AVOGADRO CORP.. William Hertling
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Название: AVOGADRO CORP.

Автор: William Hertling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Singularity

isbn: 9783958351615

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      Mike erstaunte es immer wieder, wie er und David sich in dieselbe Situation hineinversetzen und sie doch auf völlig unterschiedliche Arten beurteilen konnten. Mike erlebte gerade die beste Zeit seiner Karriere, während er mit netten Kollegen an einem aufregenden Projekt arbeitete. Klar, es tauchten auch hin und wieder Typen wie Gary auf, aber das war Teil der Herausforderung. David betrachtete dasselbe Szenario und nahm Garys Einmischung persönlich. Schlimmer noch, er begann das ganze Projekt nur als eine Etappe auf dem Weg zu etwas Größerem zu sehen. Was war mit ihrer Freundschaft? Und war nicht der Weg eigentlich das Ziel?

      Mike blickte auf und stellte das Snowboard quer, um anzuhalten. Als er knirschend zum Stehen kam, war es absolut still in der kalten Luft der Berge. Die Skipiste teilte sich hier und David war bereits außer Sicht. Welchen Weg hatte er genommen?

      Ein paar Tage später steckte Mike seinen Kopf in Davids Büro. »Hast du mal eine Minute?«, fragte er.

      »Klar, lass mich das hier noch fertig machen.« Tippend und drückend zwang David dem Computer seinen Willen auf. »Was kann ich für dich tun?«

      Es war Dienstag und bereits später Abend, kaum drei Tage bis zum Ablauf von Garys Ultimatum. Die meisten im Team waren geblieben und hatten das Abendessen ausgelassen. David hatte Pizza besorgt. Mike wusste, dass das Budget der Abteilung durch die Anschaffung des kleinen Serververbunds, den David ein paar Monate zuvor gekauft hatte, erschöpft war. Das bedeutete, dass David das Essen vermutlich aus seiner eigenen Tasche bezahlt hatte. Jetzt aber machten sich die Softwareentwickler nach und nach auf den Heimweg und Mike nahm an, dass er nun ungestört mit David reden konnte.

      Mike zog einen der Bürostühle heran und drehte ihn, um sich verkehrt herum darauf zu setzen. »Ich glaube nicht, dass wir es schaffen. Es gibt nichts, das wir bis Ende der Woche tun könnten, was uns Garys Forderungen näher brächte. Ich habe das gesamte Team daran arbeiten lassen. Wir haben Tests mit jeder brauchbaren Idee laufen lassen, die uns in den Sinn kam, aber nichts zeigte Wirkung.« Er kreuzte die Arme über der Stuhllehne und wartete auf Davids Antwort.

      David saß einfach da, hatte die Hände vor sich gefaltet und starrte zum Fenster, das eine seltsame Mischung aus dem Licht von draußen und der Spiegelung des Büros zeigte. Mike bemerkte, dass David den Beleuchtungshack laufen ließ, der von einem Avogadro-Programmierer entwickelt worden war, um die automatische Beleuchtung zu umgehen. Der Hack war über die Jahre verbessert worden, sodass es nun möglich war, das Licht zu dimmen. David hatte es auf sehr dunkel eingestellt.

      Eine Minute verging und es war offensichtlich, dass David nicht antworten würde. Wenn es eine Sache gab, die Mike an David störte, dann war es seine Tendenz, gerade dann schweigsam zu werden, wenn viel auf dem Spiel stand.

      Eine weitere Minute verging und Mike begann sich innerlich zu winden. »Ich wünschte, ich könnte etwas finden«, sagte er schließlich, »aber ich weiß nicht was. Da ist dieses autodidaktische, serbische Wunderkind, der etwas mit Algorithmen für künstliche Intelligenz macht und er macht das auf seinem Heimcomputer. Ich habe seinen Blog gelesen und es klingt, als hätte er ein paar neue Ansätze für Referenzalgorithmen. Aber ich sehe keinen Weg, das, was er da entwickelt, bis zum Ende der Woche zu duplizieren.« Mike griff nach einem Strohhalm. Nach einem sehr dünnen Strohhalm. Er hasste es, David schlechte Nachrichten zu überbringen. »Vielleicht können wir die Genauigkeit des Systems reduzieren. Wenn wir weniger Sprachanalysecluster verwenden, können wir mit geringerer Speicherlast und weniger Rechenzyklen auskommen. Vielleicht …«

      »Nein, macht das nicht.«

      Davids Stimme tauchte aus dem Halbdunkel empor und ließ Mike aufschrecken. David hatte aufgesehen und lächelte Mike an. »Hör zu, mach dir keine Sorgen. Wir haben noch ein paar Tage. Ihr Jungs bleibt an der Sache dran. Der Führungsstab hat vor ein paar Wochen unsere Präsentation gesehen und sie hat ihnen gefallen. Wir wollen also nicht an der Genauigkeit herumbasteln. Das Programm arbeitet gut und hat alle beeindruckt. Lass dein Team weiter an der Performance arbeiten, aber rührt die Systemgenauigkeit nicht an. Ich sehe zu, dass ich die benötigten Ressourcen auf anderem Weg bekomme.«

      »Bist du da ganz sicher?«, fragte Mike mit erhobenen Augenbrauen.

