Название: Gesammelte Werke
Автор: Odon von Horvath
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027226528
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Es küßt Dich Deine Mama.
Und Eugen erklärte Agnes, obwohl jener Bedauernswerte korrekt verrückt gewesen sei, hätte jener doch recht gehabt, denn jeder Mensch sei tatsächlich mit jedem Menschen verwandt, aber es habe keinen Sinn, sich mit dieser Verwandtschaft zu beschäftigen, denn wenn man sich all das so richtig überlegen würde, müßte man wahrscheinlich auch verrückt werden. Da habe der alte Schuster Breitenberger in Preßburg schon sehr recht gehabt, wie er, bevor er gestorben ist, zu seiner versammelten Familie gesagt hat: »Leutl, wenn ihr mal recht blöd seids, so denkts an mich!«
Agnes sagte, sie denke fast nie an ihre Familienverhältnisse und sie wundere sich schon eine ganze Weile sehr, wieso, wodurch und warum sie darauf zu sprechen gekommen sei.
Eugen sagte, er denke überhaupt nie an seine Vorfahren. Er sei doch kein Aristokrat, der darüber Buch führe, damit er es sich auf den Tag ausrechnen könne, wann er verteppen würde.
So endete das Gespräch über die liebe Verwandtschaft. – Der Tag gähnte, er war bereits müde geworden und zog sich schon die Stiefel aus, als Agnes fühlte, daß Eugen bald ihre Hüften berühren werde. Er tat es auch und sagte »Pardon!«
2
Zehn Minuten später saßen Agnes und Eugen unter einer Ulme. Er hatte sie nämlich gefragt, ob sie sich nicht setzen wollten, er sei zwar nicht müde, aber immerhin hätte er nichts dagegen, wenn er sich setzen könnte. Sie hatte ihn etwas mißtrauisch angeschaut, und er hatte ein ganz unschuldiges Gesicht geschnitten, aber sie hatte ihm diese Unschuld schon gar nicht geglaubt und gesagt, sie hätte nichts dagegen, daß er sich setzen wollte, er könnte sich ruhig setzen und wenn er sich setzen würde, würde sie sich auch setzen.
Es war nirgends eine Bank zu sehen und sie haben sich dann ins Gras gesetzt. Unter einer Ulme.
Das war ein großer alter Baum, und die Sonne ging unter. Im Westen, natürlich.
Überhaupt ging alles seine schicksalhafte Bahn, das Größte und das Kleinste, auch unter der Ulme.
Man hörte es fast gehen, so still war es ringsum.
Auch Agnes und Eugen saßen schweigend unter ihrer Ulme und sie dachte: »So ein Baum ist etwas Schönes.« Und er dachte: »So ein Baum ist: etwas Schönes.«
Und da hatten sie beide recht.
3
Agnes Lachte.
Es fiel ihr nämlich plötzlich ein, daß sie ja noch gar nicht weiß, wie der Mann da neben ihr heißt. Sie wisse ja nur, daß er den Vornamen Eugen hat und vielleicht hat er einen sehr komischen Nachnamen, etwa Käsbohrer, Itzelplitz, Rindskopf, Kalbskopf oder die drei bayerischen Köpf: Holzkopf, Gipskopf, Saukopf oder Baron Rotz, Fürst Steiß, Graf Huber Sepp –
Warum sie denn lache und worüber, erkundigte sich Eugen.
Es sei ihr nur etwas eingefallen.
Was?
Es sei ihr eingefallen, daß sie einmal einen Menschen kannte, der Salat hieß.
Er meinte, das fände er gar nicht komisch, eher tragisch. So kenne er einen tragischen Fall, einen Kollegen in Linz, der an seinem Familiennamen zugrunde gegangen ist.
