Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder. Михаил Лермонтов
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder - Михаил Лермонтов страница 8

СКАЧАТЬ wie von zwei silbernen Fäden durchschnitten; ein bläulicher Nebel glitt darüber hin, vor den warmen Strahlen des Morgens in die nahen Klüfte fliehend: rechts und links durchschnitten sich und dehnten sich verschiedene Bergkämme aus, der eine immer höher als der andere, sämmtlich mit Schnee und Gesträuch bedeckt; in der Ferne immer wieder Berge, aber auch nicht zwei Felsen, die einander ähnlich gesehen hätten, – und all’ diese Schneemassen glühten von röthlichem Glanze so munter und hell, daß man hier lebenslang hätte verweilen mögen; die Sonne blickte nur eben hinter dem dunkelblauen Berge hervor, den ungewohnte Augen kaum von dem drohenden Gewölk unterscheiden konnten; auf der Sonne aber lag ein blutiger Streif, welchem mein Gefährte besondere Aufmerksamkeit widmete. „Ich sage Ihnen,“ rief er aus, „daß nun ein Unwetter kommen wird; wir müssen uns tummeln, oder es wird uns auf dem Kreuzberge überfallen.“ „Rührt Euch!“ rief er den Fuhrleuten zu.

      Sie hingen anstatt der Hemmschuhe Ketten unter die Räder, damit diese nicht hinunter rollten, faßten die Pferde bei den Zügeln und fingen an, sich in Bewegung zu setzen. Rechts erhob sich ein Fels, links gähnte ein solcher Abgrund, daß ein ganzes Dörfchen von Osseten, die in dessen Tiefe wohnten, einem Schwalbenneste nicht unähnlich schien; ich schauderte, wenn ich bedachte, daß oft in tiefer Nacht so mancher Courier diesen Weg, wo zwei Wagen einander nicht ausweichen können, wohl zehnmal des Jahres passirt, ohne von seinem rüttelnden, offenen Wagen hinabzugleiten. Einer unserer Postillone war ein russischer Bauer aus Jaroslaw, der andere ein Ossete. Der Ossete führte das Hauptpferd mit aller nur möglichen Vorsicht am Zügel, nachdem er die Vorderpferde bei Zeiten abgespannt hatte, – unser sorgloser Russe hingegen stieg nicht einmal von seinem Sitzbrett herab! Als ich ihm bemerkte daß er, wenn auch nur zum Besten meines Koffers, es sich doch ein Bischen weniger bequem machen könnte, weil ich nicht Lust hätte, hinter diesem drein in den Abgrund zu klettern, antwortete er mir: „I, Herr! Mit Gottes Hülfe fahren wir nicht schlechter wie die da! sind wir doch nicht zum erstenmal dabei!“ – und er hatte Recht; wir hätten nun freilich auch nicht ankommen können, allein, wir kamen doch an, und wenn die Leute nur besser nachdenken wollten, so würden sie sich überzeugen, daß das Leben nicht werth ist, sich soviel Sorge darüber zu machen.

      Aber vielleicht wünschen meine Leser das Ende von Bela’s Geschichte zu erfahren? —

      Erstens schreibe ich keine Novelle, sondern Reisenotizen: folglich kann ich auch den Stabskapitain nicht eher erzählen lassen, als er in der That zu erzählen anfing. Also warten Sie ein Bischen, oder, wenn Sie wollen, überschlagen Sie einige Seiten, wozu ich Ihnen freilich nicht rathe, weil die Reise über den Kreuzberg (oder wie ihn der gelehrte Gamba nennt, le Mont de St. Christophe) Ihrer Neugierde gewiß werth ist. – Also, wir stiegen vom Gudberg in das Teufelsthal (Tschértowa-Dolina) . . . Was für ein romantischer Name! Sie sehen schon das Nest des bösen Geistes zwischen den unzugänglichen Felsen hängen?! – mit nichten: der Name „Tschértowa-Dolina“ kommt von dem Worte „Tschertá“ (die Grenze) her und nicht von „Tschort“ [der Teufel],18 denn hier war einstmals die Grenze Grusiens. Dies Thal nun war von Schneehaufen zugeschneit, die ziemlich lebhaft an Saratoff, Tamboff und andere liebliche Orte unseres Vaterlandes erinnerten.

