Название: Total Compensation
Автор: Frank Maschmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Юриспруденция, право
Серия: Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch
isbn: 9783800592616
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b) Zulagen und Zuschläge
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Zulagen und Zuschläge sind nicht auf den Mindestlohn anzurechnen, wenn diese für ein Mehr an Arbeitsleistung gezahlt werden,167 mit ihnen also nicht nur die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergütet werden soll. Dies ist stets im Einzelfall anhand aller konkreten Umstände festzustellen.168 Entscheidend ist dabei, inwieweit mit dem verfolgten Leistungszweck eine besondere Leistung des Arbeitnehmers vergütet werden soll. Dieser ist durch Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarung zu ermitteln, wobei für einen Arbeitsvertrag der objektive Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB,169 für einen Tarifvertrag die allgemeinen Auslegungsgrundsätze für Gesetze heranzuziehen sind.170 Lässt sich das Telos nicht hinreichend ergründen, ist im Zweifel eine Anrechnung abzulehnen.171
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Zulagen und Zuschläge mittels derer Arbeit zu besonderen Zeiten vergütet werden soll – wie etwa Wechselschichtzulagen –, können grundsätzlich auf den Mindestlohn angerechnet werden, sofern die Zulage keiner besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt.172 Auszuscheiden hat eine Anrechenbarkeit aber in den Fällen der Nacht- und Schichtarbeit i.S.d. § 6 Abs. 5 ArbZG.173 Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen sind grundsätzlich mindestlohnwirksam und werden nicht zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn geschuldet.174
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Zulagen und Zuschläge für Arbeiten unter besonders unangenehmen, gefährlichen sowie körperlich oder psychisch belastenden Umständen (sog. Erschwerniszulagen) können ebenfalls grundsätzlich nicht angerechnet werden. Hierunter fallen etwa Zahlungen für Lärm, Hitze, Kälte, Schmutz oder besondere Gefahren. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Zulagen für eine Arbeit gezahlt werden, die in sich schon die besonderen Erschwernisse aufweist und eine separate Ausweisung im Vertrag nur deklaratorischen Charakter hat.175
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Akkord- und Qualitätsprämien wohnt der Zweck inne, den Arbeitnehmer zur Leistung von mehr Arbeit pro Zeit bzw. zu besonderer Arbeitsqualität zu motivieren. Gemeinsam ist ihnen, dass sie für eine über das Normalmaß hinausgehende Leistung bezahlt werden.176 Nach Auffassung des BAGs hat, unter Zugrundelegung der Entgelttheorie, dennoch eine Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn stattzufinden.177
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Indem der Arbeitnehmer über die für sein Beschäftigungsverhältnis vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet, erbringt er Überstunden.178 Hierbei leistet er im Vergleich zur normalen Arbeitszeit ein Mehr an Arbeit. Für dieses Sonderopfer entrichtet der Arbeitgeber Überstundenzuschläge, die gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Mindestlohn angerechnet werden können.179 Folgt man dagegen der teilweise in der Literatur vertretenen Gegenansicht, die eine Anrechnung verneint,180 ist es insoweit unerheblich, ob die geleistete Überstunde – beispielsweise bei einem Teilzeitbeschäftigten – unter der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers bleibt, da nur auf die über die vertraglich geschuldete hinausgehende individuelle Mehrarbeit abzustellen, nicht jedoch ein Vergleich mit Vollbeschäftigten vorzunehmen ist.
