Gesammelte Werke. Robert Musil
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Robert Musil

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026800347

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СКАЧАТЬ mich nicht mit einer Unaufrichtigkeit scheiden: Du glaubst natürlich auch, daß ich ein Hochstapler bin? Aber es ist nicht wahr.

      Alpha bleibt stehn: Warum willst Du noch zum Abschied lügen?

      Vinzenz: Aber um Gotteswillen, nein. Du denkst auch, ich sei im Zuchthaus gesessen, ich treibe mich mit Mördern und Frauenzimmern herum und spiele? Ich will Dir die lautere Wahrheit sagen: In Wahrheit lebe ich wie jeder andre. Ich langweile mich, verbringe meine freien Stunden im Kino, im Variété oder bei einem bescheidenen bürgerlichen Skat, gehe ins Theater, in Kunstausstellungen und langweile mich auch dort, lebe mein Leben, wie es jeder andre anständige Mensch tut, ohne das Bewußtsein, seine Ursache zu sein, und ohne Melodie, Richtung, Rausch, Tiefe. Das einzige, was ich voraus habe, ist, daß ich keinen rechten Beruf besitze, weshalb ich das vielleicht ein bißchen freier durchschaue als andre.

      Alpha: Du bist kein schlechter Mensch?

      Vinzenz: Leider nein. Ich will freilich nicht sagen, daß ich gar kein Talent dazu hätte –

      Alpha: Eben. Sie nimmt ihren Weg wieder auf, bleibt aber gleich nochmals stehn. Wozu hat man nicht Talent! Aber man kann es nicht gelten machen!

      Vinzenz: Du sagst es. Du hast wirklich vorhin viel mehr Talent zur Leidenschaft verraten, als selbst ich Dir zugetraut hätte. Aber wie kommt man über das Talent hinaus? Ich sage Dir: nur durch Talentlosigkeit, durch Arbeit, Ernstnehmen und das andre Unangenehme; Geist kann sich ja nur als Abweichung vom Ungeist bemerkbar machen, und dem Talent fehlt ohne entsprechende Beschränktheit sozusagen der Ernst. Es ist besser, man nimmt seine Talente nicht ernst.

      Alpha: Dir fehlt der Ernst für Dich selbst! – Ich habe Dir schon gesagt, daß Du geistig tot bist für mich: aber warum hast Du damals, ich spreche jetzt von der Vergangenheit, warum hast du damals, als ich Dir gesandt war, nicht den Mut zu Deinem Ernst gefunden?!

      Vinzenz: Es läutet! Er schickt sich an zu öffnen.

      Alpha: Antworte! Es läutet abermals, sehr energisch.

      Vinzenz: Aber Liebe zwischen zwei Menschen von Bedeutung ist doch keine Privatangelegenheit. Er läuft hinaus. Zurückkehrend. – Sondern ihr Gesamtverhältnis zur Welt! Ich kann Dir nur raten: Mach deinen Frieden mit der Welt. Schau, er hat einen Blumenstrauß.

      Apulejus-Halm ist eingetreten, sorgfältig gekleidet und einen Blumenstrauß in der Hand. Sein Auftreten ist sehr gehalten und sicher.

      Alpha: Warten Sie! Du bist ein Defektgenie! Ich nicht!!!

      Vinzenz: Hätte ich nur den geringsten Defekt! Ich wäre unwiderstehlich! – Ich hätte dann eine Manie, ein Steckenpferd, eine heimliche Perversion, eine Sendung, ich wäre Künstler, Liebhaber, Gauner, Geizhals, Bürokrat, mit einem Wort irgendein bedeutender Mann und hätte den Ernst des Lebens. Aber ich bin heillos gesund. Er betrachtet ungeniert Hahn. Ich sehe doch alles ganz klar um mich, einen Stieglitz von Ernsten. Jedoch ich bin ein harmonischer Mensch, ich habe dieses Unglück; während jeder andre in einer Farbe angestrichen ist, bin ich harmonisch gesprenkelt. Und natürlich brauche ich mir nur ein wenig unter die Federn sehn zu lassen, so glaubt jeder, ich sei so angestrichen wie er.

      Halm gemessen, aus erreichter unnahbarer Höhe: Sie sind ein Hochstapler. Das ist festgestellt.

