Название: An der weißen Grenze
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026884385
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Frona riet ihm: »Bezahlen Sie die vierzig Cent, sonst schmeißen sie Ihnen den ganzen Kram vor die Füße.«
Der Mann sagte: »Danke, Fräulein«, befolgte aber ihren Rat nicht, sondern fing wieder an zu handeln. Der erste Indianer trat vor und streifte sich, ohne ein Wort zu sagen, die Tragriemen ab. Als der Goldsucher sich eben entschlossen hatte nachzugeben, erhöhten die Lastträger ihren Preis auf 45 Cent. Er lächelte trüb und nahm auch diese Forderung an, aber in diesem Augenblick trat ein anderer Indianer zu der Gruppe, flüsterte ein paar Worte, und gleich darauf ertönte ein Hurra.
Im Handumdrehen hatten alle Indianer ihre Lasten abgeworfen und liefen davon, um die Nachricht zu verbreiten, von dieser Stunde an koste die Fracht nach dem Lindermannsee fünfzig Cent!
Über den Platz vor dem Hause gingen drei Männer, nach denen alle Gesichter sich drehten und alle Hälse sich reckten. Sie waren schlecht gekleidet, eigentlich zerlumpt. In einem zivilisierten Gemeinwesen hätte der Dorfpolizist ihre Papiere sehr genau angeschaut, denn er hätte sie für Vagabunden gehalten.
»Der Franzosen-Louis!« flüsterte ein Chechaquo seinem Kumpan zu. »Besitzt drei Eldorado-Claims in einem Block! Seine zehn Millionen ist der schwer!«
Der Franzosen-Louis hatte irgendwo unterwegs seinen Hut verloren und durch ein ausgefranstes seidenes Tuch ersetzt. Trotz seinen zehn Millionen trug er das Gepäck selbst auf seinem breiten Rücken.
»Der mit dem Bart ist der Stromschnellen-Bill, auch einer von den Eldorado-Königen.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Frona mißtrauisch.
»Woher ich das weiß? Ich weiß es eben, verstehen Sie, Fräulein! Wenn einer sein Bild alle fünf Minuten in sämtlichen Zeitungen hat, dann weiß man eben, wie er aussieht.«
»Wer ist der Dritte?« fragte sie. Ihr Berichterstatter stellte sich auf die Zehenspitzen.
»Den kenn' ich nicht«, gestand er betrübt. Dann fragte er seinen Nebenmann.
»Du, der Magere, mit dem ausrasierten Vollbart, der mit dem Lappen ums Knie, wer ist das?«
In diesem Augenblick aber stieß Frona einen Freudenschrei aus und stürzte auf den Mann mit dem Vollbart zu.
»Matt! Mein lieber, alter Matt!«
Der Mann schüttelte ihr die Hand, aber sein Gesicht schien mißtrauisch. Er hatte keine Ahnung, mit wem er sprach.
»Du kennst mich nicht mehr, Matt? Untersteh dich, mir zu sagen, daß du mich nicht mehr kennst! Wenn nicht so viel fremde Leute hier wären, bekämst du jetzt auf der Stelle einen Kuß, daß du's nur weißt, alter Bär!«
»Natürlich, ich kenne Sie natürlich … aber wenn Sie mich totschlagen, im Augenblick komme ich nicht darauf …«
Sie zeigte auf das Haus, in dem sie geboren war.
»Jetzt hab' ich's!« rief er. Als er sie dann aber von oben bis unten gemustert hatte, war er wieder enttäuscht. »Kann nicht sein. Muß mich irren. In dem Stall da haben Sie nie gewohnt.«
Frona nickte heftig mit dem Kopf.