      »Ja, das bin ich. Wir werden die Ressourcen bekommen.« David klang plötzlich zuversichtlich.

      Mike verließ ihn mit einem Gefühl der Verunsicherung. Ihre Galgenfrist lief in wenigen Tagen ab. Was hatte David vor?

      Nachdem Mike gegangen war, erhob sich David und ging zum Fenster hinüber. Er sah hinaus auf die nassen Straßen, die im Licht der Straßenlaternen glänzten. Die Straßenbahn von Portland hielt gerade vor dem Gebäude gegenüber, um ein paar Nachzügler aufzulesen.

      Auf der einen Seite war Gary Mitchell, der Leiter der Abteilung für Kommunikationsprodukte, ein Narr ohne Visionen. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass ELOPe als Erweiterung für gerade jenes Produkt gedacht war, für das Gary verantwortlich war, nämlich für Avogadros E-Mail-Service. AvoMail würde eine unglaubliche Aufwertung erhalten, wenn ELOPe einsatzbereit war und obwohl David die Anerkennung für die Entwicklung erhalten würde, wäre es doch Garys Abteilung, die durch zusätzliche Nutzer und steigende Umsätze finanziell davon profitieren würde. Alles was Gary tun musste, war das Projekt in geringstmöglicher Weise zu unterstützen, um den ganzen Ruhm einzustreichen.

      Auf der anderen Seite musste David zähneknirschend eingestehen, dass er, wäre er an Garys Stelle gewesen, sich auch Sorgen wegen möglicher Ausfälle gemacht hätte. Aber verdammt noch mal, manche Dinge waren das Risiko wert.

      David analysierte das vorliegende Dilemma. Gary würde nicht einwilligen, ELOPe auf seinen Servern zu lassen, weil es zu viel Ressourcen verschlang. Die F&E Server kamen nicht infrage, weil sie nicht leistungsfähig genug waren. Also musste ELOPe entweder weniger Ressourcen verbrauchen, was offenbar nicht möglich war, oder sie brauchten neue Server für den Betrieb. Oder die Anzahl der Mailserver musste sich vergrößern. Weniger Ressourcen zu verbrauchen, war ein technisches Problem. Mehr oder andere Server zu bekommen war ein menschliches Problem. Eigentlich ging es darum, die richtigen Menschen von der Notwendigkeit zu überzeugen. Da konnte er etwas machen. Er setzte sich wieder an seinen Computer, reckte die Arme, räumte einen Papierstapel aus den Weg und machte sich an die Arbeit. Er öffnete einen Editor und begann zu programmieren.

      Die Stunden vergingen wie im Flug. David sah auf die Uhr unten auf seinem Bildschirm und stöhnte. Christine würde ihn umbringen. Es war beinahe vier Uhr morgens. Sie vergab ihm seine zeitaufwendigen Arbeitsgewohnheiten, aber bei Nachtschichten machte sie ihm die Hölle heiß. Er würde zwei Tage lang unleidlich sein, bis er den verpassten Schlaf nachgeholt hatte und sie würde böse auf ihn sein, weil er so schlecht gelaunt war.

      Während er wieder versuchte, seinem Becher den letzten Tropfen Kaffee zu entringen, überlegte er bereits, sich mit einem weiteren Kaffee zu versorgen. Er hatte jetzt nichts mehr zu verlieren. Nach stundenlangem Programmieren erhob er sich unter schmerzvollem Protest seines Rückens. Seit seiner Diskussion mit Mike waren sechs Stunden vergangen und ihm schien, als habe er ihr Ressourcenproblem fast gelöst.

      Mit dem Becher in der Hand tappte er in Socken über den mit Kork ausgelegten Korridor. Er füllte ihn mit Kaffee, fügte Milch und Zucker hinzu und stand minutenlang da, halb benommen vom Schlafmangel und ließ sich von dem heißen Gebräu aufwärmen. Er blickte den Korridor hinauf und hinunter, die hellen und dunklen Muster verschwammen vor seinen müden Augen. Selbst das Brummen der spätabendlichen Staubsauger war nur noch eine vage Erinnerung und nun hatte sich eine seltsame Stille über die Büros gelegt, eine Art von Stille, die sich nur einstellte, wenn jedes lebende Wesen einen Ort schon vor Stunden verlassen hatte. David war sich nicht sicher, was das über ihn aussagte. Er schlurfte zurück an seinen Schreibtisch. Über seine Tastatur gebeugt sah sich David noch einmal die Programmzeilen СКАЧАТЬ