Ausgewählte historische Romane. Levin Schucking
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Название: Ausgewählte historische Romane

Автор: Levin Schucking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027225880

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СКАЧАТЬ diesem Augenblick knallte seitwärts ein Schuß – noch einer. – »0 Gott, die Juno, die Juno!« rief Anton, der oben stand; »Herr von Katterbach haben die Juno totgeschossen!« Er griff nach seinem Gewehr und wollte in das nahe Gebüsch eilen.

      »Bleib hier, Anton, hier!« rief Herr von Driesch, der blaß geworden war und zu zittern anfing. Die Zweige des Gebüsches öffneten sich, und Türk, der andere Hund, kam heraus mit blutigem, zerschossenem Hinterlauf und hüpfte winselnd auf seinen Herrn zu. Gleich darauf wurden die tauspritzenden Aeste höher noch einmal bewegt, schlugen auseinander und heraustrat der Hofrat, Freiherr von Katterbach, mit verzerrten Mienen, ohne Mütze, die Haare wild ums Gesicht und den Kolben seines Gewehrs an die Wange schlagend; hinter ihm stand lachend der lange Philipp.

      Jetzt schrie Herr von Driesch laut auf und nahm Reißaus, Johannes hinter ihm her. Ein Schuß fiel. »Fort, fort, Papa!« rief Johannes. Papa bedurfte des Sporns nicht. Ein donnerndes Hoho! schallte hinter ihm her.

      »Mord, Mord!« keuchte er und lief durch frischgepflügte Ackerschollen, durch Gestrüpp und Dorn, über Gräben und Hecken in die weite Welt hinein.

      Der letzte Schuß war jedoch kein Mordversuch gewesen; es war Anton, der, wütend geworden über den Schmerz seines Lieblings Türk, die gelbe Bracke des Hofrats totgeschossen hatte und dann gleichfalls davonlief, ins nächste Gebüsch hinein. Der Hofrat und Philipp folgten nun diesem in raschem Laufe. – Trotzdem gönnte Herr von Driesch sich fürs erste keine Ruhe. Johannes, der längere Beine hatte, fand endlich Spaß an dieser Jagd. – »Gnaden Papa«, sagte er:

      »Wir fliehn die Grenze jetzt und süße Vatermatten.«

      »Schau einmal um, schau mal um«, sagte Herr von Driesch.

      Johannes schaute um. – »Ich sehe niemand, Papa!«

      Herr von Driesch blieb stehen und holte Atem. »In der Tat, niemand!« sagte er dann, nachdem er sein Auge hatte über die Gegend schweifen lassen. »Sie werden meinen, wir wären nach Grünscheidt gelaufen, und uns dahin folgen wollen; sie werden uns in unserm eigenen Hause erschießen wollen. O canina rabies! Aber wart', das soll euch betrügen. Johannes, da wir nun doch einmal auf dem Wege sind, so wollen wir gleich weiter gehen bis nach Bechenburg; wir können heut' abend da sein. Dann hat der Waldteufel, der Mörder doch seinen Weg nach Grünscheidt umsonst gemacht!«

      Johannes war's schon recht, und beide wanderten weiter. Nach einer Weile hub Herr von Driesch wieder an: »Johannes, ich mag Bechenburg wohl!«

      »Ja, Gnaden Papa, aber die Hexe!«

      »Ist immer besser als solch ein Waldteufel. Ich denke, wir wollen auf Bechenburg fürs erste wohnen bleiben, Johannes.«

      »Nein, Papa, auf Bechenburg sind lauter alte Binsenstühle.«

      »Verwöhnter Schlingel, sollen wir uns in Grünscheidt totschießen lassen?«

      Johannes antwortete nicht; nach einer Weile Trabens sagte er: »Wenn Papa mir den falben Fritze schenkt.«

      »Den falben Fritz? Daß du ihn in drei Wochen zuschanden reitest? Nichts da. Aber ein Sofa will ich dir auf Bechenburg anschaffen.«

      Johannes gab seine Einwilligung anfangs nicht zu erkennen. Je weiter aber die beiden Wanderer fortschritten und je müder die Gliedmaßen des Junkers wurden, desto mehr Wert und Reiz bekam für ihn das gepolsterte Möbel, worauf das Versprechen des Vaters lautete.

      Nachdem sie etwa noch zwei Stunden schweigend zurückgelegt hatten, blieb er endlich stehen, um auszuruhen und sagte dann zögernd: »Aber es muß von Roßhaaren sein, Gnaden Papa!«

      »O Junkerlein, wie wird es dir ergehen!« seufzte Herr von Driesch.

