Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871. Michael Epkenhans
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СКАЧАТЬ beide Nationen, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven, endlich »reif« zu sein. Was war der Anlass für diese Annahme?

      [25]Ein Hohenzollernprinz auf dem spanischen Thron?

      Der Auslöser für einen Krieg zwischen Preußen und Frankreich war das Angebot der spanischen Königskrone an Prinz LeopoldLeopold (Prinz von Hohenzollern). Letzterer, der der katholischen Linie des Hauses Hohenzollern entstammte, hätte nach einer Wahl durch das Parlament die Nachfolge von Königin Isabella II.Isabella II. (Königin von Spanien) antreten können, die das Militär 1868 wegen ihrer autokratischen Herrschaft gestürzt hatte. Aus politischen und strategischen Gründen kam ein preußischer Prinz auf dem spanischen Thron für Frankreich jedoch nicht in Frage. Ein Konflikt war unausweichlich. Ob daraus aber ein Krieg entstehen würde, blieb abzuwarten.

      BismarckBismarck, Otto Fürst von scheute den Konflikt keineswegs. Ihm war jedes Mittel recht, um Frankreich politisch und militärisch zu schwächen. Daher befürwortete er gegenüber dem zögernden preußischen König die Kandidatur von Prinz LeopoldLeopold (Prinz von Hohenzollern). Der Versuch, die Kandidatur bis zur endgültigen Wahl durch das spanische Parlament geheim zu halten, misslang allerdings. Als die Personalie bekannt wurde, protestierte die französische Regierung aufs Schärfste. Unterstützt wurde sie von großen Teilen der Öffentlichkeit und den Abgeordneten in der Nationalversammlung, die die Ehre und Stellung Frankreichs bedroht sahen. Außenminister Antoine Herzog von GramontGramont, Antoine Herzog von gab in einer äußerst emotionalen Rede in der Nationalversammlung am 6. Juli den Ton vor:

      Wir glauben nicht, dass die Achtung vor den Rechten eines Nachbarvolks uns zu dulden verpflichtet, dass eine fremde Macht, indem sie einen ihrer Prinzen auf den Thron Karls V.Karl V. (dt. König und Kaiser) setzt, dadurch zu ihrem Vorteil das gegenwärtige Gleichgewicht der Mächte Europas derangieren und so sie Interessen und die Ehre Frankreichs gefährden darf.

      Damit änderte sich die Lage vollständig. BismarckBismarck, Otto Fürst von versuchte zwar weiterhin, die spanische Frage als interne Angelegenheit des Hauses Hohenzollern auszugeben, glaubwürdig war das aber nicht. So wie BismarckBismarck, Otto Fürst von mit seiner Unterstützung des Prinzen versucht hatte, Frankreich diplomatisch zu schwächen, setzte die französische Regierung nun ihrerseits alles daran, Preußen zu demütigen, indem sie einen Verzicht der Hohenzollern auf den spanischen Thron verlangte. Anfangs schien diese Strategie tatsächlich aufzugehen: Angesichts der zunehmend kriege[26]rischen Stimmung in Frankreich verzichtete der Vater des Prinzen bereits am 12. Juli auf die Kandidatur.

      Folgenschweres Treffen zwischen Wilhelm I.Wilhelm I. (preuß. König und dt. Kaiser) und dem französischen Botschafter Vincent BenedettiBenedetti, Vincent Graf von in Bad Ems am 13. Juli 1870. Frankreich forderte die Rücknahme der Kandidatur Prinz LeopoldsLeopold (Prinz von Hohenzollern) von Hohenzollern für den spanischen Thron. BismarckBismarck, Otto Fürst von ließ den Inhalt der Unterredung stark gekürzt in der sogenannten »Emser Depesche« veröffentlichen.

      Frankreich hatte damit eigentlich alles erreicht, doch die französische Regierung war mit dieser Zusage zum Verzicht nicht zufrieden. Sie wollte Preußen auch öffentlich demütigen. Im Namen seiner Regierung drängte der französische Botschafter in Berlin, Vincent Graf BenedettiBenedetti, Vincent Graf von, daher den preußischen König am Folgetag während eines Spaziergangs auf der Kurpromenade von Bad Ems, öffentlich einen Rückzieher zu machen. WilhelmWilhelm I. (preuß. König und dt. Kaiser) sollte verkünden, dass, so hieß es in dem bald als »Emser Depesche« weltbekannt gewordenen Telegramm, »ich für alle Zukunft mich verpflichtete niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückkämen.« Mit dieser Forderung hatte die französische Regierung den Bogen allerdings überspannt. Wilhelm I.Wilhelm I. (preuß. König und dt. Kaiser) wollte keinen Krieg mit Frankreich, aber er wollte auch nicht »als reuiger Sünder vor der Welt« erscheinen.