»Dann bist du's also doch? Die kleine, blonde Hexe, immer barfuß und mit bloßen Beinen? Die ich immer hab' kämmen müssen?«
»Ja, ja!«
»Der kleine Satan, der mit dem Hundegespann durchgebrannt ist und mitten im Winter über den Paß wollte, weil ihr der alte Matt erzählt hatte, dort drüben höre die Welt auf?«
»Matt, lieber alter Matt! Und weißt du noch, wie ich mit den Mädchen aus dem Indianerlager schwimmen gegangen bin?«
»Und ich dich grade noch an den Wuscheln gekriegt hab', wie du schon am Ersaufen warst!«
»Und wie du dabei einen von deinen neuen Gummischuhen verloren hast?«
»Na, ob ich das noch weiß! Grade erst bei deinem Vater gekauft, da im Laden, für zehn Dollar, Gott erbarme sich meiner.«
»Und dann bist du fortgezogen … über den Paß ins Land hinein … und hast nichts mehr von dir hören lassen. Alle Welt hat geglaubt, du wärst tot.«
»Was du alles noch weißt! Und warst doch so ein winziges Frauenzimmer.«
»Acht Jahre alt war ich.«
»Laß mich mal nachrechnen, Mädel. Zwölf Jahre war ich drinnen im Land, heut' zum erstenmal wieder an der Küste. Dann hast du jetzt also deine zwanzig auf dem Buckel?«
»Und bin fast ebenso groß wie du, alter Matt!«
»Ein ausgewachsenes, großes Mädel und gar nicht so übel. So'n bißchen mehr Fleisch könntest du gern auf den Knochen haben.«
»Mit zwanzig braucht man kein Fett. Fühle lieber hier!«
Sie streckte ihm den gebeugten Arm hin und zeigte ihre Muskeln.
»Donnerwetter!« Er griff tüchtig zu. »Als ob du fürs tägliche Brot geschafft hättest.«
»Das nicht, aber Keulenschwingen, Boxen, Fechten! Außerdem Schwimmen, zwanzig Klimmzüge hintereinander! Und dann kann ich noch auf den Händen laufen!«
»Dann hast du deine Zeit nicht schlecht angewendet. Hier haben diese Kaffern erzählt, du wärst fortgereist, um da drüben Bücher zu büffeln.«
»Das ist heute nicht mehr ganz so, Matt. Sie pfropfen einem den Kopf nicht mehr so voll, daß die Beine zu dünn werden, um ihn zu tragen. Aber du, was machst du, Matt? Was hast du in diesen zwölf Jahren alles getrieben?«
»Also schau mich an, Mädel. Wie ich vor dir stehe, bin ich Herr Matthew McCarthy, König Matt der Erste aus der Eldorado-Dynastie. Mein Besitz ist unbegrenzt, und ich hab' mehr Goldstaub gemacht, als ich je geträumt hätte. Jetzt hab' ich genug, jetzt möcht' ich wieder mal einen anständigen Whisky graben. Einen von der richtigen Sorte, ehe ich sterbe. Dazu fahre ich rüber in die Staaten, denn hier heraus kommt immer nur das gepanschte Zeug. Außerdem will ich mich nach meinen Vorfahren umsehen. Ich glaube bestimmt, daß ich welche habe. Wenn du im übrigen ein paar Pfund Goldstaub nötig hast, kannst du's mir ja sagen.«
»Den hol' ich mir selbst, wenn ich welchen brauche.«
Der Irländer Matt bahnte sich jetzt seinen Weg durch die Menge der Chechaquos, die ehrfürchtig vor ihm zur Seite wichen, und in seinem Fahrwasser segelte die leichte, kleine Frona. In den Augen all dieser Leute waren sie beide eine Art Götter des Nordens.
»Der Eldorado-König Matt McCarthy und eine richtige Welse, wirklich und wahrhaftig, eine Tochter von Jacob Welse!«
Viertes Kapitel
Sie trat aus dem glitzernden Birkenwald heraus und flog leicht über die betaute Wiese dahin, während die ersten Sonnenstrahlen auf ihrem flatternden Haar flammten. Die Erde strotzte von Feuchtigkeit und quoll unter ihren Füßen, und die nassen Pflanzen schlugen ihr gegen die Knie, daß flüssige Diamanten leuchtend sprühten. Die Morgenröte färbte ihre Wangen und funkelte in ihren Augen, und sie glühte von Jugend und Liebe. Denn da sie keine Mutter gehabt, war sie am Busen der Natur aufgewachsen, und sie liebte die alten Bäume und die Schlingpflanzen leidenschaftlich. Das undeutliche Gemurmel erfreute ihr Ohr, und der feuchte СКАЧАТЬ