Название: Gesammelte Werke
Автор: Robert Musil
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026800347
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Josef drückt es fester an sich: Lassen Sie, lassen Sie; ich werde es selbst machen. Zu Thomas in einlenkend sanftem Ton. Kannst du mir vielleicht etwas Bindfaden geben?
Stader: Ist schon hier, Exzellenz! Er zieht ein Knäuel aus der Tasche und beginnt respektvoll das Paket noch in Josefs Arm zu umwickeln, so daß dieser es unwillkürlich auf den Tisch legt.
Josef: Aber wir brauchen auch Siegellack. Würdest du so gut sein?
Stader: Für alles ist vorgesehn. Er zieht eine Siegellackstange aus der Tasche. Exzellenz sollten doch wirklich nicht so kleinmütig von meiner Voraussicht denken. Er will Josef helfen.
Josef: Nein, nein; lassen Sie, Stader!
Stader zieht sich diskret ein wenig zurück. Josef beginnt mit ungeschickten, hastigen und zittrigen Bewegungen die Mappe einzuschlagen. Thomas zündet, um auch seine Bereitwilligkeit zu beweisen, die von Stader weggestellte Kerze an.
Josef halblaut: Es war keine Liebesgeschichte!
Thomas: Nein, es war keine Liebesgeschichte. Aber was war es denn? Er beginnt Josef zu helfen. Den Sarg geschlossen! Erde darauf. Mögen Blumen wachsen.
Josef: Du scheinst es zu leicht zu nehmen.
Thomas: Ich würde Regine die Wege zu einem neuen Leben freigeben.
Josef: Ich bitte dich, Thomas, keine Namen! Wir sind nicht allein.
Stader von seinem Platz aus: Haben Euer Exzellenz aber auch ein Petschaft bei sich, ein Petschierstöckl?
Josef wendet sich an Thomas. Sie lassen das Paket los, das wieder aufgeht. Stader nimmt sich seiner mit einigen geschickten Griffen an.
Thomas: Nehmen Sie doch einfach eine Münze. Zu Josef. Gut, ohne Namen: aber trotzdem würde ich die Wege geradezu öffnen; das ist doch schließlich moralisches ABC.
Josef steif ablehnend: Ich bitte!!
Stader besänftigend: Befehlen Eure Exzellenz Kopf oder Wappen?
Josef: Aber zum Kuckuck, machen Sie das doch ohne zu fragen, wie Sie wollen!
Thomas: Zu verlieren ist ja nichts mehr, zu gewinnen auch nichts.
Stader siegelnd: Das ist auch so ein Fall. Mit Anspielung. Man glaubt, es ist »Zufall«, Kopf oder Wappen; statt dessen unterliegt das einfach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitslehre und es beherrscht uns eine unheimliche Gewalt.
Josef: Ich habe dir schon vorhin bemerkt, daß du etwas überreizt erscheinst. Man ist nicht nur sich, sondern auch den Beteiligten Festigkeit schuldig.
Thomas hartnäckig. Auf das Paket deutend: Ich würde es überhaupt verbrennen.
Josef: Ich will nichts mehr hören!! Sich auf Stader ablenkend. Sind Sie fertig? So gehen Sie, gehn Sie doch schon damit! … Mäßigt sich. Warten Sie in meinem Zimmer auf mich! Bitte.
Stader würdevoll: Herr Professor, ich werde mir erlauben, später noch einmal vorzusprechen; Seine Exzellenz scheinen momentan unter einer Blutdruckkurve zu leiden. Ab.
Thomas bläst langsam, mit Genuß die Kerze aus.
Josef: Thomas! Wenn du denn noch einmal darüber sprechen willst: Ich kann nicht, solange dieser Mensch noch in deinem Hause ist; darauf muß ich dich aufmerksam machen.
Thomas: Er ist fort.
Josef: Wer er? Anselm meinte ich natürlich.
Thomas: Anselm ist abgereist.
