Wie Satan starb . Artur Landsberger
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Название: Wie Satan starb

Автор: Artur Landsberger

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ es Zufall oder göttliche Eingebung, daß der würdige alte Herr jetzt auf Peter zuschritt, obgleich er in ziemlicher Entfernung von ihm stand, ihm die Hand auf den Kopf legte und ihn auf die Stirn küßte?

      Ein wohliges Gefühl von Ruhe und Frieden empfand Peter. Unter dem weichen Druck der Hand sank Peter willenlos in die Knie, faltete die Hände und betete laut:

      »Unser Vater in dem Himmel. Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Auf Erden wie im Himmel. Unser täglich Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.«

      Alle falteten die Hände und beteten mit. Und die tiefe Inbrunst seines Gebetes ging wie die Stimme der fernen Mutter in aller Herzen ein.

      Und der würdige geistliche Herr, die Hand noch immer auf dem Haupte des knienden Peter, erhob die Stimme und fuhr fort:

      »Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebt, so wird auch euer himmlischer Vater euch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.«

      Dann wandte er sich an seinen Platz zurück und die Feier nahm ihren Fortgang.

      Wie eine zusammenstimmende Folge von Akkorden lösten sich in Peter die starren Glaubenssätze. Alles drückend Schwere fiel von ihm ab, und als er eine Stunde später oben in seinem Bett lag, hatte er noch immer das Gefühl, als wenn die weiche Hand des würdigen Herrn auf seinem Haupte ruhte.

      IV

      Frau Julie war infolge der Aufregungen nachts erkrankt. Durchaus unbedenklich, aber doch so, daß der Medizinalrat sie nicht in die Schweiz reisen ließ. Am frühen Morgen erhielt Peter, der noch in tiefem Schlafe lag, ihr Telegramm. Als der Hotelpage sein Zimmer betrat und ihn weckte, wußte er zunächst nicht, wo er sich befand. Er erschrak und rief entsetzt:

      »Venére! Hilfe! Venére!«

      Der Page legte ihm das Telegramm auf die Bettdecke und entfernte sich schnell. Peter richtete sich auf, starrte in das noch dunkle Zimmer, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, tastete vor sich das Bett ab und fand das Telegramm.

      Jetzt kam ihm zum Bewußtsein, wo er sich befand. Er knipste das Licht an und sah sich im Zimmer um. Stark empfand er die Wiederkehr der freien Bestimmung. Jahrelang unter Zwang, hatte er längst verlernt, über Person und Zeit zu bestimmen. In der gedankenlosen Ausführung der Weisungen, die andere gaben, hatten sich seine Tage erschöpft. Nun saß er da in seinem Bett, und niemand kam und erteilte Befehle. Etwas ratlos saß er da mit sich und wußte nicht, was beginnen. Er konnte das Licht wieder löschen, sich hinlegen und weiterschlafen. Ganz wie er wollte. Er konnte auch aufstehen, sich anziehen und gehen, wohin er wollte. Es gab keine Wachen und niemand würde ihn fragen, wohin er ging. Auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers lagen Blumen und Zeitungen, die freundliche Menschen ihm in den Arm gelegt hatten. Er konnte auch lesen. Er hatte solange kein Blatt mehr in der Hand gehabt. Er erschrak vor der Fülle der Entschlüsse, die sich ihm boten. Wie schwer war es, sich zu entschließen, wenn man jahrelang keinen selbständigen Entschluß gefaßt hatte. Er sah sich im Zimmer um. Dort an der Wand stand ein Schreibtisch; Tinte und Papier; alles lag bereit. Peter streckte den Arm aus, griff in Gedanken nach Feder und Papier, wünschte sich den Schreibtisch herbei, ganz dicht ans Bett, lächelte, bewegte leicht den Kopf und dachte:

      »Mutter! – du!« und faßte den Entschluß, an sie zu schreiben.

