Название: Total Compensation
Автор: Frank Maschmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Юриспруденция, право
Серия: Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch
isbn: 9783800592616
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In der betrieblichen Praxis werden zunehmend Plattformkonzepte als Drehscheiben für Crowdsourcing implementiert. Dabei werden auch hochqualifizierte Arbeitsaufträge in kleinteilige Arbeitspakete zerlegt. Anschließend lässt das Unternehmen diese ohne jegliche vertragliche Bindung nach dem Wettbewerbsprinzip von den Mitgliedern der Plattform bearbeiten.14 Entgolten wird dabei im Extremfall nur die beste Lösung, alle anderen Crowdworker gehen leer aus. Neben der monetären Vergütung kann hier aber auch der Wettbewerbsgedanke als Anreiz eine Rolle spielen, wobei ergänzend zum monetären Anreiz intrinsische Motive treten. Dabei werden Anleihen bei Computerspielen im Internet gemacht, indem Crowdworker für ihre eingereichten Beiträge Punkte erhalten. Diese gehen in eine jederzeit einsehbare Leistungsbewertung ein und zeigen an, wie der Einzelne im Ranking und damit im Vergleich zu allen anderen steht. So tritt zwar jeder gegen jeden an, gleichzeitig wird der Community-Gedanke jedoch aufrechterhalten. Dies stellt die Verbindung von Wettbewerb und Kooperation (coopetition) dar.15 Gleichzeitig kann der so erreichte Rang als Kriterium bestimmt werden, um für weitere (hochqualifizierte) Crowdsourcing-Projekte zugelassen zu werden. Dies bedeutet weitere Reputation in der Community und eröffnet gleichzeitig den Zugang zu gut, gegebenenfalls sogar hoch dotierten Projekten, sollte sich der eingereichte Lösungsvorschlag wiederum durchsetzen.16
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Hier greifen aus Vergütungssicht somit relativ einfache Marktmechanismen, wonach Unternehmen in Abhängigkeit von der Arbeitsform (Ergebnisorientierung, Zeitorientierung etc.) und v.a. der Schwierigkeit der Aufgabe einerseits, und der Anzahl der jeweils zur Verfügung stehenden (externen) Crowdworker andererseits entlohnen. Rechtlich gesehen sind Crowdworker selbstständig, womit z.B. in Deutschland aktuell bestehende Mindestlohnregelungen nicht greifen. Unternehmen werden gut beraten sein, diesen Spielraum mit aller Vorsicht zu nutzen, und nicht einseitig ökonomischer Rationalität zu folgen. Dies gilt ebenso für die mit der Logik des Crowdsourcing verbundene Option, globale Lohnkostenunterschiede unmittelbar zu nutzen. Die einseitige Auslagerung des ökonomischen Risikos an die Crowdworker mag kurzfristig Vorteile verheißen, jedoch werden diese kaum nachhaltig sein. Unabhängig von einer gesellschaftlichen Verantwortung werden Unternehmen sich vielmehr fragen müssen, wie sich dauerhaft vertrauensvolle und gegenseitige Beziehungen mit Crowdworkern aufbauen lassen, wenn bis dato interne Unternehmensprozesse geöffnet werden, unternehmerisches Wissen nach außen fließt (Know-how-Verlust) und Arbeitsprozesse gegebenenfalls nicht mehr gänzlich kontrolliert werden können. Die Einführung eines fairen Mindestlohns bzw. fairer Mindeststandards für externe Crowdworker würde den Betreibern der Plattformen darüber hinaus helfen, ihr Geschäftsmodell zu legitimieren und zu stabilisieren und die Attraktivität ihrer Angebote für solche Konsumenten und Investoren zu erhöhen, die eine entsprechende gesellschaftliche Verantwortung einfordern.17 So steht es etwa jedem Auftraggeber/Unternehmen frei, einen Crowdworker im Sinne eines gewillkürten Arbeitsverhältnisses als Arbeitnehmer zu beschäftigen und ihm somit alle mit der Anwendung des geltenden Arbeitsrechts verbundenen sozialen Sicherungen einzuräumen.18
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Die Gewerkschaften beginnen bereits, ein gesteigertes Engagement für Crowdworker zu zeigen. Ein erster Schritt ist z.B. das Schaffen von Referenzsystemen in Form von frei zugänglichen, selbstorganisierten Internetplattformen, die aufzeigen, welche Erfahrungen Crowdworker mit ihren Auftraggebern gemacht haben und wie fair bzw. unfair sich der Crowdsourcer verhalten hat. Darüber hinaus wird versucht werden, insbesondere international tätige Unternehmen auf die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) und auf die Orientierung der Entgelte am jeweiligen nationalen Einkommensniveau und an den jeweiligen nationalen Mindestlöhnen zu verpflichten, indem Betriebsräte und Gewerkschaften die Einhaltung dieser Standards durch entsprechende Abkommen bei den Auftraggebern absichern.19 Da die derzeit rechtlich schwache Position der externen Crowdworker mittelbar auch Druck auf reguläre Beschäftigungsverhältnisse ausüben kann, werden die Betriebsräte ihre Informations- und Beratungsrechte intensiv wahrnehmen, um ein genaues Bild zu haben, welche Arbeiten über externes Crowdsourcing vergeben werden. Hier wird dann verstärkt versucht werden, analog zu Leiharbeit und Werkverträgen, mit den Arbeitgebern Mindestbedingungen für externe Crowdworker auszuhandeln.
