Frau Dirne. Artur Landsberger
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Название: Frau Dirne

Автор: Artur Landsberger

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ aber die Hand in dem abgeschabten roten Glacé, die das Papier hielt, ließ es sie fühlen.

      Katz nahm hastig das Papier an sich und steckte es in die Tasche.

      Der Graf war an Ina herangetreten, sie wagte nicht, ihn anzusehen.

      »Also bis morgen«, sagte sie; ihre Stimme zitterte: »Wir reiten zusammen.«

      Er nahm ihre Hand, die eben den Bordellvertrag gefertigt hatte, und küßte sie.

      »Mit Vergnügen«, erwiderte er, verbeugte sich und ging. Und zu dem Rittmeister, der ihn hinausbegleiten wollte, sagte er in der Tür:

      »Bitte, bleiben Sie!«

      Als er draußen war, sank Frau Ina in den Sessel zurück und schloß die Augen.

      »Ist dir etwas?« fragte der Rittmeister besorgt.

      Sie wies auf Katz und sagte schroff: »Begleite den Herrn hinaus!«

      Der war keineswegs gekränkt, überzeugte sich durch einen schnellen Griff in die Tasche, daß der Vertrag darin war, und ging. Er war noch im Flur, da stürzte die Baronin auf ihre Tochter zu, riß sie aus dem Sessel, sperrte neugierig die Augen auf und fragte hastig:

      »Nun, was ist? Was verlangt er? Zahlt er weiter oder weigert er sich? Was hast du da unterschrieben? Ich kann mir denken, es ist kein Glück, seine Geliebte zu sein. Aber, was willst du tun? Wir müssen leben! – Betrüg ihn! Schlag ihn! Bring ihn um! Aber handle vorsichtig und klug und mach mir keine Sorgen. – Wie ich ihm den Ring abgejagt habe! – Wer mir das gesagt hätte vor fünfzig Jahren, als ich in meiner Verliebtheit dem Herzog von Montfleury einen Korb gab, um deinen Vater zu heiraten.«

      »Ach Mutter!« seufzte Frau Ina.

      »Was für ein Papier hast du da unterschrieben?« drängte die Baronin.

      »Ich weiß es nicht. Vermutlich einen Kontrakt.«

      »Was für einen Kontrakt? – Um deinen Mann los und die Frau des Grafen Scheeler zu werden, mußt du alles vermeiden, was dich nach außen hin kompromittiert.«

      Ina lachte spöttisch, sah die Baronin fest an und sagte:

      »Ich werde ein Bordell übernehmen.«

      »Ina!« schrie die Baronin laut auf. »Hast du den Verstand verloren?«

      »I Gott bewahre! Aber in dieser Form geht es nicht weiter. Statt zu Geld zu kommen, geraten wir nur immer tiefer in Schulden. Jetzt heißt es, endlich einmal Realpolitik treiben! Biegen oder brechen!«

      Die Baronin sah entsetzt ihre Tochter an.

      »Und . . . auf . . . die . . . Art . . . meinst . . . du . . .?«

      »Ja, Mama!« lautete die bestimmte Antwort. »Auf die Art; wenn in der Form auch etwas anders.«

      »Und . . . du . . . glaubst . . .?«

      »Ich hoffe!«

      Der Rittmeister kam wieder ins Zimmer.

      »Ein sympathischer Mensch, dieser Katz«, sagte er. »Und auf dich, Ina, hält er große Stücke.«

      Aus einem Nebenzimmer ertönte hell die Stimme Mathilde Brückners.

      »Allmächtiger!« rief Ina. »Wir haben ja Gäste!«

      Sie trat an den Spiegel, legte Puder auf, befahl ihrem Manne, der Baronin den Arm zu reichen, und ging mit ihnen in den Salon zurück, der auf der andern Seite des Flurs lag.

* * *

      Mathilde Brückner hatte ihr Lied gerade beendet, als die Drei den Salon wieder betraten.

      »Ich habe versucht, Sie zu ersetzen,« wandte sich Mathilde an die Baronin.