      Vinzenz: Aber höchstens wenn ich mich einsam fühle; aus sozialem Empfinden sozusagen, mache ich von meiner Mehrfarbigkeit Gebrauch und tue zuweilen, als ob ich ein Hochstapler wäre. Zu Alpha. Meine einzige Hochstapelei besteht darin, daß ich keiner bin. Er reicht Alpha die Hand. Sei mir nicht bös. – Und laß ihn doch nicht so lang warten.

      Alpha zuckt enttäuscht die Achseln. Sie hat nun ihren Entschluß gefaßt: Was wollen Sie mit den Blumen?

      Halm den Strauß hebend: Unsre Freunde werden Ihnen doch wohl schon gesagt haben. Ich darf hoffen, daß nach – nach der Unzuverlässigkeit Sie die treue Anhänglichkeit eines Gatten wieder zu schätzen wissen.

      Alpha nimmt die Blumen: Lieber Halm, ich schätze Ihr Verdienst. Ich werde Ihnen auch gleich antworten. Aber bitte, Sie müssen mich vorher noch mit jemand verbinden. Ich gebe Ihnen die Nummer. Sie sucht im Telefonbuch.

      Halm währenddessen zu Vinzenz: Sie sind nun erledigt. Aber kann ich Ihnen vielleicht irgendwie weiterhelfen?

      Vinzenz: Ich möchte Bedienter werden: Haben Sie vielleicht eine Empfehlung?

      Halm: Bedienter? Köstlich.

      Vinzenz: Am liebsten würde ich es bei Ihnen; da kenne ich schon einigermaßen die Verhältnisse.

      Halm: Sie möchten sich wohl gar zu gerne noch jetzt lustig machen. Aber die Verhältnisse haben sich geändert!

      Alpha: Hier, lieber Halm, diese Nummer rufen Sie mir bitte an.

      Halm während er verbindet: Das ist ein sehr bedeutender Mann, dieser Baron Ur auf Usedom.

      Vinzenz mißtrauisch zu Alpha: Das ist doch nicht der, welcher einmal bei uns in der Loge saß, dieser kleine Schimpanse?

      Halm: Ein unermeßlich reicher und bildungsfreundlicher Mann.

      Vinzenz: Am Kopf hat er einen ekelhaften Ausschlag?

      Halm: Der ist in der Heilung begriffen. – Ja, hier Halm, Doktor Halm, Gatte der Frau Alpha, ja, meine Frau kommt selbst.

      Alpha: Ich danke Ihnen, Halm. Hier Alpha ….

      Oh? …

      Sie hört zu, ohne zu antworten. Die Männer stehn schweigend.

      Alpha unterbricht das Gespräch, deckt die Sprechmuschel mit der Hand ab und wendet sich an Vinzenz: Du willst also wirklich gehn?

      Halm: Natürlich, er muß gehn!

      Alpha nimmt das Telefongespräch wieder auf: Also, Sie können in einer halben Stunde hier sein. Verschwenden Sie sich nicht vorher. Sie hängt ab. Sie wissen, was es bedeutet?

      Halm: Nein?

      Alpha: Er hat mir vor drei Wochen einen Heiratsantrag gemacht.

      Halm schüttelt bewundernd den Kopf: Ach, ach!

      Alpha: Den ich abgewiesen habe.

      Aber ich hatte ihm eins zusichern müssen: Wenn ich meinen Entschluß je bereuen sollte, es ihm auf dem kürzesten Weg mitzuteilen. Sie läßt sich erschöpft, mit mühsam geheuchelter Gleichgiltigkeit, in einen Stuhl fallen.

      Halm: Aber Alpha, eigentlich sind ja doch wir verheiratet, wir sind ja noch nie richtig geschieden worden!?

      Alpha: So?

      Müde. Dann laufen Sie bitte zu einem Rechtsanwalt und bringen Sie die Sache doch in Ordnung. Ich will mit solchen unpassenden Geschichten nichts mehr zu tun haben. Zu Vinzenz. Und Sie?

      Vinzenz: Du bist fabelhaft. Ich bewundere nichts so sehr wie Deine Eitelkeit; die fehlt mir; das ist Deine stärkste Eigenschaft.

      Alpha: Aber es wird Ihnen doch jetzt schlecht gehn?

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