Название: Familie Dr. Norden 729 – Arztroman
Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Familie Dr. Norden
isbn: 9783740963446
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Eine Hupe tönte laut durch die Straße. Es dauerte eine Weile, ehe Christian bemerkte, daß das Hupen nur ihm gelten konnte. Er war so sehr in einen medizinischen Artikel vertieft gewesen, daß er die Zeit völlig übersehen hatte. Erschrocken sprang er deshalb auf und lief zum Fenster, das weit offen stand, da sein möbliertes Zimmer noch nicht einmal über einen Balkon verfügte und die Hitze des Tages durch die schlecht isolierten Wände kroch. Eine kühle Brise umwehte ihn, als er den Kopf aus dem Fenster steckte und das elegante Cabrio von Leana unten auf der Straße stehen sah. Sie saß winkend im Wagen und lachte.
»Einen Augenblick, ich komme gleich.« Er stürzte zurück ins Zimmer, holte ein frisches Shirt aus dem Schrank und eine dunkle, schmal geschnittene Anzughose. Das Sakko warf er salopp über die Schulter. Obwohl der Abend schon dämmerte, war es immer noch recht warm, zu warm selbst für ein dünnes Schurwolljackett.
»Entschuldige meine Verspätung, Lea. Ich habe die Zeit über einem interessanten Artikel total vergessen«, erklärte er, als er sich kurz darauf atemlos in den Ledersitz setzte.
»Das passiert mir auch immer wieder«, gestand Lea lächelnd, nachdem sie Chris zur Begrüßung einen Kuß auf die Wange gegeben hatte. »Leider hat meine Umwelt nicht viel Verständnis dafür.«
»Meinst du mit deiner Umwelt unsere Freundin Saskia?« erkundigte sich Christian schmunzeln, während er sich anschnallte und den neuen silberfarbenen Wagen bewunderte.
»Sasa gibt sich wenigstens Mühe, mir meine Fehler nachzusehen. Aber Mutti ist einfach gnadenlos«, seufzte Leana tief.
»Inwiefern?«
»Sie hatte wohl gehofft, ich würde bei ihr auf dem Land bleiben, einen Mann suchen, liebe Kinderchen bekommen. Die alten Geschichten eben.«
»Das ist doch nur natürlich. Meine Mutter wünscht sich auch, einmal Enkelkinder zu haben«, erklärte Chris verwundert.
»Das mag schon sein. Aber es ist mein Leben, und ich will selbst entscheiden, was ich zu tun und zu lassen habe. Und im Moment ist mir meine Arbeit einfach wichtiger. Mutti hat mir ein Leben lang gesagt, wo es langgeht. Diese Fesseln habe ich endlich abgestreift und denke nicht daran, mich gleich wieder zu binden«, erklärte Lea und bog rasant in eine Seitenstraße ein.
»Es gibt also keinen Mann in deinem Leben?« fragte Chris eine Spur neugierig.
Leana warf ihm einen mißtrauischen Seitenblick zu.
»Nein, und darüber bin ich heilfroh. Welcher Mann hätte auf Dauer schon Verständnis für meine Arbeit?«
»Immerhin wäre es einen Versuch wert. Du bist eine tolle Frau, Lea«, gestand Christian offen.
»Was soll das sein? Ein Annäherungsversuch?« Sie lachte spöttisch.
»Keine Angst, da würde mir schon was Besseres einfallen«, gab er zurück. »Ich dachte, wir sind Freunde und können offen über alles reden.«
»Entschuldige, Chris, ich wollte dir nicht weh tun. Ach, kannst du mir mal mein Handy geben, es liegt im Handschuhfach und klingelt wie verrückt.« Sie machte ihn auf das penetrante Geräusch aufmerksam, das er standhaft ignoriert hatte.
»Natürlich.« Er reichte ihr den Apparat und verbrachte den Rest der Fahrt schweigsam. Lea war in ihr geschäftliches Telefonat vertieft, während sie versuchte, im abendlichen Verkehr die Übersicht zu behalten. Erstaunlicherweise passierte ihr kein Malheur, sie nahm keinem Wagen die Vorfahrt und überfuhr keine rote Ampel, worüber Christian sich nur wundern konnte. Endlich, als sie vor dem Café ›Schöne Aussichten‹ angelangt waren, beendete Leana das Gespräch.
»Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, Chris. Geh schon mal rein und sage Sasa Bescheid, daß wir da sind. Ich komme gleich nach. Nur ein einziger Anruf noch«, fügte sie mit treuherzigem Blick hinzu.
Seufzend tat er, was sie vorgeschlagen hatte. Im Café empfing ihn ein Dunstschleier aus Zigarettenrauch, Möbelpolitur und Essendüften, die sich auf geheimnisvolle Weise zu einer interessanten Mischung verbanden. Er blieb kurz stehen und schnupperte, sein Magen knurrte laut und vernehmlich, doch es gelang ihm nicht, das Gericht zu identifizieren, dessen Duft so verführerisch war. So drängte er sich weiter nach vorn an die Bar, wo Sasa in ihrer unbekümmerten Art schaltete und waltete. Es dauerte eine Weile, ehe sie ihn entdeckte. So blieb ihm genügend Zeit, sie unbehelligt zu beobachten. Auch heute trug sie wieder eine ausgeflippte Bluse, für seinen Geschmack ein wenig zu grell und ausgefallen. An ihren Ohren baumelten riesige Kreolen, die sich ständig in ihren Locken verfingen, doch das schien ihr nichts auszumachen. Christian konnte den Blick nicht lösen von diesem Ausbund an Temperament.
Plötzlich hob Saskia den Blick und schaute direkt in sein Gesicht, als hätte sie seinen Blick auf sich ruhen gespürt. Für Sekunden versanken sie ineinander, bis Sasa den Zauber löste, indem sie laut auflachte.
»Na endlich!« rief sie ihm über den Tresen zu, so daß sich die Gäste an der Bar neugierig zu ihm umdrehten. »Ich warte schon eine halbe Ewigkeit auf euch. Wo ist Lea?«
»Draußen im Wagen. Sie telefoniert noch«, gab er zurück und hielt die Hand ans Ohr, als hielte er einen Hörer, um seine Worte durch den Lärm hindurch zu verdeutlichen.
»Typisch!« Saskia schnitt eine Grimasse. »Geh schon mal vor, ich komme gleich.«
Christian blieb nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten, doch noch ehe er den Ausgang erreicht hatte, drängte sich Saskia dicht neben ihn. In der Hand hielt sie eine große Aluschale, aus der es verführerisch duftete.
»Hier, ich habe uns zur Stärkung einen kleinen Imbiß mitgebracht. Du magst doch Chicken Wings?«
»Kannst du Gedanken lesen? Ich stehe kurz vor dem Hungertod«, gestand er erleichtert und nahm ihr die Schale ab.
»Das habe ich dir gleich angesehen. Diese hungrigen Augen…« Sie wollte sich gerade an ihm vorbei zur Tür hinausdrängeln, doch in diesem Moment hielt er sie mit der freien Hand an der Schulter fest.
»Der Hunger in meinen Augen hat einen anderen Grund«, erklärte er heiser und spürte ihren Herzschlag, so nah standen sie beieinander.
»Wirklich?«
»Saskia, tu doch nicht so. Du spürst es doch auch, ich weiß es.«
»Also gut, Chris, du hast recht.« Sanft schob sie seine Hand von ihrer Schulter und trat vor ihm aus der Tür. »Wir hatten in den letzten Wochen wirklich viel Spaß miteinander. Ich habe schon lange nicht mehr soviel mit einem Mann gelacht wie mit dir.« Langsam gingen sie nebeneinander her auf Leas Wagen zu. Die telefonierte immer noch, so daß Sasa leise weitersprechen konnte. »Aber du gehst in ein paar Wochen wieder zurück nach Konstanz, und ich bleibe hier in München. Verstehst du, daß ich mir aus diesem Grund eine Liebesgeschichte mit dir ersparen möchte? Herzschmerz ist das letzte, was ich jetzt brauchen kann.«
»Das muß gar nicht sein. Wir sind uns beide klar darüber, daß wir nicht zusammenpassen. Du bist der wilde Feger und ich der konservative Arzt. Trotzdem könnten wir uns eine schöne Zeit machen, findest du nicht?«
»Einfach so, ohne jede Verpflichtung?« Saskia sah skeptisch drein.
»Ja, СКАЧАТЬ