A.I. APOCALYPSE. William Hertling
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Название: A.I. APOCALYPSE

Автор: William Hertling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Singularity

isbn: 9783958352513

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СКАЧАТЬ er das verstanden hatte, war für ihn klar, dass er die Grundlagen nutzen musste, von denen er wirklich etwas verstand – und das waren Biologie und Evolution.

      In der realen Welt passte sich das Leben an. Ein biologischer Virus veränderte sich über die Zeit durch genetische Mutation. Während die Wirte eine Immunität gegen bekannte Viren entwickelten, mochte eine Art aussterben oder mutieren und zu einem neuen Virus werden. Leben überhaupt veränderte sich permanent durch natürliche Selektion. Eine genetische Variante, die einen Überlebensvorteil brachte, würde sich ausbreiten und zur Norm werden, während Varianten, die dem Überleben im Weg standen, weniger häufig werden würden, da die Organismen mit diesem Erbgut starben und sich nicht fortpflanzen konnten.

      Leon dachte daran, wie die Evolution sowohl durch sexuelle Reproduktion ablief, in der der Nachwuchs eine Mischung des Erbmaterials der Eltern mit auf den Weg bekam, aber auch durch spontane Mutation, bei der Gene zufällige Veränderungen durchliefen, meist durch Fehler beim Kopieren der DNS-Sequenz. Für einen Computervirus wären das, was einer DNS am nächsten käme, die Softwarealgorithmen, die der Virus benutzte.

      Leon zeichnete Diagramme auf seinen Bildschirm, unterteilte die Problemstellung in die vier primären Funktionen eines Computervirus. Verbreitung war die Art, wie ein Virus sich von einem Computer zum nächsten bewegte. Infektion war die Art und Weise, wie das Virus einen Computer übernahm und sich selbst installierte. Gegenmaßnahmen waren der Schutz, mit dem sich der Virus der Entdeckung durch Antivirensoftware entziehen konnte. Wenn Leon einen evolutionären Virus schreiben wollte, musste er eine ganze Reihe von Methoden der Übertragung, Infektion und möglicher Gegenmaßnahmen beinhalten. Und wenn der Virus sich reproduzierte, würde er die erfolgreichsten Methoden weitergeben und die weniger erfolgversprechenden aussortieren. Aber während er das Material von Onkel Alex durchsah, erkannte er, dass dieser Ansatz alleine nicht ausreichen würde. Wenn die Algorithmen, die sein Onkel ihm geschickt hatte, wirklich gut funktionieren würden, hätten seine Viren sich ausbreiten müssen. Wenn sie das aber nicht taten, so war das ein sicheres Zeichen dafür, dass sie nicht effektiv waren.

      Das bedeutete, dass Leon für seinen Virus neue Quellen finden musste. Er schob den letzten Bissen Kuchen in seinen Mund und zog die Notizen zu seinem Kurs in Kultureller Anthropologie heraus. Er erinnerte sich, dass sein Problem dem ähnelte, was innerhalb kleiner, indigener Volksstämme geschah: Sie brauchten neues genetisches Material von außerhalb ihrer eigenen Sippe. Leon ging durch seine Notizen, bis er den Absatz über Ausgestoßene fand. Während er seine Notizen durchlas, erkannte Leon, dass die Stämme Mitglieder untereinander austauschten, um genetische Varianz sicherzustellen. Manchmal endeten einige von ihnen als Ausgestoßene, andere Stammesmitglieder wurden in Kriegen gefangen genommen, und manche Stämme raubten sich gegenseitig die Frauen. All diese Mechanismen brachten neues genetisches Material in die Population und verbesserten so ihre Überlebenswahrscheinlichkeit. Was für zivilisierte Völker wie barbarisches Verhalten aussah, war in Wirklichkeit ein ausgeklügelter Langzeitplan, um die Gesundheit, die genetische Varianz und das Überleben der Spezies sicherzustellen.

      Sein Virus würde also andere Software ›überfallen‹ müssen, um neues ›genetisches‹ Material zu erlangen. Das bedeutete, dass es nötig war, nutzbringendes Verhalten erkennen zu können. Wenn eine Software Daten an eine andere übermittelte, so würde das die Ausbreitung des Virus unterstützen, wäre also ein Kandidat für eine Übernahme. Wenn eine andere Software als Teil ihres Programmcodes in der Lage war, wiederum andere Software zu aktivieren, so würde dies die Infektion unterstützen, da es notwendig war, ein Programm zu starten, um einen Computer zu infizieren. So eine Software wäre ebenfalls ein nützlicher Kandidat.

