Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis. Max Bernhard Weinstein
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis - Max Bernhard Weinstein страница 21

СКАЧАТЬ es dabei an: auf die Annahme von Seelenwesen (Geister, Nixen, Feen, Kobolde, Zwerge, Holde, Unholde, Gespenster, Dämonen, Teufel usf.), von Mineral-, Pflanzen-, Tier-, Menschenfetischen, von Orakeln, auf den Kult, der allem Voraufgenannten gewidmet wird, einschließlich der Bestattungs- und Grabgebräuche, und der Toten- und Seelenfeste, auf Menschenopfer und Kannibalismus, einschließlich der Blutgebräuche. Schon diese Aufzählung lehrt jeden, der Sagen, Märchen und Gebräuche der Völker kennt, daß keine Kultur frei von dem einen oder anderen Naturmenschlichen sich zeigt. Worauf es aber ankommt, ist der Nachweis des Ganzen, oder doch alles Wesentlichen; letzteres, weil Sitte oder Vorteil manches mildert oder entfernt, wie zum Beispiel Menschenopfer und Kannibalismus.

      Gehen wir nun auf das einzelne ein, so wird von Lippert vielen Kulturvölkern in ihrer geschichtlich heidnischen Zeit jeder andere Glaube als Seelen- und Ahnenglaube überhaupt abgesprochen. Den Littauern soll ein eigentlicher Götterglauben fehlen; was von ihnen erzählt wird, weise nur auf reinen Seelen- und Ahnenkult hin. Und es sei nicht denkbar, daß, wenn ein Volk, das vor noch nicht sechshundert Jahren zum Christentum bekehrt worden ist, eine Götterlehre besessen hätte, diese ihm in so kurzer Zeit so ganz aus dem Gedächtnis hätte schwinden können, und daß nicht einmal Chronisten und Missionare von ihr berichtet hätten. Von den zwei bestimmt überlieferten Gottheiten, Perkunas und Zemina, sei die erste wahrscheinlich nordgermanischen Ursprungs und importiert, die andere zweifelhafter Qualität.

      Von den Anschauungen der heidnischen Slawen hegt Lippert die gleiche Ansicht. Hier ist besonders interessant, was er von dem bekanntesten Slawenkult, dem des Swantewit auf Rügen, ausführt. Die genaue Beschreibung, die Saxo Grammaticus von diesem Kult gibt, bietet ihm selbst die Handhabe, im Swantewit nichts anderes zu sehen als einen Ahnen, der in der Weise der Naturvölker verehrt wird, also nicht etwa einen Himmels- oder Lichtgott, als der er nach der ersten Silbe seines Namens, welches Licht, Welt bezeichnet, von andern gedeutet worden ist. Diesen Namen erklärt er als „der der Swantower“, womit ebensowohl eine Familie wie eine Familiengemeinschaft bezeichnet sein konnte. Und eine Hauptstütze für seine Ansicht ist ihm das mit dem Kult verbundene Orakel, bei dem ein Roß, Swantewits Roß, die Hauptrolle spielt. Das Roßorakel ist auch bei den Germanen bekannt. Tacitus gibt darüber eine Auseinandersetzung, wonach kein anderes Orakel bei ihnen ein so großes Vertrauen genießt, denn sie halten sie (die Rosse) für die „Mitwissenden der Götter“. Hiernach wird das Roß für eine Art Tierfetisch erklärt. Damit vergleiche man aber, was die slawischen Mythographen lehren. Hanusch findet also in den Anschauungen der Slawen Übereinstimmung mit indischen und eranischen höchsten Lehren. Die Trimurti Brahma, Wischnu und Schiwa entsprechen ihm Piorun-Proven, Radegast, Porenut (als gutes Prinzip, wie auch die Göttin Siva; die Göttinnen Morana und Ubijica als verderbliches) als Triglav. Bei den Preußen: Perkun, Potrimbo, Pikollo. Ja die Übereinstimmung gehe so sehr ins einzelne, daß Piorun mit dem physischen, Proven mit dem geistigen Brahma übereinkomme, Piorun-Proven die physische und geistige Lichtgottheit darstelle, Radegast in gleichen Inkarnationen (Awatar) erscheine wie Wischnu, und die welterhaltenden und weltzerstörenden Eigenschaften Schiwas in entsprechenden Gottheiten nachgewiesen werden! Die Gleichheit mit den eranischen Anschauungen soll durch Bjelboh und Czernyboh gegeben sein; ersterer Ormuzd, letzterer Ahriman. Der Weiße Gott und der Schwarze Gott sind allerdings slawische Gewalten, die dem eranischen Dualismus entsprechen, aber nicht entfernt mit der hohen Bedeutung wie Ormuzd und Ahriman; sie unterscheiden sich wenig von gutem Geist und bösem Geist, immerhin ist die Kongruenz bemerkenswert. Swatowit und besondere Kundgebungen von ihm wie Swenteboh, Witislaw, Harowit, Rugiewit, Porewit, Jutreboh usf., die teils Friedensgötter, teils Tages- und Tageszeitengötter, auch Morgen- und Abendsterngötter sein sollen, emanieren von Belboh als dem Lichtgott; Wrag, Zlyboh von Czernyboh. Das Zutreffende dieser Parallelisierung wird außer an den Eigenschaften der Gottheiten auch an entsprechenden Festen der Eranier und der Slawen zu erweisen gesucht. Nun wird noch behauptet, daß die slawischen Anschauungen gewissermaßen die Verschmelzung der indischen und der eranischen darstellen. Bei den Preußen und Littauern soll Auschwe die Lichtgottheit, Puskaijtis die Finsternisgottheit bedeuten. Und es werden noch die bekannten indischen Göttinnen mit littauischen parallelisiert: Maja = Laima, Lakschmi = Lada, Parwati-Bhawani = Liethva (slawisch Baba), Saraswati = Perkunatele, Kali = Niola. Hanusch erkennt auch eigentlich slawische Elemente in der slawischen Götterlehre an. Und diese sollen sich beziehen auf eine Übertragung in die Natur der mehr abstrakten Begriffe, die ursprünglich jene Gottheiten bedeuteten, also auf eine Art Vermaterialisierung der altindisch-eranischen Anschauungen. „Das Äußere der Natur (ὕλη) war im Bewußtsein der Slawen das eigentliche Sein und wurde belebt von einem allgemeinen Geiste, der in den einzelnen äußeren Individuen als individueller Geist erschien. Doch war dieser Geist nichts anderes als eine Personifikation des Lebensprozesses, den man der Analogie nach zum Unbelebten hinzudachte.“ Das klingt fast wie im Geiste des Animismus gesprochen. Und hierher gehört auch das Zugeständnis von irdischen (und unterirdischen) Gottheiten neben oberirdischen und das der Anthropomorphisierung der Gottheiten (der Sonne, des Mondes, der Gestirne, des Wetters usf.), welche letztere in unzähligen Sagen und Liedern eine oft recht anmutende Rolle spielt. Das Ganze kommt auf einen Naturdienst heraus, mit mehr oder weniger wuchtigen Naturgewalten und mit einem unübersehbaren Heer von guten und bösen Geistern, dem sich ein Dienst von Schutzgeistern für alle Verhältnisse und Tätigkeiten des Lebens anschließt. Aber das alles liegt doch weit ab von dem Seelen- und Ahnenglauben, den Lippert den Slawen allein zugestehen will. Seelen Verstorbener als Gespenster und Dämonen kannten die Slawen auch nach Hanusch. Auch behandelten sie die Seelen mitunter wie die eigentlichen Naturvölker, gaben ihnen Grüße an früher Verstorbene mit, empfahlen ihnen geselliges Betragen gegeneinander usf. Ihre Gottheiten aber sind weder Seelen noch Ahnen. Ich weiß den Widerspruch nicht zu lösen; wieviel Unzutreffendes und gewaltsam Hineininterpretiertes auch in den Bearbeitungen der slawischen Mythologie durch slawische Schriftsteller vorhanden sein mag, alles kann unmöglich erfunden sein. Dagegen spricht schon, daß gegen den Dualismus Belboh-Czernyboh sich nichts einwenden läßt, er ist zu gut durch Schriftsteller und noch vorhandene Sagen und Lieder bezeugt. Hanusch hat zu wenig vom Kult (und den Gebräuchen), Lippert zu wenig von der Mythologie gesprochen. Bei Berücksichtigung beider, des Kultes und der Mythologie, wird man wohl den heidnischen Slawen und Littauern mehr die Anschauungen der Naturvölker zuschreiben, jedoch mit nicht wenigen höheren Ideen. Ob die letzteren ein Überrest der früheren Verbindung mit Indiern und Eraniern sind, wie Hanusch will, oder ob sie sich später ausgebildet haben, läßt sich nicht sagen.

