Jenseits-Welten. Ernst Sturmer
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Название: Jenseits-Welten

Автор: Ernst Sturmer

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783347027350

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СКАЧАТЬ im Meer ertrunken ist, fällt Ran in die Hände, der Göttin eines eigenen Totenreiches, das mit Walhalla oder Hel nichts zu tun hat. Es liegt auf dem Grund des Meeres und ist in der altnordischen Mythologie allein für die Ertrunkenen bestimmt.

      Die Herrin des Meeres hat viele Töchter: die Wogen und Wellen. Ihr Gatte ist der weise Meerriese Ägir. Unter anderem wird sie als Mischwesen mit dem Oberkörper eines Menschen und dem Schwanz eines Fisches dargestellt.

      Ran lauert ständig darauf, dass Schiffe kentern. Sie fischt dann mit einem engmaschigen Netz, das sie durch die Fluten des Ozeans zieht, die im Meer Umgekommenen auf und bringt sie in ihr Totenreich, golden funkelnden Korallenhöhlen. Dort werden sie gastfreundlich aufgenommen und bewirtet.

      Ran hat aber zwei Gesichter. Neben der hellen wunderschönen und gütigen Ran gibt es die dunkle, hässliche, wilde, unbeherrschte, aufbrausende, ja „menschenverschlingende“ Ran. Der Name Ran bedeutet „Räuberin“. Die Göttin des Seetodes zieht nämlich mitunter ahnungslose Seeleute von Bord ihres Schiffes in die Wasserunterwelt.

      Die Wikinger brachten daher am Bug ihrer Schiffe Drachenköpfe an, um sich gegen die „Räuberin“=Ran zu schützen.

       Untote Terroristen

      Bevor sich die Vorstellungen von Walhalla, Helheim und dem Totenreich auf dem Meeresgrund in der Spätzeit ausgeprägt hatten, war das Jenseitsbild der Germanen sehr diffus und von Stamm zu Stamm verschieden.

      Es gab die Ansicht, dass die Toten zu den Ahnen gehen oder die andere, dass sie im Grabhügel in voller Körperlichkeit fortleben. Die Grabbeigaben (Waffen, Kleidung, Schuhe, Speisen, Getränke, Wanderstab, Werkzeuge, Münzen, Musikinstrumente, Schmuck) widerspiegeln den Glauben, dass sie drüben wie hüben leben.

      Die im Grab wohnenden Untoten wurden oft gefürchtet, wenn sie als makabre „Wiedergänger“ (Draugr) die Umwelt tyrannisierten. Anderseits konnte man sie sich durch Magie dienstbar machen und sie beispielsweise mit Beschwörungsformeln zwingen, die Zukunft vorherzusagen.

      Die körperliche Erscheinung des ruhelosen Draugr kann sich frei durch das Erdreich bewegen und sogar Felsen durchdringen. Die einzige Möglichkeit, sich eines mit übermenschlichen Kräften ausgestatteten bedrohlichen Draugr zu entledigen und ihn endgültig zu vernichten, ist, ihm den Kopf abzuschlagen.

       Germanenkopf (Tonbüste im Vindonissa-Museum, Brugg)

      * Walküren: finstere Zwischenwesen, halb Mensch, halb Göttin, Jungfrauen, manchmal Heldengeliebte, in der Regel Botinnen und Helferinnen Odins, geisterhafte Schlacht- und Schildjungfern. Bei den Gelagen der Helden in Walhalla fungieren sie als Schankmädchen.

       Kapitel 5

       Zu den Ahnen gehen

       Afrika

      Die Grenze zwischen Jenseits und Diesseits ist durchlässig, glauben Afrikas traditionelle Religionen. Die Verstorbenen ‒ die „Lebendtoten“* nach afrikanischem Verständnis ‒ sind zwar unsichtbar für die Lebenden, aber sie greifen als Geistwesen mit magischen Fähigkeiten tatkräftig in den Alltag der Hinterbliebenen und Angehörigen ein. Lebende und Tote bilden in Afrika eine Solidargemeinschaft.

      → Einerseits bieten die Verstorbenen den Lebenden Hilfe, Fürsorge, Förderung, Beistand und Schutz oder sie geben Ratschläge oder übermitteln Warnungen, wenn sie gebührend verehrt und versorgt werden. Und sie sind eine kosmische Macht: sie vermitteln zwischen den Menschen und den Göttern.