      Was Gegenmaßnahmen gegen Entdeckung anging, dachte Leon, dass es ein guter Anfang wäre, wenn sich sein Virus häufig verändern würde und andere Programme imitierte, indem es ihren Programmcode stahl. Er entschied sich, einen Schritt weiter zu gehen und seinem Virus eine gewisse Funktionalität zu geben: Wenn das Virus aussah wie eine Ente und quakte wie eine Ente, dann würden die meisten glauben, dass es auch eine Ente war, anstatt misstrauisch zu werden. Er brauchte also eine Quelle für so eine nützliche Funktion, aber woher sollte er sie nehmen?

      Er könnte natürlich Anwendungsdatenbanken plündern. Jeder betrieb heutzutage konkurrierende App-Stores, um Teil des hart umkämpften Softwaremarktes zu sein. Diese App-Stores boten neben Kaufsoftware auch kostenlose Anwendungen an. Wenn Leon seinen Virus so eine kleine kostenlose App herunterladen ließ und deren Funktionalität in die Startdatei des Virus einband, würde er Nutzern wie ein reguläres Programm erscheinen.

      Damit war die grobe Planung für sein Virus beendet. Der Computerbildschirm war voll von animierten Diagrammen der Programmarchitektur. Leon sah nach unten und war überrascht, einen leeren Teller auf dem Tisch vorzufinden. Er hörte seine Eltern im Wohnzimmer. Mühsam erhob er sich aus seinem Stuhl und sah bei einem Blick aus dem Fenster, dass es schon dunkel geworden war. Wie viele Stunden waren wohl vergangen? Seine Mutter hatte vermutlich gedacht, dass er an seinen Hausaufgaben saß und ihm Abendessen gebracht. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, wann er den Teller geleert hatte.

      Schemenhafte Bilder des Virus geisterten durch Leons Kopf. Er hatte eine Grundstruktur, aber es war, als ob man ein Haus auf Papier gemalt hatte. Jetzt musste er es wirklich bauen. Oh Mann, und dafür hatte er nur drei Tage Zeit. Er musste mal. Nach einem kurzen Besuch im Bad kehrte Leon an seinen Tisch zurück und ging an die Arbeit.

      »Leon, komm endlich.«

      »Ich hab doch gesagt, in einer Minute.«

      »Dein Vater und ich sind schon fertig und warten an der Tür.«

      Es war drei Tage und drei Stunden her, seit er begonnen hatte, an dem Virus zu arbeiten. Er hatte dafür an allen drei Tagen die Schule geschwänzt und die Anwesenheitskontrolle der Schule so manipuliert, dass es aussah, als ob ihn seine Mutter für einen Familienurlaub abgemeldet hätte. Er hatte rund um die Uhr gearbeitet und seiner Mutter erzählt, dass er ein Referat für die Schule vorbereitete. Leon sah sich die Mail ein letztes Mal an und drückte auf ›Senden‹. Er sah auf die Uhr: halb acht. Das bedeutete, dass es morgens halb drei in Moskau war. Würde sein Onkel noch wach sein?

      »Leon, komm jetzt endlich!« Die Stimme seines Vaters war barsch und mit schwerem Akzent.

      »Schon unterwegs, ich komme.« Leons Hände waren schweißnass. Er hatte lange nicht über Gott nachgedacht und sicher nicht mehr mit ihm gesprochen, seit er ein kleiner Junge gewesen war. Aber jetzt presste er die Hände aneinander und murmelte ein kleines Gebet: »Bitte Gott, sorge dafür, dass dieser Virus nicht zu mir zurückverfolgt werden kann.« Er dachte einen Moment nach. »Und lass mich bitte auch ein Stipendium bekommen.«

      Leon griff nach seiner Jacke und gesellte sich zu seinen Eltern, die ihn entgeistert anstarrten. »Was ist nur mit dir los? Wir warten seit zehn Minuten auf dich«, sagte sein Vater.

      Leon zuckte nur mit den Achseln, aber hielt den Mund. Alles, was er sagen konnte, würde seine Eltern nur noch ärgerlicher machen.

      Auf der anderen Seite der Welt prüfte Alexis Gorbunov den Status des Botnetzes, sein Gesicht leuchtete bläulich im Schein des Bildschirms. Rauch stieg von der Zigarette in seinem Mund auf, sein linkes Auge war permanent zugekniffen.

      Ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen, sprach er in das Smartphone auf seinem Tisch. »Wir haben 5000 Computer.«

      »5000 sind gar nichts. Sie könnten genauso gut sagen, dass Sie gar nichts haben.« Der Besitzer der Stimme war offensichtlich wütend. Alexis zuckte ratlos mit den Achseln, was der Mann am Telefon natürlich nicht sehen konnte, sagte aber nichts.

      »Alexis, das Botnetz ist unsere Haupteinnahmequelle. Sie nehmen die Situation nicht ernst genug.«

      Das СКАЧАТЬ