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Aus gewerkschaftlicher Sicht wird darüber hinaus die Frage zentral sein, ob sich überbetriebliche Regelungen entwickeln lassen, die Mindestbedingungen festlegen. Dazu ist prinzipiell nicht notwendigerweise die Regulierung durch den Gesetzgeber erforderlich, wie das Beispiel der Zeitarbeit zeigt, wo die Lohnlücke zum Stammpersonal in fast allen relevanten Branchen per Tarifvertrag geschlossen werden konnte – auch wissend, dass derzeit aufgrund des arbeitsrechtlichen Status als Selbstständige für Crowdworker Tarifverträge keine Anwendung finden können. Letztlich hängt dies dann davon ab, wie der rechtliche Status des Crowdworkers final bestimmt werden wird.20 Mit Blick auf das interne Crowdsourcing werden die Betriebsräte ihre bestehenden weitreichenden Mitbestimmungsrechte einfordern.
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Wird der Crowdsourcing-Ansatz unternehmensintern angewendet (internes Crowdsourcing), etwa in der Entwicklung, ergeben sich Möglichkeiten, quasi virtuelle Akkordzettel zu erstellen, die nicht nur eine virtuelle Einsatzsteuerung der Mitarbeiter in relevanten Projekten erlauben, sondern – insbesondere wenn dies mit einem Punktesystem verbunden wird – ebenso ein entsprechender (Leistungs-)Vergleich der internen Crowdworker, etwa über die Kriterien Termintreue, Zeit, Aufwand und Qualität des Arbeitsergebnisses. Im Falle des internen Crowdworkings bleibt das Arbeitsverhältnis und damit der bisherige Arbeitnehmerstatus des Crowdworkers bestehen, insofern kann der Arbeitgeber hier die Vergütung nicht in toto von der Zahl der erfolgreichen Bewerbungen auf der internen Crowdplattform und der dabei erzielten Arbeitsergebnisse und anderer Kriterien wie Termintreue etc. abhängig machen, weil dem der Beschäftigungsanspruch entgegen steht. Jedoch lässt sich (entsprechend automatisiert) ein Datensatz zu den Leistungsbeiträgen des Mitarbeiters auf der internen Plattform jederzeit auswerten und kann so in eine Leistungsbewertung einfließen. Ist diese mit dem Entgeltsystem verbunden, wäre damit die direkte Verknüpfung zur variablen Vergütung, wie auch für den leistungsbezogenen Gehaltsüberprüfungsprozess, möglich.
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Schließlich ergeben sich Anforderungen an die Ausgestaltung der Anreizsysteme aus den unterschiedlichen Protagonisten in der sich ändernden Arbeitswelt. Dabei geht es zum einen um die Gruppe der Arbeitnehmer, deren aktueller Arbeitsplatz und damit verbundene Arbeitsinhalte und Anforderungen vom Wandel zur „Arbeitswelt 4.0“ betroffen sein werden. Will der Arbeitgeber die vorhandenen Potenziale seines internen Arbeitsmarktes weiterhin nutzen, so ergibt sich das Erfordernis, frühzeitig gegenzusteuern. Mit integrierten Entwicklungsmaßnahmen sind die Mitarbeiter auf neue Aufgaben und geänderte Anforderungen vorzubereiten. Hier bedarf es einerseits einer Integration der qualitativen Personalplanung in die Unternehmensplanung und andererseits der bereits skizzierten Integration von spezifischen Weiterbildungs- und Trainingsangeboten und -budgets in ein ganzheitliches Anreizsystem.
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Zum anderen wird aus unternehmerischer Gestaltungssicht insbesondere die Gruppe relevant sein, die als freiwillig selbstständig anzusehen ist. Diese plant ihre Karriere unabhängig von spezifischen Unternehmenszugehörigkeiten. Größte Bedeutung hat hier das Element Barvergütung, wenn möglich in Verbindung mit Formen der (aktienbasierten) СКАЧАТЬ