formular und Roman unterschrieb sofort, ohne gekränkt zu sein. Feierabend hatte sich bereits dem Toten zugewandt, während Roman sich noch ein paar Tropfen japanischen Heilpflanzenöls unter die Nase tupfte. »Männlicher Leichnam, Name: unbekannt. Geburtsdatum: unbekannt. Alter ungefähr zwölf bis vierzehn. Sterbedatum.« Er nannte das Datum des Brandes, diktierte Kommata und Doppelpunkte akribisch mit.

      Sturm wandte sich ab und lehnte sich an einen Schrank nahe der Tür. Es langte ihm völlig, von oberflächlicher Karbonisation der epidermalen Schichten, von Verbrennungen ersten, zweiten und dritten Grades und postmortalen Verletzungen zu hören. Sehen mochte er sie nicht auch noch.

      Auf ein Kommando des Gerichtsmediziners drehten der Präparator und die Ärztin den Körper des toten Jungen um.

      »Zweifellos hat er bei Brandausbruch noch gelebt.« Feierabend wandte sich jetzt direkt an Sturm und winkte ihn heran. »Hier sehen Sie deutlich die Krähenfüße. Sie entstehen durch das feste Zusammenkneifen der Augen. Die Hautfalten, die sich dabei bilden, verbrennen nicht und sind auch nicht rußig. Und hier: Die Wimpern sind nur an den äußersten Spitzen versengt – noch ein vitales Zeichen.« Er unterbrach sich und sah Roman Sturm an, dessen Kiefermuskulatur sich verkrampft hatte. »Ich dachte, das wollten Sie wissen.«

      Roman nickte wenig überzeugend. Dass die Opfer noch gelebt hatten, als das Zollhaus zu brennen begann, hatte er ohnehin nie bezweifelt. Aber nun hatte er es offiziell, wunderbar.

      »Ob Brandbeschleunigungsmittel eingesetzt wurden und wenn ja, welche, steht hinterher im Bericht«, fuhr der Gerichtsmediziner fort.»Dazu müssen wir erst das Lungengewebe durch den Gaschromatographen jagen. – Außen sind wir fertig, lasst uns mal nachsehen, wie’s drinnen aussieht.«

      Die Ärztin setzte das Skalpell an der Halsgrube an und zog einen feinen, geraden Schnitt in Richtung Nabel. Der Präparator am Kopfende des Steintisches ließ den Elektromotor seiner Säge summen und der Kommissar murmelte eine Entschuldigung, ehe er auf den Flur stürmte.

      »Den Gang runter, dritte Tür links!«, erinnerte ihn Feierabend.

      Als Roman zurückkam, mümmelte Feierabend bereits wieder an seinem Leberwurstbrot, während die junge Ärztin dabei war, Lunge und Leber des Toten zu wiegen und Probenbehälter zu beschriften. Der Gerichtsmediziner hob die Hand mit der angebissenen Stulle und winkte in Romans Richtung. »Sorry«, nuschelte er mit vollem Mund, als er Romans Blick bemerkte. »Zu Hause darf ich keine Wurst essen, höchstens heimlich auf dem Lokus.«

      »Sie kommen genau richtig zum zweiten Gang«, verkündete der Präparator. Er hatte den Steintisch gereinigt und wandte sich der Tür zum Nebenraum zu, um die fahrbare Liege mit dem zugedeckten Körper in die Kühlung zurückzubringen.

      Er verschwand mit der Liege, kam aber nur Augenblicke später mit einer weiteren zurück. Das Tuch darauf hatte einen wesentlich kleineren Berg und Roman spürte, wie sich sein Zwerchfell zusammenzog und seine Kiefer sich wieder verkrampften. Den Jungen hatte er hier in der Gerichtsmedizin zum ersten Mal gesehen. Das Mädchen mit den weichen Locken aber hatte noch gelebt. Er hatte die Kleine in ihrem dunkelblauen Schlafanzug mit den gelben Sternen aus dem brennenden Zollhaus getragen und hatte daneben gestanden, als der Notarzt ihr die Sauerstoffmaske über Mund und Nase gehalten hatte, hatte das bedauernde Achselzucken des Arztes gesehen, der den Kampf um das Leben dieses Kindes verloren hatte. Roman zwang sich zu einem tiefen Atemzug, ließ die Luft bewusst durch die Nase bis in den Bauch strömen und durch den Mund entweichen. Das Pfefferminzöl brannte sich dabei durch die Atemwege und trieb ihm die Tränen in die Augen, aber seine verkrampften Muskeln lösten sich nach dem dritten Atemzug.

