Название: Die neue Magdalena
Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
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Die Wärterin erhob ihren edel geformten Kopf und schritt langsam nach dem Vorhang, um zu ihrer Pflicht zurückzukehren.
»Miss Roseberry hätte wohl meine Hand fassen können!« dachte sie bitter bei sich selbst. »Aber nein! Sie hielt sich vielmehr in Entfernung, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen sollte. »Was können Sie für mich tun?« fragte Mercy, sie war im Augenblick durch die kalte Verbeugung ihrer Gefährtin zu einem Ausbruch ihrer vollen Menschenverachtung gereizt. »Können Sie mir den Namen und die Stellung einer unschuldigen Frau geben? Ach hätte ich Ihr Schicksal! Hätte ich nur Ihren guten Ruf und Ihre Aussichten für das Leben!« Sie legte ihre Hand auf die Brust und bezwang sich. »Bleiben Sie hier«, begann sie wieder, »während ich an meine Arbeit gehe. Ich will sehen, dass Ihre Kleider getrocknet werden. Sie sollen meine Kleider nicht länger tragen müssen, als dringend nötig ist.« Nach diesen melancholischen Worten – die in rührendem Tone, nicht bitter gesprochen wurden – war sie im Begriffe, in die Küche zu treten, als sie bemerkte, dass das Klatschen des Regens am Fenster aufgehört hatte. Sie ließ den Vorhang fallen, und lenkte ihre Schritte zurück, dann öffnete sie den Fensterladen und sah hinaus.«
Der Mond stieg verschleiert am trüben Himmel empor; der Regen hatte aufgehört; das begünstigende Dunkel, welches die französische Position vor den Augen der deutschen Patrouillen verborgen hatte, wurde mit jedem Augenblick geringer. In ein paar Stunden, wenn nichts dazwischen kam, konnte die Engländerin ihre Reise fortsetzen. In ein paar Stunden brach der Morgen an.
Mercy hob die Hand, um den Laden zu schließen. Bevor sie ihn wieder festmachen konnte, schlug von einem der entfernteren Posten der Knall eines Büchsenschusses an ihr Ohr, gleich darauf ein zweiter, schon näher und stärker. Mercy hielt inne, den Laden in der Hand, und horchte gespannt auf einen nächsten Knall.
3.
Die deutsche Granate
Der Knall des dritten Büchsenschusses drang durch die Nacht – schon ganz aus der Nähe des Häuschens. Grace sprang auf und trat erschreckt an das Fenster.
»Was bedeutet dies Schießen?« fragte sie.
»Signale der Vorposten«, erwiderte die Wärterin gelassen.
»Droht irgend Gefahr? Kehren die Deutschen zurück?«
Doktor Surville erwiderte diese Frage. Er hob eben den Zeugvorhang in die Höhe, um einen Blick in das Zimmer zu werfen, als Miss Roseberry sprach.
»Die Deutsche dringen gegen uns vor«, sagte er. »Ihre Vorhut ist in Sicht.«
Grace sank auf den nebenstehenden Stuhl und zitterte am ganzen Leibe. Mercy näherte sich dem Arzt und richtete entschlossen die Frage an ihn:
»Werden wir die Stellung verteidigen?« forschte sie.
Doktor Surville schüttelte bedeutsam den Kopf.
»Unmöglich! Der Feind ist uns wie immer um das Zehnfache überlegen.«
Der schrille Wirbel der französischen Trommeln wurde draußen gehört.
»Das Zeichen zum Rückzug!« sagte der Arzt. »Der Kapitän ist nicht der Mann danach, über das, was er zu tun hat, lange nachzudenken. Wir müssen selbst für uns sorgen. In fünf Minuten müssen wir diesen Ort geräumt haben.« Bei diesen Worten knallte eine förmliche Salve aus den Reihen der Deutschen. Ihre Vorhut griff die französischen Vorposten an. Grace fasste den Arzt mit flehender Gebärde am Arme. »Nehmen Sie mich mit«, rief sie. »O ich habe schon einmal von den Deutschen zu leiden gehabt; verlassen Sie mich nicht, wenn sie wieder kommen!« Der Arzt fühlte sich der Situation gewachsen; er drückte die Hand der hübschen Engländerin an seine Brust.