Josef erleichtert: Hast du also doch eingesehn, daß du ihm aufgesessen bist? Ich möchte mit Regine sprechen.
Thomas: Das geht jetzt nicht … Sie fühlt sich nicht wohl.
Josef vergewissert sich, daß Stader nicht horcht. Stimmlos vor Mißtrauen: Sie ist mit ihm gegangen??
Thomas ruhig: Maria ist mit ihm gegangen.
Josef: Du machst einen Scherz? Ich verstehe zwar nicht, wie man das jetzt kann, aber du hast einen Scherz gemacht?
Thomas: Ich habe vielleicht übertrieben; er ist allein fortgefahren. Aber Maria ist vermutlich auch schon fort; sie reist ihm nach.
Josef: Nachreisen? Er wird wieder mißtrauisch. Ihr habt euch noch immer nicht ganz von ihm losgelöst?
Thomas fest: Nein, nicht so. Maria reist aus eigenem Beschluß. Sie verurteilt das, was er tut, aber die Art, wie er es tut, nahm sie gefangen.
Josef: Aber was soll das denn bedeuten?!
Thomas: Erstens: daß mir einer die Knochen gebrochen hat – oder wenigstens die Verknöcherungen. Immerhin, der zähe Urschleim lebt noch. Zweitens: daß sich der nächste Mensch von mir losgelöst hat – worin ich ihm folgen werde; vielleicht ist er mir nur aus Angst vor mir zuvorgekommen.
Josef: Aber Maria! Eine Frau wie Maria? Dieser Seelenfänger! Oh, aber jetzt beginne ich einen neuen Zusammenhang zu ahnen: Von allem Anfang an beabsichtigte er nur, sie vor Maria zu demütigen, dieser Schuft? Meinst du nicht, ich müßte mich um Regine kümmern? Seit ich vorhin selbst dastand, ich weiß noch nicht wie, plötzlich mit der Kerze in schlafenden unbewachten Zimmern … ich bin wirklich noch jetzt verwirrt … wieviel mehr kann ein so wenig widerstandsfähiger Mensch wie Regine … ja da halte ich ganz gut für möglich, daß sie doch nur in einer Verwirrung gehandelt hat, als sie sich – – dieser Verfehlungen bezichtigen ließ.
Thomas: Setz dich lieber zu mir. Ich bin so froh, mit dir zu sprechen; ich habe mich förmlich darauf gefreut, dir als erstem davon zu erzählen. Er setzt sich und zieht Josef auch in einen Stuhl.
Josef: Du bist merkwürdig ruhig. Verstehst du denn nicht: Die Hand, die dir die Speisen zuschob, hat sich vielleicht schon vergangen? Der Mund, dem du glaubtest, bloß wenn du ihn sich öffnen sahst, hat gelogen? Du hast dich bewegt wie in einem Heim und durch alle Mauern sahen fremde Augen herein? Die schlimmste Schande ist dir zugefügt worden, die einem Mann begegnen kann! … Er sucht sich zu verbessern. Ich will das natürlich damit nicht annehmen.
Thomas antwortet aber ganz beschaulich: Weißt du, was ich dabei sehe? Daß die Liebe zu einem ausgewählten Menschen eigentlich gar nichts andres ist als der Widerwille gegen alle.
Josef: Ich glaube, du … Ja, bei dir glaube ich wirklich: du bist gefühllos.
Thomas: Ich habe sehr locker sitzende Gefühle.
Josef: Nein, nein, ich will mit Regine sprechen. Sie gehört in geordnete, sichere Verhältnisse. Er steht auf.
Thomas hält ihn fest: Was wirst du ihr denn sagen? Was willst du tun?
Josef betroffen: Ja, was wirst du tun? Plötzlich. Thomas! Lassen wir doch alles vergessen sein! Ich will dir nichts nachtragen. Wir müssen uns aufraffen. Wir stehn dem gleichen СКАЧАТЬ