Herr Doktor, tut das weh?. U. S. Levin
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Название: Herr Doktor, tut das weh?

Автор: U. S. Levin

Издательство: Автор

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783963114854

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СКАЧАТЬ seiner Witwe in spe erblickte, begann sein rechter Herzmuskel zu zucken, wie ein an Land gespülter Fisch nach Luft schnappt. Letztendlich hatte er sein koronares Leiden auch der barbarischen Brutalität seiner sadistisch veranlagten Frau zu verdanken. Seine Ehe ähnelte der Menschheitsgeschichte eines prähistorischen Frühstadiums – ­körperliche Gewaltexzesse, sexuelle Übergriffe, die immer von Gitte ausgingen, und psychische Unterdrückung gehörten zu ihrem Ehealltag.

      Die Herzklappen kamen gerade recht, um nicht abzuklappen und Abstand in sein standesamtlich regle­mentiertes Martyrium zu bringen. Seine flüchtigen Gedanken kreisten nur um eines, der Flucht vor dieser gewaltigen, vor allem aber gewaltbereiten Matrone, die nicht nur mehr als das Doppelte von ihm wog, sondern nach dem Betreten des Patientenzimmers mit dem verschmitzten Lächeln einer überlegenen Mörderin an sein Bett trat – mit dem rechten Fuß.

      „He“, rief Gitte höhnisch, „aufwachen, Schlafmütze!“

      Hans-Peter kostete es unglaublich viel Kraft, seine Augen zu öffnen, und noch mehr Mühe, sie offen zu halten. Er hauchte ein energieloses: „Haaallooo!“

      „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht“, begann Gitte, ohne Rücksicht auf seinen instabilen Zustand. „Die alte, morsche Mauer brauchst du nicht mehr einzureißen.“

      In dieser Sekunde brachen wohl tausend Gedanken über Hans-­Peter herein: „Was … was ist … ist dann … dann die schlechte?“

      „Das war die schlechte.“ Und mit mütterlichem Stolz fügte Gitte hinzu: „Und die gute: Daniel kann schon Auto fahren.“

      „Aber er ist … ist erst zwölf!“

      „Nun reg dich nicht so auf! Er ist ja nicht weit gekommen.“

      „Und die … die Mauer?“

      „Stand im Weg.“

      „Mein Wagen, … mein schöner … neuer Wagen“, jammerte der frisch Operierte.

      „Nach Daniel fragst du wohl gar nicht!“

      „Was ist … ist mit ihm …?“

      „Nächste Woche wollen ihn die Ärzte aus dem Koma holen … Hans-Peter, Hans-Peter! Was ist … was ist mit dir? Ein Arzt! Schnell, ein Arzt!“

      Mit einem weinenden Auge verließ Gitte die Klinik. Mit einem lachenden eilte sie zur Lebensversicherung. Hans-Peter hinterließ ein hübsches Sümmchen.

      Als ich Gitte wenige Wochen nach der Beerdigung traf, konnte ich unmöglich ihre Einladung zu einer Tasse Kaffee abschlagen. Während ich meinen Espresso schlürfte, erzählte Gitte schweren Herzens von der Leere, die Hans-Peter hinterlassen hatte, und dass sie unbedingt wieder jemanden an ihrer großflächigen Seite haben möchte. Dabei presste sie meine zarten Beine zwischen ihre feisten Oberschenkel wie in einen Schraubstock.

       Guten Abend, Herr Müller, ich möchte Ihnen die Möglichkeit der Kondolenz zum Ableben meines Gatten einräumen.“

      Und dann fragte sie mich allen Ernstes, ob wir zwei süßen Turteltäubchen es nicht einmal versuchen könnten. Mit einem gewaltigen Ruck, die Angst verlieh mir plötzlich Bärenkräfte, befreite ich mich aus ihrem Klammergriff und stürzte aus dem Café. Wie ein von der Mafia Gejagter rannte ich mehrere Kilometer, ohne mich umzudrehen. In einem kleinen Park ließ ich mich erschöpft auf eine Parkbank fallen.