      »Aufstehen,« dachte er. »Ich brauche es nur zu wollen. Es hängt nur von mir ab. – Von mir!« wiederholte er laut. »Und ich, – ich bin mein eigner Herr.« – Und wieder mit jenem weichen Lächeln sagte er vor sich hin, langsam und breit: »An – meine – Mutter – schreiben. – Wann ich will und so oft ich will. Von mir allein hängt das ab! Mutter, hörst du? Niemand mehr kann’s mir nehmen.«

      Er hielt noch immer verschlossen das Telegramm in Händen. Jetzt erst achtete er darauf. Er sah es sich an: »Dr. Peter von Reinhart« stand darauf. Er lächelte wieder und sagte laut: »Dr. Peter von Reinhart? Das war ich einmal. Bevor sie mich zerschlugen, die Hunde!« – Er stutzte und es schien, als wenn er sich mühte, die Gedanken zusammenzufassen. – »Bin ich es denn wieder? Bin ich es denn noch?« fragte er sich. »Am Ende haben sie mich zusammengeflickt wie eine zerbrochene Puppe.« Er befühlte sein Herz. »Es schlägt!« sagte er. »Ich lebe! Aber ich bin krank. Mir fallen die Gedanken alle auseinander. Ich wollte doch an die Mutter schreiben. Aber nein, hier, dies Telegramm sollte ich öffnen.« Er riß es auf und las:

      »Junge! mein Junge! Wir haben uns wieder! Ich komme zu dir! Freust du dich, Junge? Ich bin so selig! Mutter.«

      Er las es immer wieder. Und fühlte es mehr, als daß er es verstand.

      »Die Mutter hat mich wieder,« sagte er vor sich hin. »Ja, Mutter, komm nur und bringe die Aenne mit.« – Er stutzte und erschrak. Dann sah er traurig vor sich hin und sagte leise: »Die Aenne ist tot! Die Aenne! – Ich habe schon lange nicht mehr an sie gedacht. Woran – warum mußte sie sterben? – Ohne die Aenne, Mutter, weißt du, daß ich da lieber gar nicht kommen möchte. Viel lieber bliebe! – Ja, wo? wo?« fragte er laut. »Nein! nein! Das ist ja gar nicht möglich. Mutter, verzeih’, ich habe die Gedanken noch nicht beieinander. Solange ohne alle Gedanken leben und dann auf einmal wieder so mitten hineingestellt sein ins Leben. – Das geht noch alles so durcheinander. Die Schläge, Mutter, die vielen Schläge!«

      Peter sprang aus dem Bett. Der Kopf war ihm zum Springen heiß. Er ging ans Fenster, öffnete es und sah auf See und Berge, an denen eben der neue Tag emporstieg.

      Ihm wurde leichter. Er las noch einmal das Telegramm der Mutter, ging an den Schreibtisch und antwortete ihr:

      »Mutter! Komme! Ich brauche dich ja so nötig! Die Menschen sind schlecht. Es war so schlimm. Mutter, ich bin noch ängstlich. Aber ich habe doch Mut. Und nicht wahr, Mutter, ich finde zurück? Da die Aenne doch tot ist, so hilfst du mir! Komme nur schnell! Ich bin so allein. Die andern mußten bleiben, die Armen! Komme schnell, Mutter, dein Peter.«

      Peter erhielt bald darauf noch Stöße von Telegrammen, die er kaum las. Er zog sich an, ging zum gemeinsamen Frühstück hinunter und fiel, da alle andern sprachen, durch sein Schweigen nicht auf. Als man dann nach Engelberg aufbrach, wo die Internierung erfolgte, nahmen sich Lux, der blonde Husar, und der Arzt Peters an.

      »Sie müssen viel in der Sonne sitzen,« sagte der Arzt, »und gute, heitere Bücher lesen.«

      Peter erwiderte:

      »Meine Mutter kommt.«

      Und der Arzt, der das zufriedene Gesicht sah, sagte:

      »Freilich, das ist noch besser.«

      Peter zeigte Interesse für See und Berge, die er von früheren Reisen her genau kannte.

      »Wissen Sie,« sagte er zum Arzt, »wenn das mit Uebergängen geschähe! Aber dies völlig unvermittelte von einem Extrem ins andere! Man hat in den Ohren noch das Geräusch von den Schlägen, die auf unsere Leiber niederprasselten, und plötzlich tönt einem von den Bergen her das Horn des freien Hirten entgegen.«

      »Recht so!« erwiderte der Arzt. »Es gibt Erlebnisse, wie Ihre, die sind so tief in das Gefühlsleben eingedrungen, haben sich da so festgesetzt und stehen so außerhalb jeder Verbindung mit allem Alltäglichen, daß es für ein Zurück keinen Uebergang mehr gibt. Etwa Sie versteigen sich da oben auf den Bergen und ständen plötzlich auf der Spitze einer steilen Felswand, die herabzusteigen unmöglich ist. Sie werden einen Sprung durch die Luft auf das СКАЧАТЬ