»Fürchten Sie nichts, Madame«, sagte er, und dabei sah er aus, als könnte er mit seinem unüberwindlichen Arm die gesamten Streitkräfte der Deutschen vernichten.
»Das Herz eines Franzosen schlägt unter Ihrer Hand. Die Ergebenheit eines Franzosen wird Sie zu schützen wissen.«
Graces Kopf sank auf seine Schulter. Monsieur Surville hatte das Bewusstsein, sich gut benommen zu haben; er blickte auffordernd nach Mercy hin. Auch sie war ein reizendes Wesen. Der Franzose hatte eine zweite Schulter für sie bereit. Zum Unglück war das Zimmer finster – der Blick für Mercy war verschwendet. Sie dachte der hilflosen Kranken im Innern des Hauses und erinnerte den Arzt an die Pflichten seines Berufes.
»Was soll aus den Kranken und Verwundeten werden?« fragte sie.
Monsieur Surville zuckte die Achsel – die freie nämlich.
»Die kräftigsten unter ihnen können wir mit uns fortnehmen«, sagte er. »Die Anderen müssen hier zurückbleiben. Für sich selbst meine Liebe, brauchen Sie nichts zu fürchten. Es wird sich schon ein Platz im Gepäckwagen finden.«
»Und auch für mich?« bat Grace eifrig.
Der unbesiegbare Arm des Arztes legte sich leise um die Taille der jungen Dame und antwortete stumm mit einem Drucke auf diese Frage.
»Nehmen Sie diese dann mit«, sagte Mercy. »Mein Platz ist bei den Armen, die Sie hier zurücklassen.«
Grace horchte mit maßlosem Erstaunen. »Bedenken Sie doch, was Sie riskieren«, sagte sie, »wenn Sie hier bleiben.« Mercy zeigte auf ihre linke Schulter.
»Beunruhigen Sie sich nicht um meinetwillen«, antwortete sie, »das rote Kreuz wird mich schützen.«
Ein neuer Trommelwirbel ermahnte den empfindsamen Wundarzt, seinen Platz als Generaldirektor der Ambulanz ohne Verzug einzunehmen. Er führte Grace zu einem Stuhl und legte diesmal ihre beiden Hände an sein Herz, um sie über das Unglück seines Abganges zu trösten. »Fürchten Sie nichts, reizende Freundin. Sagen Sie sich selbst, Surville ist ein ehrenhafter Mann! Surville ist mir ergeben!« Er schlug beteuernd auf seine Brust; er vergaß abermals die Finsternis im Zimmer, und warf einen Blick unbeschreiblicher Ehrerbietung auf seine reizende Freundin. »A bientôt!« rief er, warf ihr einen Kuss zu und verschwand.
Als der Zeugvorhang hinter ihm herabgefallen war, wurde plötzlich der Knall des Kleingewehrfeuers von dem Dröhnen der Kanonen mächtig übertönt. Im nächsten Augenblicke platzte draußen im Garten, nur einige Klafter vom Fenster entfernt, eine Granate mit fürchterlichem Gekrach.
Grace sank mit einem Schrei des Entsetzens auf die Knie, Mercy – ohne ihre Besonnenheit zu verlieren – trat zum Fenster und blickte hinaus.
»Der Mond ist aufgegangen«, sagte sie. »Die Deutschen beschießen das Dorf.«
Grace stand auf und lief Schutz suchend auf sie zu.
»Bringen Sie mich fort«, rief sie. »Wir werden getötet, wenn wir hier bleiben.« Sie hielt inne und sah verwundert auf die große schwarze Gestalt der Wärterin, die unbeweglich am Fenster stand. »Sind Sie denn aus Eisen?« rief sie. »Kann Sie denn nichts erschrecken.« Mercy lächelte traurig. »Weshalb sollte ich mich fürchten, mein Leben zu verlieren?« antwortete sie. »Ich habe nichts, was des Lebens wert wäre.«
Der Donner der Kanonen erschütterte abermals das ganze Häuschen. Eine zweite Granate platzte im Hof, dem Gebäude gerade gegenüber.
In höchster Bestürzung über das Getöse und von Schrecken ergriffen, da die Geschosse immer näher dem Häuschen einschlugen, schlang Grace die Arme um die Wärterin und hing sich in Vertraulichkeit, zu der sie СКАЧАТЬ