Die Extrafahrt. Adolf Mützelburg
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Название: Die Extrafahrt

Автор: Adolf Mützelburg

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Ueberzeugung und bin es heute noch, daß er den Beinamen Vampyr nur von der Gier erhalten, mit der er sich auf jedes Fremdwort stürzte und es bis auf das Blut aussaugte, so wie daß seine geschwollenen Backen nur von den riesenhaften Anstrengungen herrührten, jedes derartige Wort bis zum Unerkennbaren und Unfaßlichen zu zerkneten. Im übrigen harmlos.

      Drittens Herr August Friedrich Klapschig, Materialist vom reinsten Wasser, ohne allen Charakter. Seine einzigen bemerkbaren Eigenschaften sind ungefähr vierzig Jahre, seine Aehnlichkeit mit einem Känguruh, wenn er sitzt, und sein zurückgeschobener Hut, der ihm das Aussehen eines verdorbenen Engländers giebt. Seine Existenz in der Welt ist so problematisch, daß er selbst in Verlegenheit sein würde, wenn er sie zufällig beweisen sollte.

      Das waren meine Reisegefährten.

      Ich sehe mich unwillkürlich genöthigt, hier eine Pause zu machen, um meine Leser sich von ihrem Erstaunen erholen zu lassen. Jetzt brechen die Fragen los!

      Wie? Was? Sind das Reisegefährten für einen Schriftsteller, für einen Gelehrten, für einen Dichter (die gewöhnlichen Beinamen, die man uns giebt)? Drei der unbedeutendsten Menschen, die langweiligsten Subjecte, zu denen sich der einfachste Spießbürger nicht inʼs Coupé setzen würde, aus Furcht, vor langer Weile gezwungen zu sein, aus dem Fenster zu springen? Warum wählen Sie sich nicht bessere Gesellschaft, Herr? Wie können sie es wagen, uns mit solchen Leuten ennuyren zu wollen? Weshalb wählen Sie sich nicht geistreiche Leute zu Reisegefährten?

      Nur zwei Minuten Geduld! Ich will die Frage beantworten, noch ehe der Zug abgeht, kurz, summarisch.

      Ich liebe geistreiche und geistvolle Leute, ich verehre sie, ich bewundere sie. Aber ich gebrauche ihren Umgang wie Medicin, wie starken Kaffee, ich wähle sie selten zu meinen Freunden und nie zu meinen Reisegefährten.

      Geistreiche Leute haben immer Schrullen, sind aber selten Originale. Geistreiche Leute wollen immer dominiren, und ich mag nicht gern gehorchen. Geistreiche Leute sehen die Welt nie, wie sie ist, sondern nur durch die Brille ihres vielleicht sehr raffinirten und spirituellen Vorurtheils. Von geistreichen Leuten kann man nur lernen, wie man das Leben nicht auffassen soll. Am unausstehlichsten sind sie auf der Reise. Sie amüsiren sich nicht; sie verachten die harmlose Heiterkeit. Sie haben keinen Drang, etwas zu sehen; denn sie kennen schon Alles. Sie betrachten alle Gegenstände als nur deshalb existirend, um ihr Urtheil darüber abgeben zu können. Sie sprechen an einem Tage zwölf Stunden hinter einander, und am folgenden keine Silbe. Sie loben und tadeln je nach ihrer Laune; denn sie sind fast alle Hypochonder. Sie wollen sich nie Euren Wünschen fügen, und sind mürrisch, wenn eine Wolke am Himmel aufzieht. Gewöhnlich haben sie auch kein Geld.

      Deshalb reise ich nie mit geistreichen Leuten. Ich kenne sie aus dem Grunde, denn – ich gehöre selbst zu ihnen. Ja, trotz aller meiner Bescheidenheit erkläre ich, eben so viel Geist zu haben, wie die meisten von denen, die behaupten, sie hätten welchen!

      Wenn ich reise, so reise ich mit den Leuten, die mir gerade passend erscheinen. mögen sie sein, wie sie wollen. Der einfachste Seifensieder hat mehr Originalität, als der geistreiche Gelehrte.

      Womit ich diesen Gegenstand für erledigt erkläre!

      Es ist zehn Minuten über zehn Uhr! sagte Herr Murchel und wischte sich den Schweiß von der Stirn, eine Operation, die er regelmäßig und unter allen Umständen in Zwischenräumen von fünf Minuten wiederholte.

