Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama. Gerhart Hauptmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama - Gerhart Hauptmann страница 3

Название: Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066112813

isbn:

СКАЧАТЬ Wie man doch einmal so sein konnte! Merkwürdig! So was hat man sich nun allen Ernstes in den Kopf gesetzt. Baare Kindereien sind es gewesen, kann mir nicht helfen, Du! — nach Amerika auswandern ’n Dutzend Gelbschnäbel wie wir! — wir und Musterstaat gründen! Köstliche Vorstellung!

      Loth. Kindereien?! — tjaa! In gewisser Beziehung sind es auch wirklich Kindereien gewesen! Wir unterschätzten die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens.

      Hoffmann. Und daß Du nun wirk—lich hinaus gingst — nach Amerika — all—len Ernstes mit leeren Händen .... Denk’ doch mal an, was es heißt, Grund und Boden für einen Musterstaat mit leeren Händen erwerben zu wollen: das ist ja beinahe ver.... jedenfalls ist es einzig naiv.

      Loth. Ach, gerade mit dem Ergebniß meiner Amerikafahrt bin ich ganz zufrieden.

      Hoffmann laut auflachend. Kaltwasserkur, vorzügliche Resultate, wenn Du es so meinst ...

      Loth. Kann sein, ich bin etwas abgekühlt worden; damit ist mir aber gar nichts Besonderes geschehen. Jeder Mensch macht seinen Abkühlungsprozeß durch. Ich bin jedoch weit davon entfernt, den Werth der .... nun, sagen wir hitzigen Zeit zu verkennen. Sie war auch gar nicht so furchtbar naiv, wie Du sie hinstellst.

      Hoffmann. Na, ich weiß nicht?!

      Loth. Du brauchst nur an die Durchschnittskindereien unserer Tage denken: das Couleurwesen auf den Universitäten, das Saufen, das Pauken. Warum all der Lärm? Wie Fips zu sagen pflegte: um Hekuba!

      Um Hekuba drehte es sich bei uns doch wohl nicht; wir hatten die allerhöchsten menschheitlichen Ziele im Auge. Und abgesehen davon, diese naive Zeit hat bei mir gründlich mit Vorurtheilen aufgeräumt. Ich bin mit der Scheinreligion und Scheinmoral und mit noch manchem Anderen ....

       Hoffmann. Das kann ich Dir ja auch ohne Weiteres zugeben. Wenn ich jetzt doch immerhin ein vorurtheilsloser, aufgeklärter Mensch bin, dann verdanke ich das, wie ich gar nicht leugne, den Tagen unseres Umgangs. — Natürlicherweise! — Ich bin der letzte, das zu leugnen. — Ich bin überhaupt in keiner Beziehung Unmensch. Nur muß man nicht mit dem Kopfe durch die Wand rennen wollen. — Man muß nicht die Uebel, an denen die gegenwärtige Generation, leider Gottes, krankt, durch noch größere verdrängen wollen; man muß — alles ruhig seinen natürlichen Gang gehen lassen. Was kommen soll, kommt! Praktisch, praktisch muß man verfahren! Erinnere Dich! Ich habe das früher gerade so betont, und dieser Grundsatz hat sich bezahlt gemacht. — Das ist es ja eben. Ihr alle — Du mit eingerechnet — Ihr verfahrt höchst unpraktisch.

      Loth. Erklär’ mir eben mal, wie Du das meinst.

      Hoffmann. Einfach! Ihr nützt Eure Fähigkeiten nicht aus. Zum Beispiel Du: ’n Kerl wie Du, mit Kenntnissen, Energie etc., was hätte Dir nicht offen gestanden! Statt dessen, was machst Du? Com—pro—mit—tirst Dich von vornherein der—art ... na, Hand auf’s Herz! hast Du das nicht manchmal bereut?

      Loth. Ich konnte nicht gut bereuen, weil ich ohne Schuld verurtheilt worden bin.

      Hoffmann. Kann ich ja nicht beurtheilen, weißt Du.

      Loth. Du wirst das gleich können, wenn ich Dir sage: die Anklageschrift führte aus, ich hätte unseren Verein Vancouver-Island nur zum Zwecke parteilicher Agitation ins Leben gerufen; dann sollte ich auch Geld zu Parteizwecken gesammelt haben. Du weißt ja nun, daß es uns mit unseren colonialen Bestrebungen Ernst war, und was das Geldsammeln anlangt, so hast Du ja selbst gesagt, daß wir alle miteinander leere Hände hatten. Die Anklage enthält also kein wahres Wort, und als Mitglied solltest Du das doch ...