      Die beiden Reisenden schritten fürder. Nachdem sie in einer kleinen Stadt Mittagsruhe gehalten und sich gelabt, erhob sich ein Zank zwischen beiden, weil Johannes durchaus verlangte, daß man Extrapost nehme, wogegen Herr von Driesch einwandte, daß er erstens noch heute und zweitens ungefährdeten Leibes und heiler Gliedmaßen auf Bechenburg ankommen wolle.

      »Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, Johannes«, sagte Herr von Driesch.

      Wege und Posten waren damals so, daß Johannes gegen diese Argumente endlich nichts mehr anzuführen wußte. Sie kamen nun in Westfalen hinein. Das Land zeigte sich ihnen anfangs von seiner schlechten Seite; es waren stundenlange Heiden, über die sie oft, um gerader zu gehen, auf wenig betretenen Schäferpfaden wandern mußten. Der Tag war heiß, und Herr von Driesch mußte häufig stehen bleiben, um sich die Stirn abzuwischen. Endlich gegen Abend zog ein Gewitter am Horizonte auf. Herr von Driesch war durchaus kein Liebhaber dieser Naturerscheinung; Das Toben der Elemente verschwendete alle seine Großartigkeit an ihn umsonst, denn er pflegte Türen und Läden schließen zu lassen und sich in den tiefsten Keller zurückzuziehen, um ein De profundis anzustimmen, solange er Gott in den Donnern hörte. Und nun auf offener Heide! Er schritt weit, weit aus; der Sturm begann, schwere Tropfen fielen einzeln auf seine Stirn, dicke Staubwirbel wehten über die Heide. Endlich war der Saum eines Gehölzes erreicht, dessen Aeste und Stämme gepeitscht wurden, als seien es schlanke Kornhalme. Johannes stellte' sich unter einen der nächsten Wipfel, Herr von Driesch aber hielt die Nähe der hohen Bäume zu gefährlich; er schritt wieder auf die Heide hinaus und legte sich der Länge nach in ein tiefausgefahrenes Wagengleis. Die Blitze schienen ihm alle bloß nach seinem Kopfe zu zielen, so nahe zuckten sie über die Erde hin. Ein prasselnder Donnerschlag schmetterte in den andern; – »Johannes, Johannes!« rief Herr von Driesch.

      »Was soll ich, Papa?«

      »Gott möge ihnen vergelten, was sie heute an mir tun«, stöhnte der geängstigte Schäfer der Pegnitz, die in dem tiefen Gleis von den Regengüssen nachgebildet wurde und um ihn rauschte – »O Johannes, mein lieber Sohn Johannes!« – Johannes kam heran. – »So, Kind, du verlässest mich nicht; du sollst Vater und Mutter ehren, Johannes; komm, tritt hierhin, über mich, auf beide Ufer von diesem Gleise – mit gespreizten Beinen, so – etwas weiter die Beine auseinander, so!«

      »Aber, was hilft's? Ich werde naß und Gnaden Papa auch.«

      »Tut nichts, mein Sohn, bleib' nur so stehen, Kind!«

      »Nein, Papa, laß mich unter den Baum zurück.«

      »Bleib, sage ich oder« – fuhr Herr von Driesch zornig auf; dann bekreuzigte er sich: »Gott verzeih' mir die Sünde!«

      »Aber Papa, wenn ich nur wüßte, was es bedeuten soll?«

      »Sollst es erfahren, nachher; steh nur, steh!«

      »Soll ich den falben Fritze haben, Papa? – Ich kann's gar nicht mehr aushalten.«

      »Nimm ihn, nimm ihn, lieber Sohn, Herzensjunge, aber steh!«

      Johannes stand wie der Koloß von Rhodus in verjüngtem Maßstab, die Beine über seinen Vater spreizend, der unten im Gleise lag und nur zuweilen hin und her ruckte, wenn das Wasser in gar zu starken Güssen auf ihn zubrodelte; sooft aber ein Blitz und fast im Augenblicke darauf der Donnerschlag kam, schnellte er vor Angst aus der Flut in die Höhe wie ein Fisch an warmen Sommertagen. So verging fast eine halbe Stunde, worauf die Zwischenräume zwischen Blitz und Donner länger wurden und das Rollen des letztern aus knatterndem Rasseln in ein dumpfes und fernes Getöse überging.

      »Gott sei Dank!« sagte Herr von Driesch; »laß mich jetzt aufstehen, Johannes!« Er erhob sich; sein Schäfername, der Säuberliche, war im eigentlichen Wortverstande beschmutzt, СКАЧАТЬ