      Gebet eines Häuptlings aus dem südlichen Afrika: „Ich bete zu euch ihr Geister unserer Verstorbenen, die ihr so große und edle Taten für uns vollbracht habt, um guten Fortgang und um Glück; ich bitte euch, dass ihr meinen Kraal** mit Vieh, meine Scheunen mit Korn, meine Häuser mit Kindern füllet, auf dass ihr uns nie aus dem Gedächtnis verschwindet.“

      → Anderseits sind die Verstorbenen zu jeder Untat fähig, wenn sie vergessen oder vernachlässigt werden. Sie können Missernten, Seuchen und den Tod herbeiführen. Besonders gefürchtet sind abgeschiedene Ahnenseelen, wenn sie als sogenannte Plage- oder Quälgeister aus dem Grab schleichen und Unheil stiften.

      Die einflussreichen Ahnen steuern also die Geschicke der noch lebenden Verwandten.

      Das Wohlwollen der Ahnen durch Gebete und Gaben wachzuhalten ist daher das A und O der traditionellen Religionen Afrikas.

      Um sich im irdisch gedachten Jenseits bequem ansiedeln zu können, werden den Verstorbenen Nahrungsmittel, Geräte, Matten, Tabakpfeife, Waffen, Schmuck etc. ins Grab mitgegeben. Denn die Toten fristen im Jenseits als Seelenmenschen (Abbilder des Körpers) kein Scheinleben, sondern erfreuen sich eines vegetativen Lebens mit sinnlichen Bedürfnissen. Sie genießen die Essenz der geopferten Speisen und Getränke, die „Rohstoffe“ überlassen sie den Priestern.

      Die Ahnen wissen also Anrufungen und Weihegaben zu schätzen.

      Der Ahnenkult hat in Afrika einen fruchtbaren Boden gefunden, weil in der Gesellschaft die Familie bzw. Sippe und nicht die selbständige Persönlichkeit des Einzelnen zählt.

      Ein Totengericht bleibt den Verstorbenen nach afrikanischer Tradition in der Regel erspart.

       In der Sphäre der Ahnen

      Die Verstorbenen weilen (unsichtbar, wie gesagt) in der Nähe der Lebenden, aber wo?

       Maske eines übelwollenden Ahnen (Volk der Ibibio, Nigeria)

      Wer stirbt, „geht zu den Ahnen“. In der Totenstadt ‒ heißt es beispielsweise in der Überlieferung der Ewe-Völker in Benin, Togo und Ghana ‒ wird ein würdiger Geist von den Einwohnern freudig empfangen und zum Haus seiner Vorfahren und toten Angehörigen geleitet. Die Ahnen richten ihm ein großes Fest aus und erfreuen sich ihrerseits an den Geschenken, die er aus der anderen Welt mitgebracht hat.

      Manche afrikanische Völker ‒ wie z.B. die Yoruba ‒ glauben an die Fähigkeit und Neigung der abgeschiedenen Seele, sich erneut einzukörpern und einen neuen Erdenlauf zu beginnen. Besonders beliebt ist die Wiedergeburt eines Verstorbenen in den Nachkommen seiner Herkunftsfamilie oder zumindest in der eigenen Blutverwandtschaft.

      Die Yoruba in Nigeria nennen einen Sohn oft „Babatunde“ (= Vater ist zurückgekommen) oder eine Tochter „Yetunde“ (= Mutter ist zurückgekommen). Im Zweifel ermittelt der Medizinmann des Stammes bei der Geburt eines Kindes, welcher Vorfahre wiedergekommen ist.

      Selbst die Wiedergeburt als Tier ist im Glauben verschiedener Stämme verankert. Der britische Wissenschaftler Theodore Besterman (1904-1976) hat bei seinem Studium der Religion von über 100 afrikanischen Völkern ermittelt, dass 36 Stämme an die Wiedergeburt als Menschen und 47 an die Wiedergeburt als Tiere glauben ‒ und 12 Stämme an die Wiedergeburt als irgendein anderes Wesen, etwa als Gespenst.

      Allgemein werden die Guten und Rechtschaffenen als nützliche Tiere wiedergeboren, die Schlechten z.B. als Aale. Nur Häuptlinge dürfen Löwen oder Flusspferde werden. Wer kinderlos stirbt, muss damit rechnen, als Frosch zurückzukommen.

      * Den Begriff „Lebendtote“ für Verstorbene prägte der afrikanische christliche СКАЧАТЬ