      »Solchen Ersatz werden sich unsere Gäste gern gefallen lassen,« erwiderte die, dankte Mathilde lebhaft und drückte ihr die Hand.

      »Hoffentlich war die Abhaltung keine unangenehme,« fragte Wolfgang v. Erdt.

      »Ja und nein,« erwiderte Frau Ina. »Es kommt, wie bei allem, darauf an, wie man es nimmt. Einer findet es katastrophal, der Andere sieht darin eine Wohltat.«

      »Sehr richtig!« stimmte der Professor zu. »Das gilt ganz allgemein und uneingeschränkt; nur merken es die Menschen in den seltensten Fällen. Alles ist letzten Endes auf Zerstörung gerichtet.«

      »Jeder Aufbau trägt in sich schon den Keim späterer Vernichtung.«

      »Daß wir ihn nicht erkennen,« erwiderte Frau Ina, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, »liegt daran, daß man uns schon als Kinder eine Brille auf die Nase stülpt, durch die wir dann Zeitlebens alles wie durch einen Schleier sehen. Zu einer eigenen Wertung über Gut und Böse kommen wir dadurch überhaupt nicht. Das hat man uns schon vorweggenommen.«

      »Und man sollte nicht imstande sein, sich diese Brille herunterzureisen und mit eigenen Augen zu sehen?« fragte v. Erdt.

      »Das Resultat wäre ein Mensch ohne Vorurteile,« erwiderte der Professor. »Ich glaube nicht, daß es so etwas in unseren Kreisen gibt.«

      »Und gäbe es das, was gewiß schon viel wäre,« fuhr Frau Ina fort, »wem wäre damit gedient? Dieser Ausnahmemensch würde sich ja doch nur immer in seinen Kreisen bewegen. Das Leben da, wo es unverfälscht ist, würde er doch nicht kennen lernen.«

      »Und wo, meinen Sie, lernt man das unverfälschte Leben am besten und am gründlichsten kennen?« fragte Frau Mira.

      »Unten im Volke natürlich,« erwiderte der Professor, »wo die Instinkte frei und ohne gesellschaftliche Rücksichten zum Durchbruch kommen.«

      Frau Olga führte ihr Spitzentuch vor den Mund und sagte: »Danke ergebenst! Alle diese Menschen haben einen Odeur an sich, der mich umwirft.«

      »Vor allem,« meinte Frau Ina, »ist an dieser Art Menschen nichts zu studieren. Sie sind durch die Tretmühle des täglichen Lebens so abgestumpft, daß sie kaum noch Leidenschaften haben.«

      »Aber man liest doch soviel in Romanen und sieht soviel auf der Bühne . . .« brachte Frau Mira etwas zaghaft mit einem Blick auf Wolfgang v. Erdt vor.

      »Das ist doch alles Phantasie,« meinte die Baronin, worauf sie ein vernichtender Blick Nelly Brückners traf. »Oder irre ich mich da?« fragte sie höflich.

      »Aber sehr!« erklärte Nelly überlegen und bestimmt, sah ängstlich zu ihrem Stiefvater auf, streichelte ihn mit einem zärtlichen Blick und sagte:

      »Intuition ist es! Göttliche Intuition!«

      »Jedenfalls, und darauf allein kommt es an,« erwiderte Frau Ina, »weit ab von jeder Wirklichkeit. – Um die Wirklichkeit kennen zu lernen,« fuhr sie mit Pathos fort, »dazu bedarf es schon einer gewissen Größe, die von uns, die wir bis da hinauf in gesellschaftlichen Vorurteilen stecken, kaum einer aufbringt.«

      »Ich schon!« widersprach Frau Mira. »Wenn Sie mir nur zusichern, daß dies Studium mehr Abwechslung bietet und weniger formal ist als unser gesellschaftliches Leben, das mit der Präzision eines tausend Meter Films abrollt, ohne – genau wie der – je eine Überraschung zu bringen, dann stürze ich mich in dies Studium, selbst auf die Gefahr hin, mich und meinen Mann СКАЧАТЬ