      Hoffmann. Na — Mitglied war ich doch wohl eigentlich nicht so recht. — Uebrigens glaube ich Dir selbstredend. — Die Richter sind halt immer nur Menschen, muß man nehmen. — Jedenfalls hättest Du, um praktisch zu handeln, auch den Schein meiden müssen. Ueberhaupt: ich habe mich in der Folge manchmal baß gewundert über Dich: Redacteur der Arbeiterkanzel, des obscursten aller Käseblättchen — Reichstagscandidat des süßen Pöbels! Und was hast Du nu davon? — versteh mich nicht falsch! Ich bin der letzte, der es an Mitleid mit dem armen Volke fehlen läßt, aber wenn etwas geschieht, dann mag es von oben herab geschehen! Es muß sogar von oben herab geschehen, das Volk weiß nun mal nicht, was ihm noth thut — das „Von-unten-herauf,“ siehst Du, das eben nenne ich das „Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-rennen.“

      Loth. Ich bin aus dem, was Du eben gesagt hast, nicht klug geworden.

      Hoffmann. Na, ich meine eben, sieh mich an! Ich habe die Hände frei: ich könnte nu schon anfangen was für die Ideale zu thun. — Ich kann wohl sagen, mein praktisches Programm ist nahezu durchgeführt. Aber Ihr ... immer mit leeren Händen, was wollt denn Ihr machen?

      Loth. Ja, wie man so hört: Du segelst stark auf Bleichröder zu.

      Hoffmann geschmeichelt. Zu viel Ehre — vorläufig noch. Wer sagt das? — Man arbeitet eben seinen soliden Stiefel fort. Das belohnt sich naturgemäß — wer sagt das übrigens?

      Loth. Ich hörte darüber in Jauer zwei Herren am Nebentisch reden.

      Hoffmann. Ä! Du! — Ich habe Feinde! — Was sagten die denn übrigens?

      Loth. Nichts Besonderes. Durch sie erfuhr ich, daß Du Dich zur Zeit eben hier auf das Gut Deiner Schwiegereltern zurückgezogen hast.

      Hoffmann. Was die Menschen nicht alles ausschnüffeln! Lieber Freund! Du glaubst nicht, wie ein Mann in meiner Stellung auf Schritt und Tritt beobachtet wird. Das ist auch so ’n Uebelstand des Reich.... — Die Sache ist nämlich die: ich erwarte der größeren Ruhe und gesünderen Luft wegen die Niederkunft meiner Frau hier.

      Loth. Wie paßt denn das aber mit dem Arzt? Ein guter Arzt ist doch in solchen Fällen von allergrößter Wichtigkeit. Und hier auf dem Dorfe ....

      Hoffmann. Das ist es eben: der Arzt hier ist ganz besonders tüchtig; und, weißt Du, so viel habe ich bereits weg: Gewissenhaftigkeit geht beim Arzt über Genie.

       Loth. Vielleicht ist sie eine Begleiterscheinung des Genies im Arzt.

      Hoffmann. Mein’twegen, jedenfalls hat unser Arzt Gewissen. Er ist nämlich auch so’n Stück Ideologe, halb und halb unser Schlag — reussirt schauderhaft unter Bergleuten und auch unter dem Bauernvolk. Man vergöttert ihn geradezu. Zu Zeiten übrigens ’n recht unverdaulicher Patron, ’n Mischmasch von Härte und Sentimentalität. Aber, wie gesagt, Gewissenhaftigkeit weiß ich zu schätzen! — Unbedingt! — Eh ich’s vergesse .... es ist mir nämlich darum zu thun .... man muß immer wissen, wessen man sich zu versehen hat .... Höre! .... sage mir doch .... ich seh Dir’s an, die Herren am Nebentische haben nichts Gutes über mich gesprochen. — Sag’ mir doch, bitte, was sie gesprochen haben.

      Loth. Das sollte ich wohl nicht thun, denn ich will Dich nachher um zweihundert Mark bitten, geradezu bitten, denn ich werde sie Dir wohl kaum je wiedergeben können.

      Hoffmann zieht ein Checbuch aus der Brusttasche, füllt einen Chec aus, übergiebt ihn Loth. Bei irgend einer Reichsbankfiliale .... Es ist mir ’n Vergnügen ....

      Loth. Deine Fixigkeit übertrifft alle meine Erwartungen. — Na! — ich nehm es dankbar an und Du weißt ja: übel angewandt ist es auch nicht.

      Hoffmann mit Anflug von Pathos. Ein Arbeiter ist seines Lohnes werth! — Doch jetzt, Loth, СКАЧАТЬ