       Herr Doktor, tut das …?

      Gitte? – Niemals! Ich bin doch nicht lebensmüde. Und dann fiel mir plötzlich ein, und auch ein Stein vom Herzen: Gitte konnte mich gar nicht ehelichen. Ich bin nämlich schon verheiratet. „Puh!“, stöhnte ich erleichtert. Manchmal hat eine Ehe auch sein Gutes.

      Nicht verscherzen mit den Schmerzen!

      So sinnvoll Schmerzen auch sind, sie haben einen entscheidenden Nachteil: Sie tun weh! Ein weiteres Handicap: Schmerzen sind lästig und kommen unangemeldet wie die GEZ oder die Steuerfahndung.

      Als Hypochonder bin ich ein schwer zu therapierender Patient, fern aller schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten. Unentwegt geißeln mich die fürchterlichsten Beschwerden. Keiner weiß, woher sie kommen. Bereits bei dem Gedanken, mir könnte etwas wehtun, leide ich unter unerträglichen Qualen. Meine Hausärztin Frau Dr. Hupffeld erklärte mir: Das Schmerzempfinden der Menschen sei verschieden, außer bei Patienten, die bereits verschieden sind.

      Oft sitze ich, zu einem jämmerlichen Bündel gekrümmt, vor ihr. Ein wenig tut sie mir ja leid, denn sie findet zu meinen Symptomen keine passende Krankheit. Resigniert jammerte sie bei meiner letzten Sitzung: „Ich weiß nicht, wie ich Ihnen noch helfen könnte. Ich bin am Ende mit meinem Latein.“

      „Vielleicht mit einem passenden Schmerzmittel.“

      „Es gibt kein Mittel“, war sie den Tränen nahe, „was ich Ihnen nicht schon verschrieben hätte.“

      „Und wenn wir’s mal mit Morphium versuchen?“

      Entsetzt starrte sie mich an, als wäre sie beim ärztlichen Abrechnungsbetrug erwischt worden.

      „Sind Sie wahnsinnig geworden!?“, wurde sie laut, danach ganz still und in sich gekehrt. Um ihre Mundwinkel zuckte es plötzlich: „Genau, das ist es. Sie sind wahnsinnig, verrückt, durchgedreht. Ich überweise Sie zu einem Psychi­ater.“

      So landete ich bei Prof. Dr. Unglaube, einer weltweit anerkannten Kapazität auf dem Gebiet der Psychoanalyse.

      „Beginnen wir in der Kindheit“, begann der Nervenspezialist.

      „In Ihrer oder in meiner?“

      „Bleiben Sie bitte ernst!“

      Da ich nichts erwiderte, fuhr er fort: „Und nun schließen Sie bitte die Augen und entspannen sich!“

      Ich schloss die Augen und entspannte mich.

      „Atmen Sie ruhig und gleichmäßig!“

      Ich atmete ruhig und gleichmäßig.

      „Wurden Sie als Kind geschlagen?“

      „Ja, einmal.“

      „Wann?“

      „Montags einmal, dienstags einmal, mittwochs …“

      „Gut, gut – hören Sie auf! Sie wurden also misshandelt?“

      „Besser als gar nicht behandelt zu werden.“

      „Ich warne Sie zum letzten Mal!“

      Und dann bat er mich, vom Trauma meiner Kindheit zu erzählen, und mit tränenerstickter Stimme begann ich zu berichten: In unserem Haus mit acht Mietparteien gab es siebzehn Halbwüchsige. Ich war nicht nur der Kleinste, sondern auch der Schmächtigste. Ich war schlaksig und glänzte mit der körperlichen Haltung einer schief gewachsenen Krüppelkiefer. Bei СКАЧАТЬ