Название: Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman
Автор: Leni Behrendt
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leni Behrendt
isbn: 9783740916930
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Damit drückte er sie in den alten Sessel aus Weidengeflecht, der wie unwillig ächzte, und nahm dann selbst auf einem Stuhl so vorsichtig Platz, als hieße es, sich in Nesseln zu setzen.
Denn der Hüne mit dem robusten Knochenbau wog immerhin seine guten zwei Zentner bei einer Größe von 1,85. Und in dieser dürftigen Bude war alles wackelig und morsch.
Doch der Stuhl hielt, und der Mann sah zu dem Mädchen hin, das ihn unfreundlich musterte.
»Wie kommen Sie überhaupt dazu, mich so ohne weiteres zu duzen?« fragte es ungehalten, was den Mann jedoch nicht zu beeindrucken schien.
»Na, man immer hübsch friedlich, Kindchen!« meinte er nachsichtig. »Mit falschem Stolz, Trotz oder anderen Mätzchen imponierst du mir gar nicht. Ich vertrete als dein jetziger Vormund Vaterstelle an dir, und da wäre es ja lächerlich, wollte ich dich siezen. Zu deiner Orientierung: Ich heiße Onkel Philipp, merke dir das bitte. Warum hast du auf meinen Brief nicht geantwortet?«
»Weil ich im Krankenhaus lag, als er hier eintraf«, entgegnete sie immer noch abweisend. »Ich fand ihn heute bei meiner Rückkehr erst vor.«
»Nun, dann hast du ja darin lesen können, daß man mich zu deinem Vormund bestimmte. Ist es dir bekannt, daß man mir kurz nach dem Tode meines Sohnes einen Brief von ihm zustellte?«
»Ja. Ich fand ihn in seinem Nachlaß und schickte ihn ab. Hat mein Stiefvater Sie etwa in dem Schreiben gebeten, mein Vormund zu werden?«
»Ganz recht. Es war ein langer, sehr ausführlicher Brief, der mich genau über alles orientierte – auch darüber, daß mein Sohn deine Mutter und somit auch dich durch seinen Leichtsinn an den Bettelstab brachte – und daß du zuletzt gar deinen Stiefvater mit deinem kleinen Stenotypistinnengehalt mit unterhieltest…«
»Bitte, Herr Hadebrecht…«
»Onkel Philipp, wenn ich bitten darf.«
»Aber ich kann doch einen Menschen, den ich zum erstenmal sehe, nicht gleich duzen!« begehrte sie auf, doch er winkte gemütlich ab.
»Warum denn nicht? Ich kann es ja auch.«
Da gab sie es auf. War ja viel zu müde und matt, um sich gegen den Willen dieses Hünen aufzulehnen, der starr wie ein Fels zu sein schien.
»Na schön – dann Onkel Philipp«, resignierte sie. »Es ist ja auch alles egal. Was ich für meinen Stiefvater tat, geht niemand etwas an, will ich meinen.«
»Oho, mein Kind, und wie mich das etwas angeht!« grollte sein Baß jetzt auf. »Alles geht mich an, was dich betrifft. Auch daß du noch das Letzte für deinen leichtsinnigen Stiefvater hingabst – nämlich die kleine Wohnung, die dir noch geblieben war. Die verkauftest du einem jungen Ehepaar, um dem Toten ein anständiges Begräbnis geben zu können. Du selbst krochst dann in dieser scheußlichen Bude unter und aßest dich nicht satt, weil du schon seit zwei Monaten arbeitslos bist und weil die Arbeitslosenunterstützung zum Sterben zuviel und zum Leben zu wenig ist, wie man so sagt. Kein Wunder, daß du nach alledem zusammenbrachst und ins Krankenhaus gebracht werden mußtest…«
»Woher weißt du denn das alles?« lachte sie nervös dazwischen. »Das kann dir dein Sohn doch unmöglich auch noch geschrieben haben.«
»Natürlich nicht. Denn bei den letzten Geschehnissen war er ja bereits tot. Aber man kann ja Erkundigungen einziehen, nicht wahr? Und nachdem das nun alles bestens geklärt ist, werde ich als Vormund mit meiner ersten Amtshandlung beginnen. Also: Du packst sofort deine Koffer und kommst mit mir in mein Haus, das fortan deine Heimat sein soll.«
Nach diesen energischen Worten war es zuerst einmal still.