      „Da ist der Kreuzberg!“ sagte der Stabskapitain zu mir, als wir in die Tschértowa-Dolina gefahren waren, indem er auf eine Anhöhe wies, die mit einem Schneegewande bekleidet war; auf seiner Höhe erhob sich ein schwarzes steinernes Kreuz, an welchem ein kaum sichtbarer Weg vorüberführte, den man nur passirt, wenn der Seitenweg vom Schnee verschüttet ist. Unsere Postillone versicherten uns, es wären noch keine Lawinen gefallen und führten uns, um die Pferde zu schonen, den gewundenen Seitenweg. An einer Wendung des Weges stießen wir auf fünf Osseten, die uns ihre Dienste anboten, sich in die Räder warfen und mit vielem Geschrei unsere Wagen bald hemmten, bald vorwärts stießen. Der Weg war in der That sehr gefährlich; rechts hingen über unsern Häuptern ungeheure Schneemassen, bereit, sich auf den ersten Windstoß in die Schlucht hinabzureißen; der enge Weg selbst war zum Theil mit Schnee bedeckt, der an einigen Stellen unter unseren Füßen einbrach, an andern von den Sonnenstrahlen und dem wiederkehrenden Nachtfroste in Eis verwandelt worden war, so daß es uns sogar schwer wurde darüber hinwegzukommen. Die Pferde stürzten fortwährend; – links glänzte eine tiefe Felsenspalte, aus welcher ein Sturzbach hervorstürzte, bald sich unter einer Eisrinde verbergend, bald schäumend über die schwarzen Felsen dahin hüpfend. In zwei vollen Stunden konnten wir kaum den Kreuzberg herumkommen, – zwei Werst in zwei Stunden! Unterdessen hatten sich die Wolken gesenkt, es fiel Hagel und Schnee; der Wind, der aus der Schlucht hervordrang, heulte und pfiff wie der Räuber Nachtigall, von dem die Sage geht, seine Pfeife sei von einem Ende Rußlands bis zum andern vernehmbar gewesen, und bald war das Kreuz von Nebelwolken verdeckt, deren Wogen, die eine immer dichter und undurchdringlicher als die andere, von Osten herbeieilten . . . .

      Ueber dieses Kreuz existirt die seltsame doch allgemeine Sage, als habe es Peter der Große auf seiner Reise durch den Kaukasus errichten lassen; zum Ersten aber war Peter nur in Dagestan gewesen, und zum Zweiten war mit großen Buchstaben auf das Kreuz geschrieben, daß es auf Befehl des Grafen Jermóloff errichtet wurde und zwar im Jahre 1824. Allein die Sage hat sich trotz dieser Inschrift dermaßen eingewurzelt, daß man wirklich nicht weiß, wem man Glauben schenken soll, um so mehr als wir nicht gewohnt sind den Inschriften zu trauen.

      Wir hatten noch ungefähr fünf Werst auf den übereisten Felsen und dem morastigen Schnee zurückzulegen, bevor wir die Station Kobi erreichen konnten. Unsere Pferde waren erschöpft, wir vor Kälte erstarrt; das Schneegestöber tobte wilder und wilder; ganz wie unsere nordische Windsbraut, nur daß ihr wildes Geheul trauriger, schwermüthiger war. „Auch Du, arme Verbannte, dachte ich bei mir selbst, weinst um Deine weiten, offenen Steppen! Dort konntest Du Deine kalten Flügel entfalten; hier aber ist es Dir beklommen und eng, wie dem Adler, der mit Schrei gegen das eiserne Gitter seines Käfichs anfliegt.“

      – Das steht schlimm mit uns! sagte der Stabskapitain. Schauen Sie nur, rundum nichts zu sehen als Nebel und Schnee; wir können uns nur gewärtigen, daß wir in einen Abgrund stürzen oder in den Schneemassen stecken bleiben, und dort unten, wahrhaftig, hat sich der Baidar so ausgebreitet, daß wir nicht drüberweg kommen werden. Ach, dies abscheuliche Asien! Wie die Menschen so sind auch die Flüßchen, man kann sich nie auf sie verlassen! – Die Führer trieben mit Geschrei und Schelten die Pferde an, die sich gegenstemmten, schnaubten und nicht vom Flecke wollten trotz der Beredsamkeit der Knuten.

      „Ew. Gnaden,“ sagte endlich einer derselben, „sehn Sie mal, nach Kobi kommen wir heute doch nicht; befehlen Sie nicht vielleicht, daß man wenigstens dort links einbiege? Sehen Sie wohl, da, am Abhange, starrt etwas empor, wahrscheinlich ein Felsen: nun, da halten die Reisenden gewöhnlich zur Zeit eines Unwetters; die Osseten meinen, daß wenn Sie ein Trinkgeld gäben, sie uns hinschaffen wollten.“

      – Ich weiß, mein Lieber, weiß es ohne Dich! sagte der Stabskapitain. Diese Bestien sind bereit sich in Stücke zu zerreißen, wenn sie einem nur ein Trinkgeld abnöthigen können.

      „Indessen gestehen Sie selbst,“ meinte ich, „daß es uns jetzt ohne sie schlecht ergehen würde.“

      – ’S ist alles eins; ’S ist alles eins! brummte er vor sich hin. Das sind mir die rechten Führer! Sie wittern es, wo sie eine Gelegenheit benutzen können. Als ob man ohne sie den Weg nicht finden könnte! . . .

      So wandten wir uns denn links und erreichten mit vieler Noth ein armseliges Obdach, aus zwei Sakljen bestehend, die aus Fliesen und Kieselsteinen zusammengemauert waren und um die sich eine eben solche Schutzmauer zog. Die zerlumpten Wirthsleute empfingen uns freundlich. Später erfuhr ich, daß sie von der Regierung bezahlt und ernährt werden unter der Bedingung, daß sie die vom Sturm überfallenen Reisenden aufnehmen.

      „Es hat doch alles sein Gutes!“ sagte ich, mich an’s Feuer niedersetzend. „Jetzt erzählen Sie mir Ihre Geschichte von der Bela aus; ich bin überzeugt, damit war die Sache noch nicht abgemacht.“

      – Und СКАЧАТЬ



<p>18</p>

Der erste Vocal dieser beiden Wörter wird, wenigstens vom gemeinen Volke, gleichmäßig o ausgesprochen.