      Der Präparator sah Roman mitfühlend an.

      »Ich mach diesen Job jetzt fast zwanzig Jahre«, sagte er. »Aber bei Kindern ist es immer noch schlimm. Ich sag mir dann immer: Ich mach das, um zu helfen, damit ihr den Täter findet.«

      Roman nickte wortlos. Es war Unsinn, dass er sich schuldig fühlte. Er hätte nicht mehr tun können, um das Mädchen zu retten. Und trotzdem blieb dieses Nagen, das quälende Gefühl, er hätte schneller sein müssen.

      An seinem rechten Oberschenkel spürte er ein Brummen, unmittelbar danach lärmte seine Hosentasche. Roman brauchte einen Moment, um das Geräusch seinem Handy zuzuordnen und das kleine Gerät herauszufummeln. »Ja?«

      »Bist du es, Roman?«

      »Lükka. Was gibt’s?«

      »Ich weiß, dass du zu tun hast. Aber wenn du in Oldenburg fertig bist, solltest du besser schnell herkommen. Ich weiß jetzt, wer die Kinder sind.«

      11.

      »Warum haben die in der Werkstatt deine Karre nicht gleich als Sondermüll entsorgt oder wenigstens mal ausgemistet?« Lükka schob mit dem Fuß einen offenen kleinen Karton beiseite, in den sie beim Einsteigen Romans Kassettensammlung vom Beifahrersitz gefegt hatte. Mehrere Straßenkarten und Notizzettel hatte Roman zuvorkommend selbst zusammengerafft und zusammen mit einer angebrochenen Colaflasche auf den Rücksitz geworfen.

      »Wieso, ich habe doch gerade erst aufgeräumt. Ich hab nur Sachen dabei, die ich brauche.«

      Lükka schaute über die Schulter in den Laderaum. Außer Romans Rucksack, dessen Reißverschlüsse ausnahmslos ein paar Zentimeter offen standen, entdeckte sie auf einen Blick ein Paar Gummistiefel, einen Pullover, drei Pakete Taschentücher und einen Schlafsack. Im Seitenfach der Beifahrertür steckten eine Kombizange, drei Kulis und ein Bolzenschneider. Streichhölzer lagen im Fußraum neben der Taschenlampe. Fürs Überleben in der ostfriesischen Wildnis alles dabei.

      »Fehlt nur noch ein Zelt«, meinte Lükka.

      »Das liegt unter der Regenjacke. Aber nun erzähl mal lieber, was du rausgekriegt hast.«

      Lükka seufzte. Wenn es um seine ganz persönliche Ordnung ging, war Roman ironieresistent. Vermutlich setzte er einfach andere Prioritäten als seine Kollegin oder überhaupt die meisten anderen Menschen. Erstaunlicherweise verschlampte er trotzdem nichts Wichtiges oder fand zumindest alles rechtzeitig wieder.

      Außerdem hatten sie keine allzu lange Fahrt vor sich, das Briefing konnte also nicht länger warten.

      »Ich habe, wie besprochen, beim Ausländeramt angerufen und mit Wilma Poppen gesprochen …«

      »Warum heiratet die Frau nicht einfach?«, unterbrach Roman. »Ich würde doch zusehen, dass ich diesen Namen möglichst schnell loswerde.«

      »Damit sollte sie noch ein bisschen warten. Ihr derzeitiger Lover hat einen genauso klangvollen ostfriesischen Namen wie sie. Im Moment ist sie mit Tjark Ficken zusammen.«

      Roman verschluckte sich fast vor Lachen. Sein Termin in der Gerichtsmedizin musste ihn ziemlich geschlaucht haben. Lükka kannte das Phänomen: Je übler es ihm ging, desto fragwürdiger wurde Romans Humor.

      Als sie den Bahnhofskreisel mit der gelbschwarzen Untiefentonne umrundeten, hatte er sich aber schon wieder im Griff.

      »Ficken – ist das nicht dieser Spillerige vom Anzeigenblatt, der mit den Dumbo-Ohren?«

      Lükka СКАЧАТЬ