Dann fragte das Mädchen spöttisch:
»Und was soll ich da – etwa das Gnadenbrot essen?«
»Mein liebes Kind, den Ton wollen wir erst gar nicht zwischen uns aufkommen lassen!« entgegnete der Mann zwar ruhig, doch blitzte es in seinen Augen gefährlich auf. »Vergiß bitte nicht, daß ich als dein Vormund gewisse Erziehungsberechtigung über dich habe und Verantwortung zugleich. Also kann ich nicht dulden, daß du nach dem Nervenfieber – ja, sieh mich nur so groß an, ich weiß auch davon – in dieser scheußlichen Bude bleibst und so elend, wie du bist, womöglich die Jagd nach einer Arbeitsstelle beginnst. Um überhaupt arbeiten zu können, brauchst du zuerst einmal Pflege, die dir in meinem Hause zuteilwerden wird. Wenn du dann wieder auf der Höhe bist, werde ich dir zu einem Posten verhelfen – und zwar in meinem Betrieb – wo kein windiger Abteilungsleiter dich an die frische Luft setzen wird, weil du ihn bei seinen Belästigungen gehörig in die Schranken wiesest…«
Jetzt mußte er über ihr verblüfftes Gesicht lachen.
»Ja, ja, Kleine! Wie du siehst, bin ich über dich vollkommen im Bilde. Ich mußte mich doch schließlich vergewissern, über welch ein Persönchen ich, die Vormundschaft übernehmen sollte.
Und nun Schluß mit der Debatte! Und keine Widerrede, bitte ich mir aus. Pack deine Sachen, damit wir abfahren und noch vor Dunkelwerden nach Hause kommen können.«
Silje Berledes hätte sonst wohl nicht so ohne weiteres über sich bestimmen lassen – denn sie besaß eine ziemliche Portion Eigenwillen und vor allem einen stark ausgeprägten Stolz. Aber jetzt war sie durch die schwere Krankheit so sehr geschwächt, daß sie einfach nicht die Kraft hatte, sich einem so starken Willen widersetzen zu können.
»So sei es…«, fügte sie sich gottergeben. »Ich komm ja jetzt doch nicht gegen dich auf. Dafür fühle ich mich zu elend.«
»Nur gut, daß du das endlich einsiehst, mein Kind! Am besten ist, du packst jetzt einen Koffer mit dem Notwendigsten, alles andere kann deine Wirtin dir nachschicken. Oder traust du ihr nicht?«
»Nein. Ich besitze zwar nicht viel, aber darunter doch einiges, woran ich hänge. Und das möchte ich nicht auch noch verlieren.«
Müde erhob sie sich und trat an den Schrank, der so wurmstichig war, daß er in nächster Zeit wohl zusammenbrechen würde. Auf der Holzstange hingen fein säuberlich über Bügel getan einige Kleider, und oben auf dem Brett lag ein Hut.
Aber danach griff Silje jetzt nicht. Sie holte vom Boden ein unförmiges Etwas hervor, legte es auf den Tisch und mußte nun doch über das verdutzte Gesicht des Mannes lachen.
»Hierin befindet sich eben das, woran mein Herz noch hängt«, erklärte sie. »Ich habe es in eine Decke genäht, um es vor neugierigen Augen – und Habgier zu schützen.«
»Raffiniert getarnt«, schmunzelte er. »Darf man fragen, was in dem Monstrum steckt?«
»Die Geige von meinem – Paps…«
Weiter ging es nicht, die Stimme brach.
Hastig wandte Silje sich ab, zog zwei Koffer unterm Bett hervor und begann zu packen. Das fiel ihr nicht leicht. Sie mußte immer wieder einhalten, um sich auszuruhen.
»Bitte, Onkel Philipp«, sagte sie zuletzt schon ganz nervös. »Fahre heute allein, ich komme morgen nach.«
»Darauf werde ich mich nun nicht verlassen«, versetzte er trocken. »Da fasse ich mich lieber in Geduld, bis du fertig bist.«
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