      [27]Mittels einer Depesche erfuhr BismarckBismarck, Otto Fürst von von der Unterredung. Er kürzte diese Nachricht in einer Pressemitteilung so, dass das Auftreten BenedettisBenedetti, Vincent Graf von gegenüber dem König vor den Augen der Welt als ungebührlich, die französischen Forderungen als anmaßend erschienen. Allgemein gilt die »Emser Depesche« bis heute als der Funke, der das Pulverfass zur Explosion brachte; allerdings zu Unrecht, denn als die Pressemitteilung in Paris bekannt wurde, waren die Weichen in Richtung Krieg dort bereits gestellt. Das französische Kabinett hatte angesichts der Nachricht BenedettisBenedetti, Vincent Graf von über seinen Misserfolg bereits in Anwesenheit des Kaisers getagt und auf Drängen des Kriegsministers die Mobilmachung beschlossen. Anders glaubten sie dem Druck der Rechten im Parlament und auf der Straße nicht standhalten zu können. Die »Emser Depesche« beschleunigte diesen Prozess, als sie am Abend des Tages bekannt wurde, indem sie die öffentliche Meinung weiter anheizte. Ein Zurück konnte es nun aus Pariser Sicht nicht mehr geben. »Zurückweichen, mit sich reden lassen, wir konnten es nicht; das ganze Land wäre [28]wider uns aufgestanden […] Wir konnten das Kaiserreich keinem zweiten Sadowa aussetzen, es hätte das nicht mehr ausgehalten«, bekannte Kaiserin EugénieEugénie (Kaiserin der Franzosen) in der Rückschau. Am 19. Juli 1870 übergab der französische Gesandte in Berlin die französische Kriegserklärung.

      Am 15. Juli 1870 erreichte die Nachricht von der französischen Mobilmachung Berlin. Von links Kronprinz Friedrich, Wilhelm I.Wilhelm I. (preuß. König und dt. Kaiser), BismarckBismarck, Otto Fürst von, MoltkeMoltke, Helmuth Graf von und Kriegsminister Albrecht von RoonRoon, Albrecht Graf von. Gemälde von Carl RöchlingRöchling, Carl, 1870.

      Bis heute streiten Historiker darüber, wer für diesen Krieg verantwortlich war. Zwar ist unstrittig, dass BismarckBismarck, Otto Fürst von bereit war, den Streit über die Thronkandidatur eskalieren zu lassen, um das Prestige Preußens zu stärken und Frankreich zu schwächen. Gleichwohl war es die Regierung in Paris, die durch überzogene Forderungen aus der Krise einen Krieg machte. BismarcksBismarck, Otto Fürst von Bereitschaft, einem Konflikt mit Frankreich entgegenzusteuern, war groß; doch ebenso groß war die Verantwortung Napoleons III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen) und seiner Regierung, die mehr forderte, als politisch klug war.

      Der Deutsch-Französische Krieg und Europa

      Ähnlich wie 1866 schauten die anderen Mächte Europas auch dieses Mal nur zu. Die Hoffnung Napoleons III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen), dass die Verlierer von 1864 und 1866, Dänemark und Österreich, ihn unterstützen würden, erfüllte sich nicht. Auch Italien hielt sich zurück, obwohl Napoleon III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen) glaubte, dass dieses Land durch die von ihm beförderte Einigung Italiens in seiner Schuld stehe. Alle vorherigen Absprachen über militärische Unterstützung im Falle eines Krieges waren aber letztlich unverbindlich geblieben.

      Russland wiederum stellte sich hinter Preußen. Mit der Stationierung von 300 000 Soldaten in Galizien signalisierte Zar Alexander II.Alexander II. (Zar von Russland) sein Gewicht in Europa, das Österreich zur Zurückhaltung veranlassen sollte. Dänemark wiederum, an dessen Küste französische Marinesoldaten hätten landen sollen, um der preußischen Armee in den Rücken zu fallen, entschied auf russischen, aber auch englischen Druck hin, Frankreich ebenfalls keine Hoffnungen auf seine Teilnahme an einem Krieg gegen Preußen zu machen. So sehr die Niederlage von 1864 und der damit verbundene Verlust der Herzogtümer schmerzten: Die Risiken einer Beteiligung am Krieg schienen Dänemark in jeder Hinsicht zu groß.

      Großbritannien erklärte ebenfalls seine Neutralität. Das Gefühl, das Frankreich grob fahrlässig Preußen provoziert hatte, überwog.

      [29]Über das Eine kann gegenwärtig kein Zweifel herrschen, dass aller Welt СКАЧАТЬ