»Er hieß Johann Suppe und war in ganz Oberösterreich berühmt, er war nämlich Zahlkellner im ›Erzherzog Albrecht‹ und alle Gäste riefen ihn nur per ›Herr Rindssuppe! Herr Nudelsuppe! Herr Reissuppe! Herr Krautsuppe! Zahlen, Herr Brotsuppe! Sie haben sich verrechnet, Herr Erdäpfelsuppe! Wo bleibt meine Erbsensuppe, Herr Erbsensuppe?! Was macht mein Bier, Herr Biersuppe?! Schweinerei das, Herr Schweinssuppe!‹ und so weiter, bis er eines Tages sagte: ›Jetzt hab ich aber die Suppen satt! Meiner Seel, ich laß mich umtaufen und wenn ich Pischeles heißen werd!‹ Er ist aufs Magistrat gegangen, um die Formulare zur Namensänderung auszufüllen, aber diese Formulare hatte ein Beamter unter sich, der auch Stammgast im ›Erzherzog Albrecht‹ war und der hat ihn gleich per ›Herr Bohnensuppe‹ apostrophiert und hat ihn gefragt: ›Na wo fehlts denn, mein lieber Bouillon mit Ei?‹ und da hat sich mein unglücklicher Kollege eine Beamtenbeleidigung geleistet und hat sich dann später im Gefängnis ein Magenleiden geholt, und wie er dann herausgekommen ist, da hat ihm der Arzt gesagt: ›Sie müssen strengste Diät halten, Sie dürfen nur mehr Suppe essen, sonst nichts.‹ Da ist er sehr bleich geworden und der Arzt hat ihn trösten wollen und hat gesagt: › Ja, so ist das Leben, mein lieber Herr Kraftbrühe!‹ und da hat er sich an dem Arzt vergriffen und hat wegen schwerer Körperverletzung Kerker gekriegt und hat sich dann dort erhängt. Er ist an sich selbst gestorben.«
Und Eugen schloß, er sei froh, daß er nicht Johann Suppe heiße, sondern Eugen Reithofer. Und Agnes war auch froh, daß sie nicht Agnes Suppe heißt, sondern Agnes Pollinger, und er meinte, Pollinger sei kein so verbreiteter Name wie Reithofer und er sei fest überzeugt, daß sie sehr froh sein darf, daß sie Pollinger heißt, denn ein verbreiteter Name bereite einem oft eklatante Scherereien: »So war ich mal 1913 in einem gewissen Café Mariahilf und der Cafétier hat auch Reithofer geheißen. Kommt da an einem Montag ein eleganter alter Pensionist, hat sich einen Kapuziner bestellt und mich in einer Tour fixiert und hat dann sehr höflich gefragt: ›Pardon, Sie sind doch der Herr Reithofer selbst?‹ ›Ja‹, hab ich gesagt und da hat er gesagt: ›Also, Pardon, mein lieber Herr Reithofer, ich bin der Oberstleutnant Ferdinand Reithofer und ich möchte Sie nur bitten, daß Sie sich nicht allen Menschen per Oberstleutnant Reithofer vorstellen, Sie ordinärer Hochstapler und Canaille.‹ Da hab ich ihm natürlich zwei Watschen gegeben und er ist davongestürzt, als hätt ich ihm auch noch zwei Fußtritt gegeben, denn ich hab mich noch nie per Oberstleutnant Reithofer vorgestellt und ich hab im Moment nicht gedacht, daß dieser Pensionist ja gar nicht mich, sondern den Cafétier gemeint hat, der ja auch Reithofer geheißen hat. Der Cafétier hat dann am Dienstag eine Vorladung auf das Kommissariat bekommen, er ist hin und dort haben sie ihn dann verhört wegen der beiden Watschen und dem einen Fußtritt. Er hat überhaupt von nichts gewußt, er hat sich nämlich auch noch nie per Oberstleutnant Reithofer vorgestellt und das Ganze war ein Irrtum von dem Pensionisten Reithofer. Nämlich der, der sich per Oberstleutnant Reithofer vorgestellt hat, das war ein gewisser Versicherungsagent Reithofer aus dem VIII. Bezirk, aber die Polizei hat gesagt, das spiele eine sekundäre Rolle, sie verhöre ihn jetzt nur wegen der beiden Watschen und dem Fußtritt und der Cafétier Reithofer hat gemeint, daß er verrückt geworden ist oder vielleicht hypnotisiert worden ist und ist wütend ins Café zurückgekommen und hat seinen Ärger am Piccolo ausgelassen. Er hat ihm zwei Watschen gegeben. Dieser Piccolo hat auch Reithofer geheißen.«
Während Eugen sprach, kam Agnes immer mehr und mehr dahinter, daß dies eine sehr verwickelte Geschichte ist. Und sie wurde traurig, denn auf einmal schien ihr alles auf der Welt so fürchterlich verwickelt zu sein, daß jeder in alles unerbittlich hineingewickelt wird. Da könne sich keiner herauswickeln und sie bedauerte sich selbst, als hätte sie von jenem ungerechten Cafétier Reithofer jene zwei Watschen bekommen. »Ich bin doch auch nur ein Piccolo«, dachte sie und Eugen konstatierte:
»Freilich geht das nicht immer so glücklich aus, indem irgend so ein Piccolo zwei Watschen kriegt. So hat man mich mal fast verhaften wollen, weil ein Zahlkellner, der wo auch Reithofer geheißen hat, seine Braut erschlagen, zerstückelt und im Herd verbrannt hat. Später hat es sich erst rausgestellt, СКАЧАТЬ