      Noch schwieriger ist es natürlich mit den Germanen. Cäsar hat im 21. Kapitel des VI. Buches seines „Bellum Gallicum“ eine sehr wegwerfende Bemerkung über ihre Religionsanschauung gemacht. „Deorum numero eos solos ducunt quos cernunt et quorum aperte opibus juvantur, Solem Vulcanum et Lunam, reliquos ne fama quidem acceperunt.“ Also nur was sie sehen: Sonne, Feuer, Mond, und aus dessen Macht sie offensichtlich Nutzen ziehen, verehren sie. Das wäre freilich rein der Standpunkt des Naturmenschen, der auch alles nur körperlich auffaßt und es nur beschenkt, wenn ihm eine größere Gegengabe geleistet wird. Tacitus denkt aber über die Germanen erheblich besser. Er schreibt freilich 150 Jahre später, als die Germanen schon vieles an Kultur angenommen hatten. Allein er bringt auch sehr altes und einheimisches Material bei, da er wenigstens einigemal germanische Bezeichnungen benutzt. Er sagt nun im zweiten Kapitel seiner „Germania“, die Germanen feierten in alten Liedern „Deum Tuisconem, terra editum, et filium Mannum originem gentis conditoresque“, und erzählt nun wie Mannus drei Söhne hatte, aus denen die bekannten drei deutschen Hauptstämme seiner Zeit hervorgingen. Also jedenfalls sind die Germanen Nachkommen von Tuisco und Mannus. Von Mannus meint Jakob Grimm: „Kein Name kann deutscher klingen“. Aber was er ideell bedeutet, darüber besteht schon Streit. Der große Mythologe schreibt ihm einen tieferen Sinn zu: als „ein denkendes, seiner bewußtes Wesen“ bezeichnend. „Mannus aber ist der erste Helde, der Gottessohn und aller Menschen Vater“, und er parallelisiert ihn mit dem indischen Manus, der nach einer Version, auf Brahmas Geheiß, alle Geschöpfe, Götter, Asuren und Menschen schaffen sollte und alle Welten, Bewegliches und Unbewegliches. Dann wäre also der germanische Mannus etwas sehr Hohes. Aber wie paßt der Vater Tuisco dazu, der selbst aus der Erde hervorgegangen, also eine Art Erdgeist ist? Der Name ist nicht sicher, es bestehen infolgedessen auch viele Deutungen für den Gott. Die höchste geht auf den Himmel und setzt den Gott, dem Sinn und der Stellung nach, СКАЧАТЬ