Die neue Magdalena. Уилки Коллинз
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Название: Die neue Magdalena

Автор: Уилки Коллинз

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ schlägt in dieser Hülle. Wer mag sie nur sein.«

      Mercy nahm ihren ganzen Mut zusammen und zwang sich, ihn anzusprechen.

      »Lady Janet ist, glaube ich, in dem Bibliothekszimmer«, sagte sie schüchtern. »Soll ich ihr sagen, dass Sie hier sind?«

      »Bemühen Sie Lady Janet und sich selbst nicht.«

      Damit trat er an den Frühstückstisch, um ihr so mit viel Zartgefühl Zeit zu lassen, sich zu sammeln. Er ergriff eine Flasche, in welcher Horace noch Rotwein übriggelassen hatte, und goss ihn in ein Glas. »Für den Augenblick soll der Rotwein meiner Tante sie selbst vertreten«, sagte er lächelnd, als er sich wieder nach ihr umwendete. »Ich habe einen weiten Spaziergang gemacht, und so riskiere ich es, mich in diesem Hause auch ohne besondere Einladung zu bedienen. Darf man Ihnen etwas anbieten?«

      Mercy dankte verneinend. Nach allem, was sie bis jetzt von ihm erfahren hatte, konnte sie sich über sein gewandtes leichtes Benehmen nicht genug wundern.

      Er leerte sein Glas mit echter Kennermiene, der guten Wein zu schätzen wusste. »Der Rotwein ist meiner Tante würdig«, sagte er mit komischem Ernste, als er das Glas niedersetzte. »Beide sind echte, unverfälschte Produkte der Natur!« Er setzte sich an den Tisch und betrachtete mit kritischem Auge die darauf stehen gebliebenen Gerichte. Eines davon schien ihn besonders zu locken. »Was ist das?« fuhr er fort. »Eine französische Pastete! Es wäre ein grober Verstoß, französischen Wein zu trinken und eine französische Pastete daneben unberührt zu lassen.« Er nahm Messer und Gabel und verzehrte die Pastete mit demselben kritischen Behagen wie den Wein. »Der großen Nation vollkommen würdig!« rief er begeistert aus. »Vive la France!«

      Mercy sah und hörte mit unaussprechlichem Erstaunen. Er entsprach ganz und gar nicht jenem Bilde, welches ihre Einbildungskraft von ihm in seinem Alltagsgewand entworfen hatte. Seine weiße Halsbinde weg und niemand hätte in diesem berühmten Prediger einen Geistlichen vermutet!

      Er verzehrte eine zweite Portion der Pastete und begann mit Mercy eine Unterhaltung, wobei er abwechselnd sprach und aß, aber mit so viel Ruhe und Behagen, als wären sie alte Bekannte.

      »Mein Weg hierher führte mich durch Kensington-Garden«, sagte er. »Ich habe jetzt einige Zeit auf einem flachen, abscheulich öden Landdistrikt zugebracht. Da glauben Sie gar nicht, wie angenehm mir der Kontrast dagegen in diesen Zeiten aufgefallen ist. Die Damen in ihren reichen Winteranzügen, die schmucken Kindermädchen mit reizenden Kindern, die unaufhörlich sich bewegende Menge der Eisläufer auf Round-Pord; alles das war im Vergleich zu dem, woran ich jetzt gewöhnt war, so fröhlich anzusehen, dass ich mich unwillkürlich dabei ertappte, wie ich pfeifend mitten durch das glänzende Treiben schritt. Zu meiner Zeit pflegten die Jungen immer zu pfeifen, wenn sie gut aufgelegt waren, und ich bin über diese Gewohnheit noch nicht hinaus. Wem, glauben Sie, begegnete ich da gerade, als ich im besten Zuge war?«

      So gut es bei dem maßlosen Staunen, womit Mercy ihm zuhörte, möglich war, bat sie, ihr das Erraten zu erlassen. Nie in ihrem Leben hatte sie noch mit jemand so verwirrt und unverständig gesprochen, wie jetzt mit Julian Gray!

      Er fuhr heiterer als je fort, ohne scheinbar zu bemerken, welchen Eindruck er auf sie machte.