c) Sonderzahlungen
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Sonderzahlungen sind Arbeitgeberleistungen, die nicht regelmäßig, sondern nur zu bestimmten Anlässen oder Terminen gewährt werden.181 Dazu gehören bspw. das Weihnachtsgeld, ein 13. Monatsgehalt, Gewinnbeteiligungen, Prämien für Treue und Anwesenheit oder das Urlaubsgeld. Eine einheitliche Terminologie für Sonderzuwendungen hat sich (noch) nicht flächendeckend durchgesetzt. Nicht selten werden inhaltsgleiche Sondervergütungen unterschiedlich bzw. verschiedene mit derselben Bezeichnung benannt.182
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Zur Klärung der Frage, welche Sonderzahlungen auf den Mindestlohn anzurechnen sind, kommt der durch den Arbeitgeber gewählten Bezeichnung nur eine zweitrangige, lediglich indizielle Bedeutung zu. Abzustellen ist vielmehr auf den der Sonderzuwendung zugrundeliegenden Zweck. Soll lediglich die Arbeitnehmerleistung vergütet werden, hat eine Anrechnung zu erfolgen; wird eine sonstiger Zweck honoriert, hat diese zu unterbleiben. Kommt die Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarung zu keinem hinreichenden Ergebnis, ist eine Anrechenbarkeit im Zweifel zu verneinen.183
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Sonderzahlungen, die unter einem Widerrufs-, Freiwilligkeits- oder Rückzahlungsvorbehalt ausgezahlt werden, sind nicht auf den Mindestlohn anzurechnen.184 Dem steht selbst die Unwirksamkeit des Vorbehalts nicht entgegen.185 Stets kann eine Anrechnung nur dann erfolgen, wenn die gesamte Sonderzuwendung tatsächlich, vorbehaltslos und unwiderruflich ausgezahlt wurde.186 Insoweit ist dem Arbeitgeber anzuraten, Sondervergütungen nicht mehr einmaligjährlich zu gewähren, sondern diese anteilig, gemeinsam mit der jeweiligen monatlichen Grundvergütung, zu entrichten. Kommt er dem nicht nach, scheidet eine Anrechnung dennoch nicht aus.187 Zwar ist eine für die Zeit vor der Auszahlung bestehende, verzögerte Gewährung des Mindestlohns mit der gesetzgeberischen Intention, einen angemessenen Mindestschutz des Arbeitnehmers zu gewährleisten, nur schwerlich zu vereinbaren.188 Auch drohen bußgeldrechtliche Sanktionen nach § 21 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 3 MiLoG, da der mindestlohnrechtliche Fälligkeitstermin überschritten werden könnte, § 2 Abs. 1 MiLoG.189 Würde man aber nachträglichen Zahlungen die Erfüllungswirkung absprechen, wäre der Anspruch auf den Mindestlohn nicht klagbar.190 Ausreichend dürfte es in Hinblick auf § 2 MiLoG auch sein, wenn der Arbeitgeber die Sonderzuwendung zu Beginn des Jahres auf einmal vollständig und vorbehaltslos auszahlt, um diese dann für jeden Monat des Jahres mit 1/12 zu verrechnen (sog. Vorschussregelung).191 Um ganz sicher zu gehen, sollte die jährliche Sonderzahlung jedoch in ein laufendes monatliches Entgelt umgestaltet werden.192
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Enthält die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer Sonderzuwendung zusätzlich zur Entlohnung der Arbeitsleistung eine Gratifikation (sog. Sonderzahlung mit Mischcharakter), ist die Zahlung insgesamt als eine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung anzusehen.193 Ob eine Anrechnung erfolgen kann, richtet sich dann nach den dargestellten Prinzipien (s. Rn. 49 f.), ohne dass der für die Gratifikation entrichtete Anteil getrennt behandelt werden könnte. Dem Arbeitgeber ist deswegen anzuraten, Gegenleistungen für Normalarbeit und Gratifikationen nicht in einer Sonderzahlung zu kombinieren, sondern auf separate Sonderzuwendungen aufzuteilen.194 In Tarifverträgen können Sonderzahlungen mit Mischcharakter dagegen weiterhin verwendet werden. Dort finden die §§ 307 ff. BGB keine Anwendung.
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Wendet man die dargestellten Grundsätze an, ergibt sich für die einzelnen Sonderzahlungen nachfolgendes Bild: Sofern Weihnachtsgeld eine Gratifikation darstellt,195 ist es nicht auf den Mindestlohn anzurechnen.196 Gleiches Ergebnis gilt für gewährtes Urlaubsgeld, wenn dem Arbeitnehmer hierdurch zusätzliche Urlaubsaufwendungen ausgeglichen werden sollen.197 Ein 13. Monatsgehalt СКАЧАТЬ