      Ei Herr Jäses! So späte schon? rief der Vampyr.

      Klapschig, der Materielle, behielt ruhig seine Känguruhstellung, die beiden Hände auf den Regenschirm stützend und mit gleichgültigen Blicken gerade vor sich hinstarrend.

      Es könnte losgehen! sagte Murchel, sich aus dem Fenster legend. Hoioh! Conducteur, beilegen!

      Ich sah ihn erstaunt an. Die nautischen Kenntnisse des Dicken waren mir noch nie aufgefallen. Auch der Vampyr schien überrascht. Klapschig rührte sich nicht.

      Kein Conducteur in Sicht! sagte Murchel, sich zu uns zurückwendend. Und die Locomotive pfeift noch nicht!

      Herr Murchel, sagte ich, Ihre Kenntniß der Seemannssprache überrascht mich. Waren Sie auf der See?

      Nein, aber wir reisen nach Hamburg, mein Herr, nach Hamburg! antwortete er lustig. Hoioh!

      Und Sie haben geglaubt, daß es gut sei, sich ein wenig mit der Sprache der dortigen fremden Völkerstämme bekannt zu machen?

      So ist es! antwortete er wohlgefällig. Ich habe den »kleinen Seemann« durchgelesen.

      Den kleinen Seemann? Wer ist denn das? fragte ich.

      Ein Buch mit Seegeschichten, das mein ältester Junge mit aus der Schule brachte, antwortete der Dicke mit unverwüstlicher Laune. Ich sage Ihnen, meine Herren, die Theerjacken werden Respect vor mir bekommen.

      Famos! Dölitschös! lachte der Vampyr, sich die Hände reibend.

      Klapschig war noch immer in ernste Gedanken versunken.

      Aber ich wünschte, es ginge fort! sagte ich.

      Halloh! da ist ein Conducteur! rief Murchel. He, beilegen! Wann stechen wir in See, alter Knabe? Hoioh!

      Der Conducteur, der den »kleinen Seemann« noch nicht gelesen haben mochte, war soeben bemüht, zwei Passagiere in das nächste Coupé zu zwängen, und achtete nicht auf Herrn Murchel.

      He, Conducteur, wiederholte dieser, gehtʼs noch nicht bald los? Es ist ja ein Viertel auf Eilf!

      In einer Viertelstunde vielleicht, mein Herr!

      Was! in einer Viertelstunde? Ist das Pünktlichkeit?

      Mein Herr, dies ist ein Extrazug.

      Das weiß ich! Aber er soll um zehn Uhr abgehen.

      Silanz, Murchel! sagte Kitschotutsch. Was wäre denn Extraʼs bei dem Zuge, wenn er pünktlich abführe!

      Sie haben Recht, Vampyr! antwortete der Dicke. Und ich denke, wir benutzen die Windstille, um einen Theil unserer Fracht auszuladen! He, Materialist!

      Was meinen Sie? fragte der aufgeschreckte Klapschig verstört.

      Ich meine, daß wir die erste Flasche Portwein anbrechen, antwortete der Dicke.

      Um Klapschigʼs dünne Lippen zog sich etwas, das einen Schmunzeln ähnlich sah und ihm das Aussehen eines lächelnden Häschens gab. Klapschig hatte wirklich ein Hasengesicht auf einem Känguruh-Leibe.

      Nun, wie ist es mit Ihnen, junger Jöthe? fragte mich Murchel, mir das kleine Glas hinreichend.

      Der »junge Jöthe« – ich bitte den »jungen Goethe« par excellence in Herrn Murchels Namen tausend Mal um Verzeihung! – dachte jedoch in diesem Augenblick an ganz andere Dinge. Eine Viertelstunde Zeit – vielleicht noch länger! – Die mußte benutzt werden.

      Verwahren Sie mir meinen Platz, Murchel! sagte ich. Heben Sie mir mein Glas auf. Ich komme sogleich wieder.

      Im nächsten Augenblicke war ich auf dem Perron. Es handelte sich darum, meine Unbekannte zu entdecken.

      Das war nicht so leicht, wie es scheinen mag. Noch immer stürzten neue Massen von Ankommenden auf die Waggons zu, wie Eisschollen auf eine Brücke.

      Mit männlicher Standhaftigkeit erduldete ich den Anprall der Verspäteten, die wie Tiger auf die Waggons losstürzten, СКАЧАТЬ