      »Nun, wem begegnete ich«, wiederholte er, »als ich im besten Zuge war? Meinem Bischof! Wäre es noch eine heilige Melodie gewesen, seine Ehrwürden hätte vielleicht meine Gemeinheit in Anbetracht der Musik entschuldigt. Aber unglücklicherweise war die Komposition, welche ich eben vortrug, ich bin nebenbei gesagt ein sehr lauter Pfeifer, von Verdi – »La donna e Mobile« – seiner Ehrwürden sicherlich durch die Drehorgeln in den Straßen wohl bekannt. Er erkannte das Lied, der arme Mann, und als ich meinen Hut vor ihm abnahm, sah er nach der anderen Seite. Sonderbar, dass man in dieser sündigen, fehlerhaften Welt eine so geringfügige Sache, wie das Pfeifen eines heiter gestimmten Geistlichen, überhaupt zum Gegenstande einer ernsthaften Erörterung macht!« Bei den letzten Worten schob er seinen Teller zurück und fuhr in verändertem Ton einfach und ernsthaft fort: »Ich habe nie eingesehen«, sagte er, »warum wir uns anderen Menschen gegenüber deshalb für bevorzugt halten sollen, weil wir einer besonderen Kaste angehören und harmlose Dinge, welche andere Leute tun, nicht tun dürfen. Die Jünger Christi seinerzeit gaben uns dies Beispiel nicht; sie waren vernünftiger und besser als wir. Ich behaupte kühn, dass sich uns in dem Bestreben, unseren Mitmenschen Gutes zu tun, nichts mehr hindernd entgegenstellt, als die bloße Anmaßung der Geistlichen in Wort und Tat. Ich für meinen Teil erhebe nicht den leisesten Anspruch, besser und frömmer zu sein als jeder andere Christenmensch, der nach Kräften Gutes tut.« Sein klarer Blick traf Mercy, welche ihn verwundert, und unvermögend, ihn zu verstehen, ansah – der frühere scherzhafte Ton gewann in ihm wieder die Oberhand. »Sind Sie radikal gesinnt?« fragte er mit einem humoristischen Zwinkern in seinen großen, glänzenden Augen. »Ich für meinen Teil bin es!«

      Mercy gab sich alle Mühe, ihn zu begreifen, allein umsonst. War es möglich, dass dies der Prediger war, dessen Worte sie entzückt, gereinigt, veredelt hatten? War es derselbe, dessen Worte den Augen der Unglücklichen, welche durch das Verbrechen ehrlos und verstockt geworden waren, heiße Tränen entlockt hatten? Ja! Die Augen, welche jetzt vergnügt auf ihr ruhten, sie waren dieselben schönen Augen, welche einst in die Tiefe ihrer Seele geblickt. Die Stimme, welche sich eben mit einer scherzenden Frage zu ihr wendete, war dieselbe tiefe, weiche Stimme, welche damals in ihr Herz gedrungen war. Auf der Kanzel war er ein Engel der Barmherzigkeit; außerhalb derselben ein losgelassener Schulknabe.

      »Ich will Sie nicht erschrecken«, sagte er gutmütig, als er ihre Verwirrung bemerkte. »Die öffentliche Meinung hat mich schon mit ärgeren Namen als dem eines Radikalen genannt. Ich war kürzlich – wie ich Ihnen vorhin erzählt habe – in einer Landgemeinde. Ich sollte dort nämlich für eine kurze Zeit die Geschäfte des Pfarrers besorgen, da dieser sich eine kleine Erholung gönnen wollte. Was, glauben Sie, war das Ende dieses Versuches? Der Herr des Kirchspiels nennt mich einen Kommunisten; die Pächter denunzieren mich als einen Aufwiegler; mein Freund, der Pfarrer, ward in aller Eile zurückberufen und ich stehe jetzt als ein Verbannter da, der sich bei einer achtbaren Nachbarschaft unmöglich gemacht hat.«

      Mit diesem offenen Bekenntnis verließ er den Frühstückstisch und setzte sich auf einen Stuhl neben Mercy.

      »Sie sind natürlich sehr gespannt«, fuhr er fort, »zu hören, worin mein Vergehen eigentlich bestanden hat. Verstehen Sie etwas von Nationalökonomie und von dem Gesetze von Nachfrage und Angebot?«

      Mercy gestand, dass sie davon nichts wisse.

      »Ich auch nicht«, sagte er. »Und das war eben mein Vergehen. Ich will Ihnen, wie später auch meiner Tante, die ganze Sache mit wenigen Worten erzählen.« Er hielt einen Augenblick inne; seine Haltung war ganz verändert. Mercy warf einen scheuen Blick auf ihn und entdeckte in seinen Augen einen neuen Ausdruck, welcher wie noch keiner, ihr das frühere Bild von ihm in das Gedächtnis zurückrief. »Ich hatte keine Ahnung«, begann er wieder, »welches Leben in einigen Gegenden Englands der gemeine Feldarbeiter auf einem Pachtgute führt, bis ich jetzt den Pfarrer in seinem Sprengel vertreten musste. Noch nie in meinem Leben hatte ich so grässliches Elend gesehen und dabei von Seite der armen Leute eine Geduld im Ertragen ihrer Leiden, wie sie mir bis dahin nie vorgekommen war. Die Märtyrer ehedem konnten erdulden und sterben, aber wären sie im Stande gewesen, so wie diese hier, zu erdulden und dabei fortzuleben? – Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr am Hungertuche zu nagen; zuzusehen, wie ihre abgezehrten Kinder ringsum aufwuchsen, um ihr ganzes Leben hindurch zu arbeiten und dafür bittere Not zu leiden, und vielleicht am Ende, wenn sie durch Arbeit und Hunger verkommen waren, in dem Gemeindegefängnis ihr Dasein zu beschließen! – Dass es auf Gottes schöner Erde solchen Jammer geben kann? Ich kann noch jetzt kaum ohne Tränen daran denken und davon sprechen!«

      Sein Kopf sank auf die Brust. Er wartete einen Augenblick, um seiner Bewegung Herr zu werden, bevor er weiter sprach. СКАЧАТЬ